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Roncalli-PremiereAkrobatik-Duo reißt Kölner Publikum von den Sitzen

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Roncalli Header

Weltklasse: „Hermanos Acero“, die Brüder Charly und Wuilder

Köln – „Hochverehrtes Publikum“, begrüßt der Gründungsdirektor des Circus Roncalli, Bernhard Paul, seine Kölner bei der Premiere am Donnerstagabend. „Es war eine furchtbare Zeit, aber wir haben überlebt. Es ist ein unglaublicher Moment, ein volles Zelt auf dem Neumarkt zu sehen“, freut er sich darüber, dass das pandemiebedingt mehrfach verschobene Gastspiel jetzt stattfinden konnte (hier gibt es Karten zu gewinnen). Unter tosendem Applaus äußert er sich dann zu den Plänen für ein Roncalli-Zirkusmuseum in Mülheim, über die der „Kölner Stadt-Anzeiger“ exklusiv berichtet hatte.

„Ich will jetzt endlich dieses Museum. Weil ich es den Kölnern versprochen habe. Die gute Nachricht: Es bewegt sich wieder.“ Paul hatte am Vortag OB Henriette Reker getroffen, im Mai soll es weitere Gespräche geben. Das soll es aber sein an diesem Abend mit der Politik: „Denn wir sind hier, um zu vergessen. Manege frei – das Spiel beginnt.“

Köln: Circus Roncalli feiert Premiere auf dem Neumarkt

Und während draußen vor der Tür und in der Welt ein Sturm tobt, fährt im nach Popcorn, Zuckerwatte und Träumen duftenden Zelt der Roncallizug ein, eine hologramm-animierte Illusion mit Waggons, Blumen, Vögeln und einem Kopfstand machenden Elefanten, und nimmt das Publikum mit auf seiner rund dreistündigen Reise zum Regenbogen, die diesmal unter dem Motto „All for Art for All“ den schönen Künsten huldigt. „Kommen Sie in unsere Herzen“, sagt der weise Weißclown Gensi, „werden Sie Kind, werden Sie Clown!“

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Maria Sarach begeisterte ihr Publikum

Kurzzeitig zum Kunstmuseum wird die Manege mit einer Parade lebender Bilder, aus der sich Maria Sarach in einem futuristischen Gewand à la Mondrian schält. Sie verrenkt sich, zumeist im Handstand, zu Körperformationen, dass dem Meister der geraden Linien beim Zugucken mit Sicherheit der Pinsel verrutscht wäre. „OMG!“ steht zurecht auf einer der Cartoon-Sprechblasen, mit der sie die Zuschauer animiert. Kontorsion trifft auf moderne Kunst, das ist Akrobatik vom Feinsten.

Roncalli Mädels

Das Duo „Luna“ performte unter der Zirkuskuppel in einem Reifen. 

Apropos Akrobatik: Begnadete Körper sind auch die Basis der Hermanos Acero. Die Brüder Charly und Wuilder kommen aus Kolumbien, ihr Auftritt reißt das Publikum zu stehenden Ovationen hin und ist mit dem Prädikat „Weltklasse“ nur unzureichend beschrieben. Mit einer Kombination aus Kraft und Gleichgewichtssinn kreieren sie in fließenden Bewegungen Figuren und Körperbilder, die man so noch nicht gesehen hat.

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Das Quartett „Jump’n’Roll“ wirbelte und flog durchs Zelt.

Überhaupt zeigen die Artisten überragende Leistungen. Wenn das Duo Luna unter der Zirkuskuppel in einem Reifen performt, stellt sich die Frage: Wer hält jetzt wen wo und warum? Welches Bein zu welchem Körper der beiden Frauen gehört, ist nicht immer zu erkennen. Und auch wenn das deutsche Duo Sven & Vanessa auf dem weißen Flügel turnt, dauert es einige dieser sehr eleganten Hebefiguren, bis der Groschen fällt: Sie hebt ihn – einmalig. Hoch hinaus geht es beim Quartett Jump'n'Roll, die erst auf satyrähnlichen Sprungstelzen durch die Luft wirbeln und später das Schleuderbrett rocken.

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Kleiderwechsel in Lichtgeschwindigkeit – mindestens – zelebriert das Duo Minasov bei ihrer Quick-Change-Nummer auf einem dreirädrigen Motorbike. Nicht nur hier, auch bei den Auftritten des Balletts spielt die Mode eine große Rolle – liebevoll gestaltete Kostüme von Tropenfantasien bis hin zum Schlemmerschen Bauhausballett.

Circus Roncalli: Pausenclown Jonny Rico lässt seinen Charme in Köln sprühen

Im Circus Roncalli macht es aber vor allem die Mischung, und da ist der Clowns-Anteil mindestens genauso hoch. Hier sei der Spanier Jonny Rico erwähnt, der zumal bei den Kindern sehr gut ankommt. Als vermeintlicher „Pausenclown“ klaut er sich seine Auftrittzeit zusammen, jongliert, spielt Klarinette und lässt seinen Charme sprühen, teils auch im Zusammenspiel mit dem chaotischen Anatoli Akkermann („wiuwiuwiuwiu!“).

Roncalli Clown

Spaßvogel: Jonny Rico

Eher poetisch sind die Auftritte von Paolo Carillon. Wenn der mit seinen Seifenblasen in unzähligen Variationen das Manegenrund zum italienischen Gesang seiner Tochter Nox füllt, ist das so süß wie ein gigantischer Dauerlutscher – herrlicher Kitsch. Eher royal geht es da bei Krissie Illing zu. Die kommt mit einer Art Beefeater-Entourage, lässt ihr eingerostetes Winkehändchen ölen und geht dann steil als headbangende Queen-Persiflage. Das ist Comedy vom Feinsten. In einer zweiten Nummer zerlegt Illing als skurrile Wilma ein vermeintliches Rendezvous in seine Einzelteile, Wasserspucken ohne Ende inklusive.

Roncalli Blase

Poesie: Paolo Carillon und Tochter Nox

Auch wenn früher mehr Staub war im Zirkus und vieles heute Richtung Varieté geht, hat Roncalli ein tolles Programm zusammengestellt. Die Qualität der einzelnen Darbietungen wird homogen verknüpft zu einem sehenswerten Ganzen. Dem die Live-Musik die Krone aufsetzt: Erst durch das wunderbar groovende Royal Roncalli Orchester mit Sängerin Sash wird im Circus Roncalli die Reise zum Regenbogen auch hörbar einmalig.

Circus Roncalli, Neumarkt, bis 22. Mai. Tickets zwischen 12 und 76 Euro an allen Vorverkaufsstellen. Die Zirkuskasse ist ab Spielbeginn täglich von 10–20 Uhr und sonntags von 10–18 Uhr geöffnet (an spielfreien Tagen 10–12 und 13–18 Uhr).