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BAP-FrontmannNiedeckens kritisch-verliebte Betrachtungen über seine Heimatstadt

Lesezeit 4 Minuten

Mit Carlos Santana 2007

Köln – Zum Start ins neue Jahrtausend geht Wolfgang Niedecken mit seiner Band ins Kino. In der Essener Lichtburg beginnen die Dreharbeiten für Wim Wenders„ Spielfilm über die Geschichte der Band. Der Clou dabei: Keiner weiß so recht, wohin diese Tonfilm-Tour führen wird. Zwei Jahre später kommt „Viel passiert“ in die Kinos. Die Premiere fand – na klar – in der Lichtburg statt.Damals sagte uns Wim Wenders, dem zuvor mit dem „Buena Vista Social Club“ (1999) ein herausragendes Dokument gelungen war, was ihn zu diesem neuen Musikfilm bewogen hatte: „Der Wolfgang hat – beispiellos geradezu – stets geradeaus weitererzählt und sich nicht beirren lassen. Er hat nicht nach der Hitparade geschielt, sondern ist seinen Geschichten treu geblieben. Das hat, so weit ich sehen kann, kein anderer in dieser Weise geschafft wie er. Daher wollte ich in dem Film zeigen, ja, was für einen Schatz man darin sehen kann.“

Mit Wim Wenders bei der Premiere in Essen 2002

Das klang schon wie das Resümee zu einem künstlerischen Lebenswerk. Dabei hatte Wolfgang Niedecken zu dem Zeitpunkt lediglich die ersten 25 Jahre als professioneller Liedermacher hinter sich.

Songs in eigener Sache

Mit einer neuen Leichtigkeit geht es weiter. Schönster Ausdruck dafür ist das entspannte Album „Aff un zo“ (2001). Aufgenommen wurde es in Cala Sant Vicenç auf Mallorca, in einer schnuckeligen Bucht mit kleinem Strand und verträumtem Hotel. Verständlicherweise scheint auf diesem Album ziemlich viel Sonne: „Aff un zo ess alles herrlich, / Aff un zo och janz erbärmlich“. Aber sei es wie es sei: „Et jeht wigger hingerm Horizont“. Das macht Laune.

Die Band in neuer Besetzung.

Selbstverständlich bleibt es in diesem Jahrzehnt bei den bewährten Themenfeldern. Lebensgeschichte und Zeitgeschichte bieten Stories ohne Ende. Öfter als zuvor rückt dabei die Band in den Blick. Vermutlich gibt es keine Formation, die mehr Songs in eigener Sache zu bieten hat als BAP. Auf „Aff un zo“ ist sogar nachzuhören, wie es bei den Aufnahmen auf Mallorca zuging: „Saat, hätt vun üch schon wer kapiert, / wat dat für Type sinn un wat dodrinn passiert? / Okay, wie't ussieht halt irjenden Band / Die vun uns he noch keiner kennt, / un wie et schingk noh däm, / wat mer vun he uss hührt / op jeden Fall en Band, die brennt.“ So was erfährt man sonst allenfalls im Booklet.

Lokal wie international

Weiterhin wird im dicken Liederbuch ein kritischer Blick auf die Zeitläufte geworfen. So lokal wie international. Wolfgang Niedeckens Engagement für notleidende Kinder in Afrika wird immer intensiver und spiegelt sich im Werk. Wie könnte es auch anders sein bei diesem autobiografischen Musizieren. So findet sich auf dem Album „Radio Pandora“ (2008), das recht tricky in einer Plugged- und einer Unplugged-Variante auf den Markt gebracht wird, der Song „Noh Gulu“.

Mit Mike Herting 2005.

Er handelt von zwei Waisenkindern aus Norduganda, die jeden Abend auf nackten Füßen kilometerweit laufen müssen, um ein sicheres Dach über dem Kopf zu finden: „Die, die Jlöck hann, jonn enn Flip-Flops / All die andre 'p bläcke Fööß / Su wie Jimmy un Rebekka / Die met zwölf längs alles weiß / Met 'ner Deck un ener Strühmatt / Un dä Hoffnung op en sechere Naach.“ Eine Weile kommt kein Konzert ohne diesen Titel aus, der zwar nicht die faszinierendste Nummer im Programm ist, aber beharrlich Aufmerksamkeit zu wecken versteht. Auch das Video zum Song, auf Youtube abrufbar, spricht Bände. Und immer noch ist die Region, das vermitteln aktuelle Nachrichten, kein sicherer Ort.

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Ja, und dann leuchten regelmäßig die kritisch-verliebten Betrachtungen über die Heimatstadt am Rhein auf. Die Straße „Unger Krahnebäume“ besingt Wolfgang Niedecken, inspiriert von Heinrich Bölls Text „Straßen wie diese“, im Jahre 2004 gleich auf zwei Alben: Mit BAP auf „Sonx“ und mit der WDR Big Band unter der Leitung von Mike Herting auf „Niedecken Köln“. Dieses dritte Soloalbum ist eine Perle in Rot-Weiß.

BAP auf dem Roncalliplatz: Wolfgang Niedecken mit Werner Kopal und Jürgen Zöller auf dem Roncalliplatz.

Ein Qualitätsprodukt mit nichts als aufgejazzten Köln-Sequenzen - von „Für „ne Moment“ bis „Schluss, aus, okay“. Das ist Köln as Köln can. Im Gespräch sagte uns Wolfgang Niedecken damals: „Ich will einfach nicht aufhören, von Köln in einer anderen Weise zu erzählen, als es das Klischee vorgibt. Böll, Chargesheimer, von mir aus auch Trude Herr - das ist die Tradition, in der ich mich sehe.“