Die Zahl der Straftaten in Köln, bei denen ein Messer eingesetzt wurde, ist zuletzt gesunken.
77 Straftaten mit Messer in 2023Neue Details zur Gewalttat auf den Kölner Ringen
Nicht viel hätte gefehlt, dann wäre die Messerattacke auf dem Kaiser-Wilhelm-Ring am frühen Sonntagmorgen tödlich ausgegangen. Die Verletzungen des 17 Jahre alten Opfers seien potenziell lebensbedrohlich gewesen, berichtet Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer. Vor allem eine Schnittverletzung am Kopf. Doch der Heranwachsende hat überlebt. Gegen den mutmaßlichen Täter, einen 22 Jahre alten Mann, ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung.
Der Beschuldigte, der bislang nicht einschlägig – also wegen ähnlicher Delikte – vorbestraft ist, schweigt zu den Vorwürfen. Am Montagabend wurde er im Polizeipräsidium einem Haftrichter vorgeführt. Aber auch sein Kontrahent, der schwer verletzte 17-Jährige, muss sich einem Strafverfahren stellen: Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen ihn wegen Körperverletzung, denn er soll seinen Teil zu der Eskalation beigetragen haben.
Kölner Ringe: Ermittlungen gegen den Tatverdächtigen und gegen das Opfer
Täter und Opfer sollen jeweils in Begleitung gewesen sein, als sie gegen 5.45 Uhr am Kaiser-Wilhelm-Ring aufeinandertrafen. Aus noch unklarer Ursache gerieten sie in Streit, zunächst verbal. Wie es heißt, habe der Ältere den Jüngeren beleidigt. „Er wollte ihn provozieren“, sagte Oberstaatsanwalt Bremer. Der 17-Jährige und seine Begleiter wollten schon weitergehen, um der Situation zu entkommen, da habe der 22-Jährige den Jüngeren erneut beleidigt, „um ihn in seiner Ehre zu verletzten“, wie Bremer mitteilte.
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Eine Schlägerei habe der Ältere dabei „mindestens billigend in Kauf genommen“. Er habe sich auch bereits mit einem Messer bewaffnet, das er die ganze Zeit bei sich getragen haben soll. „Es kam dann zu einer von beiden Seiten heftig geführten Schlägerei“, so Bremer, in deren Verlauf der 22-Jährige dem anderen mehrere oberflächliche Schnittverletzungen zugefügt haben soll sowie den Stich gegen den Kopf. Ein Zeuge ging schließlich dazwischen, brachte den Angreifer zu Boden, hielt ihn dort fest und verhinderte damit mutmaßlich Schlimmeres.
Erst eine Woche zuvor hatte mutmaßlich ein 17-Jähriger aus Bergisch Gladbach nachts aus einer Gruppe heraus vor einer Bar zwei Jugendliche im Streit mit einem Messer angegriffen und dabei einen 15-Jährigen schwerverletzt. „Die Zahl der Messerangriffe ist zwar statistisch gesehen rückläufig“, sagte Polizeipräsident Falk Schnabel auf Anfrage. Aber die schwerwiegenden Einzeltaten machten den Menschen Angst. „Die Strategische Fahndung gibt uns die rechtlichen Möglichkeiten, mit denen wir fortan sichtbare Zeichen setzen werden“, sagte Schnabel.
Wie der „Kölner Stadt-Anzeiger“ erfuhr, plant die Polizei in den kommenden Wochen wiederholt anlassunabhängige Großkontrollen etwa auf den Ringen. Denkbar ist, dass dann alle Personen, die sich an einem bestimmten Tag zu einer bestimmten Uhrzeit auf der Straße und den Gehwegen befinden, von Polizisten angehalten werden und ihre Taschen leeren müssen. „Ich möchte, dass die Menschen in Köln auch nachts sicher feiern können", sagt Stadtdirektorin Andrea Blome. „Wer ein Messer braucht, um sich stark zu fühlen, sollte zu Hause bleiben. Wir stehen fest an der Seite der Polizei und unterstützen sie im Rahmen unserer Möglichkeiten.“
Seit 2020 wird in der Polizeilichen Kriminalstatistik erfasst, wie oft bei einer Straftat ein Messer eingesetzt wird. In den ersten drei Monaten dieses Jahres war das in Köln zum Beispiel 77-Mal der Fall – im selben Zeitraum 2022 gab es 104 Fälle, 2021 waren es 99. Im gesamten Vorjahr setzen Straftäter in Köln 470-Mal ein Messer ein, 2021 geschah dies 360-Mal, 2020 insgesamt 462-Mal. Fünf Menschen starben voriges Jahr durch Messerangriffe, drei 2021 und fünf im Jahr 2020.
Allerdings sind diese Zahlen mit Vorsicht zu genießen. Denn was genau sich hinter jedem einzelnen Fall verbirgt, sagt diese Statistik erst einmal nicht – es kann zum Beispiel auch ein Diebstahl sein, bei dem der Täter zuvor die Plane eines geparkten LKW mit einem Messer aufgeschlitzt hat. Oder allein die Drohung mit einem Messer, dazu Abrechnungen unter Kriminellen oder Fälle von häuslicher Gewalt, die nicht in der Öffentlichkeit ausgetragen wurden. Es sind also bei weitem nicht alles überfallartige Messerangriffe auf offener Straße, schon gar nicht auf gänzlich unbeteiligte Passanten – das ist die absolute Ausnahme.
Etwas aussagekräftiger ist womöglich die Zahl der Körperverletzungen, bei denen ein Messer eingesetzt wurde. Mitunter handelt es sich dabei um Auseinandersetzungen, bei denen gleich mehrere der Beteiligten bewaffnet waren. 34 Körperverletzungen durch Messer gab es demnach bis Ende März dieses Jahr, 172 im gesamten Vorjahr, 108 im Jahr 2021, und 185 waren es noch 2020.