- Myriane Angelowski scheibt Köln-Krimis.
- Ihr neues Buch „Jenseits des Rheins“ handelt von Geschlechterdiversität und Mobbing.
Köln – Frau Angelowski, gerade ist Ihr sechster Köln-Krimi erschienen. Die Buchhändler dürfen wieder ohne Termin verkaufen, die Pandemie ist allerdings noch nicht ausgestanden. Ist das ein guter Zeitpunkt für die Veröffentlichung eines neuen Romans?
Angelowski: Jein. Also einerseits habe ich mich gefreut, als letztes Jahr die Anfrage des Verlags genau zu Beginn des ersten Lockdowns kam. Ich war zuhause und habe wie immer geschrieben. Ab und zu habe ich mitbekommen: Ach, es ist Pandemie. Für die Lesungen wäre es vermutlich besser, wenn es Herbst wäre, andererseits lesen die Leute auch viel. Ich habe mich damit versöhnt. Normalerweise hätte ich diese Woche eine Premierenlesung gehabt – das ist immer ein Riesen-Event. Da läuft im Moment noch nichts, es kommen keine Anfragen. Ich denke, die Veranstalter warten noch ein bisschen. Trotzdem war es der optimale Zeitpunkt, ein Buch zu schreiben.
Bei „Jenseits des Rheins“ verschwindet der 13-jährige Lenni, als er vom Doppelleben seines Vaters erfährt. Lenni wird gemobbt: Er zieht gerne pinke oder glitzernde Klamotten an, lackiert sich die Nägel. Wie sind sie auf das Thema Geschlechterdiversität gekommen?
Ich wollte das schon bei meinem letzten Buch behandeln. Ich habe das in meinem Umfeld sehr nah erlebt und dort auch viel diskutiert. Diese stereotype Rollenzuschreibung für manche Kinder und Eltern ist eine richtig schwierige Sache. Lenni wäre eigentlich total glücklich, wenn er leben könnte wie er will. Die Zuschreibungen kommen von außen. Die Mutter sagt an einer Stelle, dass er das Wort „Intoleranz“ kannte, da konnte er noch nicht einmal schreiben. Das Thema ist ja sehr präsent in den Medien und ähnlich wie bei „Missbrauch“ findet da eine Enttabuisierung statt.
Sie geben dem Ganzen im Buch lange keinen Namen. Sie beschreiben zwar punktuell Lennis atypischen Kleidungsstil, aber verwenden zunächst keine Begrifflichkeiten wie etwa „transgender“.
Mir war wichtig, diese Katalogisierung selber gar nicht vorzunehmen. Irgendwann sagt eine Polizistin zu Lennis Eltern: Ach, das ist ein transgender Kind. Nein, antworten die dann. Sie seien auch beim Kinderarzt gewesen. Lenni weiß gar nicht, was er ist. Das brauchen eher die Menschen drum herum, wie der Opa zum Beispiel. Die Eltern sind da tolerant. Ich wollte behutsam darüber sprechen.
Zur Person
Myriane Angelowski ist in Köln geboren und 58 Jahre alt. Neben ihrer Arbeit als Autorin ist sie auch im Bereich Skript-Coaching tätig. Angelowski leitet Krimi-Seminare und Schreibworkshops. Darüber hinaus war sie mehrere Jahre als Lehrbeauftragte an der Fachhochschule für Sozialpädagogik tätig. Ihr neuester Kriminalroman „Jenseits des Rheins“ (Emons Verlag, 13,40 Euro) ist ihr sechster Kölner Fall.
Wie konzipiert man eine jugendliche Buchfigur? Lenni benutzt zum Beispiel hin- und wieder Jugendsprache. Wie sind Sie da vorgegangen?
