Die Kölnerin Anja Krips ist Gründerin des Cirque Bouffon. In ihrer Show spielt eine Frau den Clown - über Klischees und Herausforderungen.
Emotionales Leben als Zirkus-Artistin„Wenn ich die rote Nase trage, kann ich auch albern oder ekelhaft sein“
Es ist schon die Art und Weise, wie Noémie Pichereau auf der Bühne im Zirkuszelt sitzt, die ihre künstlerische Ader erahnen lässt. Ihre kurzen Beine lang nach vorne ausgestreckt, ihre Mimik ausdrucksstark, aus ihrem Mund ertönt ein Brabbeln, dazu bewegt sie ihre Hände rasch neben ihrem Gesicht. „Das ist die Sprache meines Clowns“, sagt die 27-Jährige auf Englisch.
Fast jeden Abend verwandelt sich die zierliche Französin in den Clown Guibole La Magouille und steht damit seit März auf der Bühne der Show „Paraiso“ des Cirque Bouffon, der derzeit noch Halt in Köln macht. Damit erfüllte sich für die 27-Jährige ein Kindheitstraum: Teil eines Zirkus sein. „Dass ich ein Clown werde, hat sich so ergeben, da der Clown für mich die perfekte Mischung aus Theater und Zirkus ist.“
Köln: Für Frauen als Clowns gab es lange Zeit Grenzen in der Gesellschaft
Eine Frau als Clown – während das bei vielen Menschen in Deutschland wohl noch für Erstaunen sorgt, sei das in Pichereaus Heimat Frankreich ganz normal. Den Hype um ihr Geschlecht verbunden mit ihrer Arbeit als Clown könne sie auch deshalb nicht nachvollziehen, da „ein Clown kein Geschlecht hat.“ Es gibt keinen männlichen oder weiblichen Clown, sagt sie. Nur die Person unter der Maske habe ein Geschlecht.
Trotzdem habe es für Frauen in der Rolle eines Clowns noch bis vor ein paar Jahren mehr Grenzen gegeben, weiß sie. „In der Gesellschaft gibt es die Vorstellung, dass Frauen nur das Schöne verkörpern können. Aber wenn ich die rote Nase trage, trage ich eine Maske und kann auch albern oder ekelhaft sein.“ Und das als Frau. „Das mag ich.“
Pichereau möchte mit den Klischees des klassischen Clowns aufräumen. „Wir haben ein schlechtes Bild, wenn es um Clowns geht.“ Menschen denken an große Perücken, große Nasen, große Schuhe. Der Kern eines Clowns sei aber etwas ganz anderes, sagt die 27-Jährige, „es geht nicht darum, Menschen nur zum Lachen zu bringen, es geht darum, dass Menschen Emotionen aller Art lieben.“
Es sind also nicht nur Witze, sondern auch Wut, Trauer, Angst und Freude, worüber das Publikum im Cirque Bouffon lachen, staunen, mitfühlen soll. „Meine Hauptaufgabe als Clown ist es, zurück in meine Kindheit zu gehen“, sagt Pichereau. Das Leben ohne Filter. „Kinder versuchen nicht lustig zu sein, sie sind es aber unfreiwillig.“
In ihrer Rolle als Clown ist sie Teil einer Geschichte, „wie in einem Theaterstück, mit Musik und Dramaturgie“, sagt Anja Krips. Die Kölnerin hat das Projekt Cirque Bouffon mit ihrem französischen Ehemann Frédéric Zipperlin 1999 gegründet, zunächst mit Varieté-Nummern, ab 2005 mit größeren Shows. Es sollte aber kein kommerzieller Zirkus sein, sagt die heute 55-Jährige, sondern alternativ. Also wurde es ein Cirque Nouveau, eine Zirkusart, in der Geschichten mithilfe von traditioneller Zirkuskunst und ohne Tiere, erzählt werden.
Krips weiß, dass das Leben als Zirkus-Artistin nicht nur auf der Bühne, sondern vor allem auch hinter den Kulissen emotional ist. „Es ist ein Leben mit Höhen und Tiefen“, gibt die Sängerin der Show zu. Wie für viele Kunstschaffende, war auch für die Bouffon-Gründer Corona ein tiefer Rückschlag, aber auch abseits der Pandemie, privat, bringt das Zirkus-Leben „viele Opfer mit sich.“
Cirque Bouffon: Kölnerin über die Herausforderung als Zirkus-Artistin
Ein Privatleben habe die Kölnerin nicht, in den Gesprächen mit ihrem Ehemann gehe es immer nur um den Zirkus. In den ersten Jahren musste das Ehepaar zudem immer eine Betreuung für ihre beiden Kinder organisieren, auch eine mobile Schule musste mitreisen. Ein Leben, das ihre Kinder akzeptieren mussten.
„Erst vor kurzem habe ich von meiner Tochter erfahren, dass es für sie immer sehr schwer war, weil sich alles um den Zirkus gedreht hat“, sagt Krips. „Das war mir gar nicht so bewusst, da habe ich einen richtigen Schrecken bekommen.“
Die Kölnerin und der Franzose haben einfach immer weiter gemacht, wollten sich immer verbessern – bis heute. Für sie sei es „der größtmögliche Raum von Freiheit.“ Persönlich und beruflich. Dabei sind es vor allem die Reaktionen des Publikums, die Anja Krips motivieren. In ihre Heimat Köln komme sie besonders gerne. Aber sie weiß auch, dass das „Kölner Publikum sehr anspruchsvoll ist, aber es hat auch viel Leidenschaft fürs Alternative.“
Eine Tatsache, die auch Noémie Pichereau zu schätzen weiß. „Die Menschen mögen die unverhofften Momente. Ich liebe es, die Reaktionen zu beobachten, wenn ich mich am Ende der Show abschminke. Sie sind geschockt.“ Einer ihrer Lieblingsmomente.
Der Cirque Bouffon gastiert noch bis zum 4. Juni in Köln immer Mittwoch, Donnerstag und Freitag 20 Uhr, Samstag 15 und 20 Uhr, Sonn- und Feiertage 14 und 17 Uhr. Karten über Kölnticket (zzgl. VVK-Gebühr) oder in der Kasse am Zelt (ohne Gebühr) zwei Stunden vor der Vorstellung. Preise 19 bis 49 Euro.