Köln – Krissie Illing sitzt vor dem Caféwagen des Circus Roncalli und malt Luftblasen auf eine Zettel, auf dem schon „Water“ geschrieben steht. Der Kellner aus Neapel versteht grinsend: die Dame möchte ein Sprudelwasser haben. Pressesprecher Arnd Wedeking fragt die 65-jährige Britin, wie denn der Ausflug ins Phantasialand war, den das Ensemble am spielfreien Montag gemacht hat.
Kettenkarussell fahren auf dem Bürostuhl
„Fun“, sagt Illing. „I didn’t go.“ In ihrem Alter müsse ein Ruhetag ein Ruhetag sein. Den habe sie zumeist lesend bei Freunden verbracht. Sie zückt ihr Handy und zeigt ein Video. Man hört das kreischende Gelächter dreier Frauen, und sieht Illing Kettenkarussell fahren – auf einem Bürostuhl mit Rollen. Alltägliches in einen lustigen Moment zu verdichten, das ist die hohe Kunst eines Clowns. Und Krissie Illing ist Clown durch und durch, auch wenn sie jetzt erstmals im Zirkus auftritt.
Krissie Illing würde sich als Comedy-Schauspielerin bezeichnet, die dreißig Jahre Theater gemacht hat zusammen mit Mark Britton. Als „Nickelodeon“ war das Duo Dauergast auf deutschen Bühnen, Programme wie „Dinner for Two“ oder „Great Lovers in Historie“ waren große Erfolge für „Wilma“ und „William“, wie sie in ihren Rollen hießen. „Aktuell würde ich mich Clownerina nennen. Als man mich für Roncalli anfragte, dachte ich: Circus – was für ein schöner und unerwarteter Abschluss meiner Karriere.“ Sie lacht. Die Manege als Bühne sei eine große Herausforderung für sie, habe sie doch ein Leben lang immer nach vorne gespielt.
„Die beiden Sketche, die ich hier mache, musste ich komplett umgestalten, weil das Publikum im Kreis um mich herum ist.“ Eine tolle Erfahrung, aber auch nicht immer einfach. Vor allem in der Nachmittagsvorstellung. „Ich bin nicht wirklich ein Entertainer für Kinder. Denen fehlt der Bezug, sie wissen nichts von der englischen Königin. Deshalb muss ich zusätzlich kleine Details einbauen.“
Krissie Illings „Wilma“ gibt zu Beginn der ersten Nummer vor, die Queen zu sein, um dann parallel zur Musik immer mehr abzudrehen in eine freakige Punklady – ein großartiger Auftritt. „Aber die Kinder können nichts damit anfangen, wenn die Sex Pistols »God save the Queen« spielen.“ Auch der zweite Auftritt, bei dem Wilma ein Blind Date vermasselt, sei nur bedingt kinderaffin. „Ich muss mehr Grimassen ziehen, um sie zum Lachen zu bringen.“ Abends sei es leichter für sie. „Die Erwachsenen kennen das, wenn es dir das Herz bricht.“
Das Leben hinter den Kulissen gefällt Illing sehr. „Fluffy Duffy“ nennt sie die kuschelige Atmosphäre im Kreis der Zirkusfamilie, in der sie sich gut aufgenommen fühlt. „Ich bin ja 30, 40 Jahre älter als die meisten, aber sie respektieren und schätzen meine Arbeit. Aber ich habe mich sehr gefreut, als Jongleur-Legende Chris Cramer zur Truppe stieß. Da war ich nicht mehr die Älteste“, erzählt sie lachend. Ihr Mann, mit dem sie in Frankreich lebe, ist übrigens auch Jongleur.
Aufgewachsen in Beckenham wie David Bowie
Auf dem Edinburgh Festival 1987 wurde Nickelodeon erstmals nach Deutschland verpflichtet. „Zu der Zeit wurden in England wegen der Politik Margaret Thatchers alle kleinen Theater geschlossen, es war für uns der perfekte Zeitpunkt.“ Seitdem lebt der David Bowie-Fan (beide wuchsen in Beckenham auf) nicht mehr in England, besucht nur ab und zu die Familie. Über Politik und den Brexit will sie nicht wirklich reden, ein zu bedrückendes Thema. „Die Geschichte wiederholt sich. Mauern werden aufgebaut. Das ist nur traurig.“
„Köln ist eine zweite Heimat für mich"
Lieber spricht sie über Köln. „Köln ist eine zweite Heimat für mich. Ich habe viele Freunde hier und bin sehr verwöhnt, weil ich bei denen auch wohnen kann. Meinen kleinen Caravan vermisse ich schon. Da wohne ich wieder drin, wenn wir in Düsseldorf gastieren, aber hier gibt es ein Badezimmer! Und ich werde bekocht.“
Was sie in der Freizeit so macht? „Nichts. Mit den Freunden abhängen. Das Zirkusleben ist anstrengend. Trainieren, Warmmachen, Auftreten, und bis du nach Hause kommst, ist es Zeit fürs Bett.“ Sie war in der Claudiustherme zum Relaxen. Und im Zoo. „Da war ich früher oft mit meinen beiden Kindern, als sie noch klein waren. Tolle Atmosphäre. Nur bei den Elefanten fühlte sich die Stimmung sehr traurig an. Dann hat mir jemand erzählt, dass einer gestorben ist vor Kurzem. Das habe ich gespürt.“ Clowns sind also sehr sensibel? „Ja, ich muss aufpassen, ich nehme die Emotionen anderer sehr intensiv auf. Ich muss mich da manchmal selbst schützen.“ Seit sie das erste Mal mit drei Jahren Ballett gemacht habe, habe sie sich immer auch mit sich und ihrem Körper intensiv auseinander gesetzt. „Ich bin sehr sensibel. Vielleicht rede ich auch Quatsch, aber es ist schon so etwas wie der sechste Sinn.“Der Circus Roncalli gastiert bis 22. Mai auf dem Neumarkt. Tickets gibt es hier.