Ich bin sehr nah an diesen Themen, weil ich jahrelang als Referentin für Gewaltfragen bei der Stadt Köln gearbeitet habe. Da habe ich viel zum Thema Jugend gemacht, bin auch viel im Austausch mit Menschen, die in dem Bereich arbeiten. Meine Partnerin ist Kriminalkommissarin bei der Polizei. Da kommt der ganze Polizeipart her. Die sozialen Aspekte kommen von Fachleuten aus meinem Umfeld. Ein Freund von mir hat einen jugendlichen Sohn, da habe ich mir das abgeguckt. Es gibt aber auch super Seiten im Netz dazu. Das habe ich nur bei einer Figur gemacht, denn das will ja sonst keiner lesen.
Erschreckend ist doch, dass Lennis Eltern lange nicht ahnten, dass seine Probleme mit Mobbing weiter bestehen. Er tut alles dafür, um es zu verheimlichen. Was können Eltern tun, wenn sich Anzeichen auf Ausgrenzung verdichten?
Hier ist es so, dass die Eltern ihn schon bestärkt haben. Sie haben Kontakt zu den Lehrern gesucht, mit den Eltern der mobbenden Kinder gesprochen und den Lenni selbst auch immer darauf angesprochen. Und sie haben einen Blick auf sein Handy geworfen. Ein Freund von mir schaut auch regelmäßig ins Smartphone der Kinder. Es gibt eine Absprache, was die dort machen dürfen. Abgemacht hatte Lenni mit seinen Eltern auch, dass er ihnen erzählt, wenn etwas ist. Das Mobbing geht aber weiter und er sagt nichts, dadurch kommt er in eine tragische Spirale. Eine Erstleserin rief mich an und fragte mich: Aber warum vertraut er sich denn nicht den Eltern an, der hat doch gute.
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Angelowski über Köln: Akzeptanz wäre ihr lieber als Toleranz
Der Rhein ist titelgebend: Lenni wohnt in Poll, er fährt den Rhein mit seinem Bike rauf und runter. Was bedeutet Ihnen der Fluss und wo gehen Sie selbst am liebsten hin?
Ich bin in Köln geboren, finde die Stadt ok, glorifiziere sie aber nicht. Ich habe auch ein Jahr in Israel gelebt, reise viel. Ja, es ist eine tolle Stadt, tolerant… auch wenn mir Akzeptanz lieber wäre als Toleranz. Ich finde diese Toleranz-Debatte in Köln manchmal übertrieben, als wäre man hier weiter als in anderen Städten. Das finde ich nicht. Das hängt von Kontexten ab, in denen ich mich bewege, aber auch von Stadtteilen. Manche haben weiterhin ein Akzeptanzproblem, wenn man etwa homosexuell ist oder einen Migrationshintergrund hat.
Aber ich habe natürlich eine Affinität zu der Stadt. Ich jogge oft am Rhein entlang. Ich wohne in Nippes und laufe dann über die Deutzer Brücke, über den Rheinpark wieder zurück. Dadurch wird einem erst bewusst, dass man an einem Strom lebt. Manchmal sitzen wir im Sommer am Rhein und essen und trinken dort.
Sie glorifizieren Köln nicht, schreiben aber Köln-Krimis mit Lokalkolorit.
Dadurch lerne ich ja auch die Stadt anders kennen. Gerade gehe ich mit einer Freundin den sogenannten Köln-Pfad, da geht man ganz außen herum. Da sind Orte dabei, von denen ich zuvor noch nie etwas gehört habe. Und so geht es mir auch mit den Köln-Krimis. Eine Freundin, die in Poll lebt, sagte: Warum machst du denn keinen Krimi, der hier spielt. Dann habe ich mir das genauer angeschaut: Die Milchmädchensiedlung und die Rheinnähe, das ist schon schön. Die Siedlung hat eine ganz alte Geschichte, die Poller Milchmädchen haben mit ihren Eselskarren die Milch in die Stadt gebracht. Ich entwickle dadurch eine Nähe zu den Stadtteilen.
Lesen Sie auch privat gerne Krimis?
Früher ja, ich mache es aber nicht mehr so gerne, weil ich Angst habe, ich kopiere etwas oder es bleibt da etwas hängen. Ich lese lieber Biografien und finde das hoch spannend. Gerade lese ich die von Astrid Lindgren.