Köln – Die Corona-Pandemie ist vieles, eine psychologische Herausforderung für jeden Einzelnen und eine wirtschaftliche Ausnahmesituation. Aber vor allem eben eine medizinische Krise. Um mit dieser fertig zu werden, braucht es Expertinnen und Experten. Einige der bekanntesten kommen aus Köln. Wir stellen sie vor.
Clara Lehmann, Infektiologin
„Ich habe in der ganzen Zeit sehr viel dazugelernt und wundere mich manchmal auch über mich selber, was ich da eigentlich alles mache“, sagte Prof. Clara Lehmann jüngst dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Kein Wunder: Sie leitet das Infektionsschutzzentrum, die Post-Covid-Ambulanz der Kölner Uniklinik, hat zuletzt eine Studie zum Corona-Impfstoff des Unternehmens Curevac durchgeführt und ist nebenher leitende Ärztin.
Spannend sind vor allem ihre medizinischen Untersuchungen zu Langzeitfolgen einer Corona-Infektion. Eine Studie zu diesem Thema war zunächst nicht geplant, weil zu Beginn der Pandemie nichts über das zu diesem Zeitpunkt noch neuartige Virus bekannt war und sich durch ihre Beobachtungen erst nach einigen Monaten herausstellte, dass viele genesene Uniklinik-Patienten von dem Phänomen betroffen sind. Auch dank ihr wissen wir heute: Riech- und Geschmacksstörungen, Müdigkeit und Kurzatmigkeit können jeden Infizierten treffen, selbst nach einem leichten Verlauf.
Er leitet ein Krebszentrum, an dem vier Unikliniken gemeinsam an neuen Behandlungen forschen. Michael Hallek gilt nicht nur in der deutschen Universitätsmedizin, sondern in ganz Europa als wichtiger Experte für Krebstherapien. Doch in seiner Laufbahn forschte er auch virologisch. Unter dem Dach seiner Klinik I für Innere Medizin finden zahlreiche Forschungsprojekte an der Uniklinik statt, auch mit der Virologie arbeitet er zusammen. Hallek ist enger Berater von Oberbürgermeisterin Henriette Reker.
Um den Jahreswechsel erarbeitete er gemeinsam mit zwölf weiteren Wissenschaftlerinnen und Forschern das „No Covid“-Konzept, das einen Wechsel in der Corona-Politik vorsah. Das ursprüngliche Ziel: Die Zahlen möglichst schnell auf einen niedrigen Wert zu drücken, um regional schnell und langfristig öffnen zu können – und Todesfälle zu vermeiden. Eine vollständige Umsetzung in Köln stellte sich als nicht machbar heraus. Aber: Hallek und seine Kollegen werten die zunehmende regionale Differenzierung und die konsequente Implementierung von Test-Konzepten zumindest als Teilerfolge.
Karl Lauterbach, Epidemiologe
In seiner Doppelrolle als ausgewiesener Fachmann für Epidemiologie und SPD-Bundestagsabgeordneter ist Prof. Karl Lauterbach aus keiner bundespolitischen Diskussion um die Pandemie und ihre Bekämpfung wegzudenken. Seine frühen Warnungen vor der britischen Mutation stellten sich als berechtigt heraus, die auch von ihm geforderten, einschneidenden Maßnahmen wurden letztlich getroffen – für viele zu spät, immerhin aber rechtzeitig, um eine Überlastung des Gesundheitssystems zu vermeiden.
Mit seinen öffentlichen Auftritten klärt er seit mehr als einem Jahr regelmäßig, präzise und verständlich über das Coronavirus und seine Verbreitung auf, ist in medizinischen Fachkreisen vernetzt, begleitet und verfolgt viele laufenden Studien. Seine Stimme wird im Kabinett der Bundeskanzlerin gehört. Trotz Morddrohungen und täglicher Anfeindungen scheut er keine Debatte, begründet seine Positionen sorgfältig. Zuletzt half er als Impfarzt in Leverkusen aus.
Christian Karagiannidis, Facharzt
Er war von Anfang an einer der Mahner und Befürworter von entschlossenen Lockdowns. Christian Karagiannidis ist Oberarzt der Lungenklinik Merheim und wissenschaftlicher Leiter des bundesweiten Intensivbettenregisters, in dem tagesaktuell die Belegung der Intensivstationen gemeldet wird. Er bekomme immer häufiger Mails von Corona-Leugnern, die schreiben, es seien doch noch Betten frei und wo denn da das Problem sei, sagte er im März dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Mit größter Geduld erklärt er dann immer wieder die Fragilität des Systems. Und im Grunde muss er damit das Phänomen „Präventions-Paradox“ erklären: Weil wir relativ vorsichtig waren, kam es bisher nicht zur Überlastung des Systems.
Florian Klein, Virologe
Im Rahmen seines Forschungsprojekts „Covim“ arbeitet Klein mit einem Team aus 50 Forscherinnen und Forschern zusammen, sammelt bundesweit Daten. Vor allem die Frage nach der Immunität treibt ihn um: Wie wahrscheinlich sind Infektionen und schwere Verläufe nach Impfung oder Genesung?
Mit Blick auf mögliche Lockerungen für bestimmte Gruppen werden nicht zuletzt seine Daten herangezogen, die klar zeigen: Eine hundertprozentige Sicherheit vor Covid-19 gibt es nicht, aber nicht nur schwere Verläufe, sondern auch Infektionen sind deutlich unwahrscheinlicher, wenn Menschen das erste Mal Antikörper gebildet haben. Klein initiierte zudem die Untersuchung jedes positiven PCR-Tests auf mögliche Mutationen. Hier wurde Köln bundesweit zum Vorreiter.
Gerd Fätkenheuer, Infektiologe
Forscht von der Uniklinik aus seit Beginn der Pandemie am Virus, seiner therapeutischen Behandlung und seiner Verbreitung. Mit Erfolg: Als Leiter der deutschen Studie zum Medikament Remdesivir hat er Wesentliches dazu beigetragen, dass inzwischen immer wieder schwere Covid-Verläufe durch Behandlungen vermieden werden können. Als Leiter des bundesweiten Forschungsprojekts „B-Fast“, an dem mehrere Hundert Menschen arbeiten, versucht er derzeit herauszufinden, wie genau das Coronavirus übertragen wird.
Christiane Woopen, Ethikerin
Ihre Position als Beraterin von NRW-Ministerpräsident Armin Laschet hat sie nicht davon abgehalten, die Landesregierung grundlegend zu kritisieren. Ihr fehlte es immer wieder an Begründungen der Politik, an Transparenz und einer strategischen Bekämpfung der Pandemie.
Schon im November diagnostizierte sie: „Die Politik scheint im Modus des Reagierens festzustecken.“ Mit ihrem ganzheitlichen Blick auf die Krise lenkte die Vorsitzende des Europäischen Ethikrates immer die Aufmerksamkeit auf die nicht wahrgenommene Situation bestimmter Gruppen, Kinder und Jugendliche etwa – und wie man diese mit gezielten Impf-und Testkonzepten verbessern könnte.
Jürgen Zastrow, Impfarzt
Der 66-jährige HNO-Arzt mit eigener Praxis in Riehl ist aktuell leitender Impfarzt im Impfzentrum in der Deutzer Messehalle, Chef der Kassenärztlichen Vereinigung in Köln und Mitglied der städtischen Ethikkommission. Letztere entscheidet beispielsweise, welche Personengruppen Reststoffdosen erhalten sollen. Neben seiner Arbeit als Arzt war seine Meinung bereits in mehreren Talkshows gefragt – vor allem zum Thema Corona-Impfungen.