Hohe BürgerbereitschaftBekommt Köln eine „Wächter-Kohorte“ für neue Viren?
Köln – Aus einer Studie zur Corona-Dunkelziffer in Köln könnte ein dauerhaftes Projekt zur Beobachtung von Virusinfektionen in der Stadt werden. Das zumindest erhofft sich Professor Martin Hellmich, Leiter der „CoCos“-Studie, bei der Anfang Juni 6000 Kölnerinnen und Kölner von Stadt und Uniklinik kontaktiert wurden, um Speichelproben abzugeben. Im ersten Durchgang wurden unbemerkte Infektionen im zweistelligen Bereich entdeckt.
Damals wurden 6000 Briefe in ganz Köln verschickt – mit der Bitte, eine Speichelprobe abzugeben, die auf das Coronavirus getestet wird. Rund 2000 dieser Proben gingen schließlich beim Virologischen Institut der Uniklinik ein. Nun läuft eine zweite Runde.
Uniklinik will Dunkelziffer-Studie erweitern
„Offenbar haben wir eine Kohorte an Kölnerinnen und Kölnern, die Interesse haben, an Public-Health-Fragen mitzuarbeiten – vielleicht auch über diese Pandemie hinaus“, sagt Hellmich dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Diese Bereitschaft will er wissenschaftlich nutzen. Nicht nur, um die Corona-Dunkelziffer zu erfassen. In Anschlussprojekten „könnte es um die Vorbereitung auf kommende Viren, die es sicherlich geben wird, gehen“.
Die Idee der Nachverfolgung sei zwar nicht neu, doch „neu wäre die Verwendung mit einem vorausschauenden Blick auf pandemische Entwicklungen“, wie Hellmich betont: „Man könnte von einer Art Wächter-Kohorte sprechen, an der wir frühzeitig sehen, dass sich ein Virus in die Stadt bewegt. Vielleicht würde uns das fitter machen für die nächste Pandemie.“ Ein nächster Schritt könnten regelmäßige Blutproben sein, in denen – im Gegensatz zu Speichelproben – nicht nur akute, sondern auch bereits überstandene Infektionen erkannt werden können. Zudem wäre „eine spezielle Adressierung von Busfahrern, Lehrerinnen, Ärztinnen und andere Menschen, die vielen Kontakten ausgesetzt sind“, denkbar, so Hellmich.
Kölner Gesundheitsamt bestätigt Planung neuer Projekte
Das Studienkonzept sei schon jetzt „exemplarisch für eine gute Zusammenarbeit zwischen Uniklinik und Gesundheitsamt, die sich bestimmt noch weiter ausbauen lässt“. Die Stadt hält eine solche Ausweitung auch für denkbar, wie ein Sprecher bestätigte: „In der Tat könnten solche Kohorten auch für andere Fragestellungen verwendet werden.“ Es sei jedoch zu früh, eine entsprechende Entscheidung zu treffen.
Bislang scheitert eine langfristige Weiterentwicklung der Studie zudem an der Finanzierung. Hellmich hatte sich Zuschüsse über das vom Bundesforschungsministerium installierte „Netzwerk Universitätsmedizin“ gewünscht, doch dieses setzt derzeit fast ausschließlich auf überregionale Forschungsthemen. Auch die Stadt „bedauert sehr“, dass der entsprechende Antrag abgelehnt wurde, so der Sprecher. Gesundheitsamt und Uniklinik würden zeitnah besprechen, welche Art der Fortschreibung sinnvoll sei „und ob dafür andere Optionen zur Finanzierung gefunden werden können“.
Hellmich: Anlauf wird bei nächster Pandemie kürzer sein
Hellmich hofft, dass eine Lösung gefunden wird. Aus seiner Sicht müssen mehr langfristige Forschungsprojekte eine Lehre aus der Pandemie sein. „Es gab im vergangenen Jahr immer wieder ein politisches Gefühl der Ohnmacht, den Eindruck habe ich schon.“ Ein nun professionellerer Umgang mit Gesundheitsdaten sei „ein erfreulicher Effekt dieser Pandemie“, sagt der Modellierer. Es habe noch nie so viele Ressourcen für die Gesundheitsversorgung gegeben wie aktuell. Im Umkehrschluss geht er davon aus, dass eine effizientere Pandemie-Bekämpfung möglich gewesen wäre.
Mit einer frühzeitigen Vorbereitung hätten etwa „die Impfungen ein halbes Jahr früher starten können, davon gehe ich schon aus“, sagt Hellmich – auch wenn es bereits „erstaunlich schnell ging“. Nun hofft er, dass der Anlauf beim nächsten Mal kürzer sein wird. Und ist optimistisch: „Wir werden dann nicht nochmal ein Jahr lang mit einem solchen Virus beschäftigt sein.“