In der Glaswerkstatt der Dombauhütte sind vier Buntglasfenster der französischen Kathedrale restauriert worden.
„Ganz besondere Ehre“Fünf Jahre nach dem Brand – Kölner Dombauhütte hat Fenster aus Notre-Dame restauriert
Wenn am kommenden Samstag Notre-Dame de Paris in Anwesenheit von rund 50 Staats- und Regierungschefs feierlich wiedereröffnet wird, ist auch Kölns Dombaumeister Peter Füssenich dabei. Aus gutem Grund: Denn in der Glaswerkstatt der Dombauhütte sind vier Buntglasfenster der französischen Kathedrale restauriert worden. Katrin Wittstadt, seit vier Jahren wissenschaftliche Leiterin der Werkstatt, erinnert sich gut an den Abend des 15. April 2019, als weltweit die Bilder vom Brand des Bauwerks über die Bildschirme liefen. Würde es stehen bleiben oder zusammenbrechen? „Es war ein ohnmächtiges Warten und hat Nerven gekostet“, sagt sie.
Macron versprach: Kirche werde in fünf Jahren wieder aufgebaut
Im Laufe des Brands, der erst am nächsten Morgen gelöscht war, stürzte der Vierungsturm ein, der Dachstuhl aus Eichenholzbalken verbrannte, das Bleidach schmolz oder verdampfte und Teile des Kreuzrippengewölbes wurden zerstört. Doch die Hauptstruktur des Gebäudes mit den beiden 69 Meter hohen Türmen hielt stand. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron versprach, die 850 Jahre alte gotische Kirche werde binnen fünf Jahren wieder aufgebaut.
Gleich nach dem Ende der Löscharbeiten trafen aus aller Welt Angebote ein, sich am Wiederaufbau zu beteiligen. In Deutschland beauftragte die damalige Kulturstaatsministerin Monika Grütters die frühere Kölner Dombaumeisterin Barbara Schock-Werner mit der Koordination der Hilfen. Auf Seiten der Politik übernahm der ehemalige nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet in seiner Eigenschaft als deutsch-französischer Kulturbevollmächtigter die Mitverantwortung. Hierzulande kamen rund 700.000 Euro an Spenden für den Wiederaufbau zusammen.
„Man hat überlegt, ob man das Geld auch an ein sichtbares Zeichen koppeln kann“, sagt Wittstadt. Barbara Schock-Werner hatte in kurzer Zeit etwa 250 Hilfsangebote erhalten. Da es nicht infrage kam, auf der von den Franzosen wie ein Augapfel gehüteten Baustelle tätig zu werden, entstand die Idee, einen Beitrag mit der Restaurierung der Fenster zu leisten. Aus logistischen und Kapazitätsgründen sei die Wahl auf die Kölner Dombauhütte als Arbeitsstätte gefallen, so Wittstadt. Als Kooperationspartner wurden das hiesige Atelier „Möhrle/Williger“ und „Die Glasmaler“ in Borchen gewonnen.
Die vier Fenster hat der französische Glasmaler, Grafiker und Kupferstecher Jacques Le Chevalier 1965 für den südlichen Obergaden des Langhauses von Notre-Dame geschaffen. Als Obergaden wird die obere Region der Fenster im Mittelschiff einer Basilika bezeichnet. Einige Wochen nach dem Brand wurden Le Chevaliers Glaskunstwerke, die ein abstraktes Muster zeigen, für die Sicherungsarbeiten ausgebaut und in einem Depot im Großraum Paris eingelagert.
316 Einzelteile verteilt auf zwei Lastwagen
Im Frühjahr 2022 kamen die acht mal drei Meter großen Fenster nach Köln, zerlegt in 316 Einzelteile, verpackt in 44 Holzkisten und verteilt auf zwei Lastwagen. Wittstadt und ihr Team hatten für die Sonderaufgabe Verstärkung bekommen: die Glasrestauratorin Élodie Schneider. Die junge Elsässerin hatte gerade ein Praktikum in der Dombauhütte begonnen, als Notre-Dame in Flammen aufging. Ausgestattet mit einem Werkvertrag, kehrte sie für das besondere Restaurierungsprojekt nach Köln zurück. Trotz dieser Verstärkung habe das Team einige Arbeiten für den Dom zeitweilig „ruhen lassen“ müssen, sagt Wittstadt.
Im ersten Arbeitsschritt wurden die Fensterteile in einer Dekontaminationskammer mit Pinsel und Absauggerät behutsam vom giftigen Bleistaub befreit. Dann wurden die Glasmalereifelder dokumentiert, das heißt alle Besonderheiten und Schäden digital erfasst. Im Anschluss konnte die eigentliche Restaurierung beginnen.
Dazu gehörte, die Scheiben gründlich zu reinigen, Sprünge zu verkleben, fehlende Stellen mit Ersatzglasstücken zu füllen, Brüche im Bleinetz zu löten, die Randbleie zu erneuern und die Glasmalereifelder zu verkitten. Zu Beginn der Arbeiten kamen die Bauleitung und Verantwortliche der Denkmalpflege aus Paris zum Werkstattbesuch nach Köln. Wittstadt und ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen waren in wechselnden Konstellationen mehrmals zu Baustellenbesprechungen in der französischen Hauptstadt.
Im April 2023 wurden die Fenster, abermals in gepolsterte Holzkisten gepackt, von einer Kunstspedition abgeholt. Bevor sie an ihren angestammten Platz zurückkehren konnten, mussten französische Spezialisten die Metallrahmen in den steinernen Fensterlaibungen sanieren, die teilweise nicht ausgebaut werden konnten. Fachleute der Dombauhütte um den technischen Leiter Felix Busse bauten die Fenster wieder ein.
Im Juli 2023 wurden die Arbeiten im Beisein von Dombaumeister Peter Füssenich und den beteiligten Mitarbeitern vom Leitenden Architekten von Notre-Dame, Philippe Villeneuve, begutachtet und offiziell abgenommen. „Unser Eindruck war, dass die französische Bauleitung mit dem Ergebnis sehr zufrieden war“, sagte Füssenich zu Abschluss der Arbeiten. „Es war für uns eine ganz besondere Ehre, dabei mitzuhelfen zu dürfen, dass die Kathedrale von Paris bald wieder erstrahlen kann. Wir danken den französischen Kollegen, dass sie uns diesen Schatz anvertraut haben.“
Alles in allem habe die Restaurierung, für die das Land NRW die Summe der Spenden aus Deutschland aufgestockt habe, rund 870.000 Euro gekostet, sagt Katrin Wittstadt. Zum letzten Mal war das Team in diesem Herbst in Notre-Dame, als Vorrichtungen aus Acrylglas, die die wieder eingebauten Fenster vor den laufenden Arbeiten in der Nähe schützten sollten, abmontiert wurden. Zu diesem Zeitpunkt behinderte noch ein Gerüst vor dem Fensterzyklus die Sicht. Zu gerne würde Wittstadt die Fenster, die sie technisch und künstlerisch für außerordentlich gelungen hält, einmal unverstellt in ihrer ganzen Größe sehen.
Im nächsten Frühling oder Frühsommer wird das Team nach Paris fahren.