Überteuerte Wohnungen, horrende Abschlagszahlungen, kaum Wohnungen auf dem Markt – die Wohnungssuche in Köln ist der Horror. Unser Autor zieht aufs Land.
Umzug in den Speckgürtel„Der Kölner Mietmarkt ist die Hölle. Ich mache da nicht mehr mit“
Die Bundesbauministerin Klara Geywitz riet angesichts der Wohnungsnot in der Stadt unlängst dazu, aufs Land zu ziehen. Hendrik Geisler schreibt hier ein Plädoyer für den Abschied vom Kölner Mietmarkt. Für Kollegin Claudia Lehnen käme das nicht infrage. Sie erklärt, warum sie Köln nie hinter sich lassen könnte.
Bei uns direkt um die Ecke in der Kölner Südstadt ist ein neues Haus entstanden. Modern, aber nicht luxuriös. Sechs Wohnungen, die größte davon hat eine Fläche von 82 Quadratmetern, drei Zimmer, ein kleiner Balkon. Wir haben die Baustelle seit dem Abriss des alten Hauses beobachtet, den Bauherr lange vor Fertigstellung ausfindig gemacht und kontaktiert, geträumt: Das wäre es doch, da ist vielleicht endlich die richtige Wohnung für uns dabei.
Der Quadratmeterpreis: 21,50 Euro. Der Autostellplatz: 170 Euro
Zwei Jahre lang hatten wir da schon nach einer neuen Wohnung in Köln gesucht. Wir haben Premiumkonten bei Immobilienportalen gebucht, um uns um Wohnungen bewerben zu können, waren bei Dutzenden Besichtigungen, haben Vermieterinnen und Vermietern hinterhertelefoniert, Schufa-Auskünfte regelmäßig aktualisiert, Bewerbungstexte umformuliert, Zeitungsanzeigen geschaltet, Bekannte gefragt, die Augen offengehalten, ob in der Nachbarschaft vielleicht was frei wird. Alles umsonst. Eine neue Wohnung haben wir nicht gefunden.
Die Wohnung im neuen Haus um die Ecke war dann wieder einmal ein Lichtblick. Noch im Rohzustand konnten wir sie besichtigen. Zwar nicht perfekt geschnitten, ein zweites, unnötiges Bad, das auch noch viel zu groß geplant war, insgesamt kaum mehr Platz als zuvor, aber: endlich ein Balkon. Aber der Quadratmeterpreis: 21,50 Euro. Zuzüglich gut 170 Euro für den Autostellplatz. Fast 2000 Euro für einen schlechten Kompromiss. Wir haben abgesagt, obwohl wir in zwei Jahren auf dem Kölner Mietmarkt nie einen besseren Deal für uns gesehen haben.
Was wir hingegen gesehen haben: hässliche, abgegriffene Küchen, für die wir für 10.000 Euro Abschlag zahlen sollten. Massenbesichtigungen, bei denen wir uns mit hundert anderen Suchenden durch überteuerte Altbauten gequetscht haben, Wucherwohnungen, durch deren dünne Fenster der Verkehrslärm kroch und es schwer machte, den Vermieter zu verstehen. Den Vermieter, der, wenn er zu verstehen war, erklärte, da komme bald noch ein Stockwerk auf das alte Haus drauf, „ja, die neue Wohnung wird etwas hochpreisiger“.
Wir sind ja nicht schwer zu vermitteln
Der Kölner Mietmarkt ist die Hölle auf Erden. Dabei sind wir ja nicht schwer zu vermitteln, beziehen zwei ordentliche Einkommen, haben mehr oder minder angesehene Berufe und Arbeitgeber, tragen deutsche Namen, können „Guten Tag“, „Bitte“ und „Danke“ sagen. Entschuldigung, ich werde sarkastisch. Aber was ich damit sagen will: Wir sind privilegiert. Und selbst wir haben keine Chance, in Köln eine Wohnung zu finden, in der wir die nächsten fünf bis zehn Jahre mit zwei Kindern verbringen können, ohne dass es sehr eng wird oder wir uns dumm und dämlich zahlen. Wie geht es erst Menschen, die nicht einmal zu Wohnungsbesichtigungen eingeladen werden, zum Beispiel weil sie einen nicht-deutsch klingenden Nachnamen haben oder weniger verdienen?
Nein. Ich mache da nicht mehr mit. Der Supermarkt vor der Haustür ist es nicht wert. Auch nicht die Bar um die Ecke. In unserer Garage steht bald ein Kasten Kölsch. Ich nehme mir eins, wenn ich mich in unseren Garten setze. Der Garten unseres eigenen Hauses im Speckgürtel. Für das wir monatlich erheblich weniger bezahlen als für die Miete von drei Zimmern in Köln.
Für unsere Südstadt-Wohnung haben wir gerade Nachmieter gesucht. 30 Minuten stand die Anzeige online. Wir haben 180 Anfragen bekommen. Für 179 Menschen geht die Kölner Qual weiter.