Robert Gibbs war unter Barack Obama Pressesprecher des Weißen Hauses. In Köln beleuchtet er die amerikanische Perspektive in diesem Superwahljahr.
Wahlen in USA und EuropaEhemaliger Pressesprecher des Weißen Hauses gibt Einschätzungen
Wie werden die Präsidentschaftswahlen in den USA ausgehen? Selbst für einen Profi wie Robert Gibbs ist diese Frage schwer zu beantworten. Auf jeden Fall werde das Ergebnis im November knapp ausfallen – sowohl für den nochmaligen Kandidaten und Ex-Präsidenten Donald Trump als auch für Amtsinhaber Joe Biden. „Möglicherweise noch knapper als vor vier Jahren und 2016.“
Robert Gibbs war zwischen 2009 und 2011 unter Barack Obama Pressesprecher des Weißen Hauses, bevor er als Kommunikationschef bei einer Fastfoodkette anheuerte und nun Partner der Kommunikationsagentur „Bully Pulpit International“ ist. Deren Kölner Ableger Boldt lud Robert Gibbs jetzt in ein Restaurant im Rheinauhafen ein, um ihn die amerikanische Perspektive in diesem globalen Superwahljahr beleuchten zu lassen. Denn am kommenden Sonntag schreiten bekanntlich auch die Europäer zur Wahlurne.
Interessanterweise seien die Europäer stärker an den US-Wahlen interessiert als die Amerikaner selbst, läutete der Experte seinen Vortrag ein. Das Besondere im laufenden Wahlkampf sei, dass viele Amerikaner beide Kandidaten nicht leiden könnten. Sie würden „double haters“ genannt, also Doppel-Hasser. Die Frage sei also, wen sie am Ende etwas weniger nicht leiden könnten, scherzte Gibbs. Die Debatte über die jeweiligen Vize-Präsidenten könnten hier sicher eine Rolle spielen, unter Umständen auch Donald Trumps jüngste Verurteilung vor einem New Yorker Gericht. Wären am vergangenen Mittwoch die Wahlen gewesen, hätte Trump wohl noch gewonnen. Nun sei es fast unmöglich, den Ausgang vorherzusagen. Auf jeden Fall sei Trump kein üblicher Republikaner, sondern ein Populist, der die konservative Partei in gewisser Weise übernommen habe. Aufgrund des fortgeschrittenen Alters beider Kandidaten sei es zudem nicht auszuschließen, dass sowohl Trump als auch Biden eine zweite Amtszeit nicht durchhalten.
Europawissenschaftler sieht Unheil im schwelenden China-Taiwan Konflikt
Für die Europäische Union wäre eine Rückkehr Trumps ins Weiße Haus ohne Frage ein Schock, so Boldt-Geschäftsführer Michael Kambeck in seiner Analyse der europäischen Perspektive: „Wir werden einen Verbündeten in der Verteidigung der Demokratie verlieren.“ Die Unterstützung für die Ukraine werde die EU in diesem Fall selbst organisieren müssen, die Zusammenarbeit mit den USA in Bezug auf China werde zurückgefahren. Mit Biden ändere sich weniger, allerdings bestehe dann auch weniger Handlungsdruck für die EU, etwa in Fragen der Verteidigung.
Unheil im schwelenden China-Taiwan-Konflikt sieht der promovierte Europawissenschaftler für die Zeit nach der Europawahl heraufziehen. Dann nämlich, wenn sich das Personalkarussell in Brüssel noch drehe und in den Sommerferien der Politikbetrieb ruhe. „Das ist eine perfekte Zeit für China, sich Taiwan zu nehmen“, so Kambeck.