Ließ er Täter einfach laufen?Kölner Staatsanwalt droht jetzt selbst Gefängnis
Köln – Die Vorwürfe träfen ihn ins Mark und sie seien falsch, erklärte ein Oberstaatsanwalt im Ruhestand am Donnerstag über seinen Anwalt, den renommierten Strafverteidiger Jürgen Sauren. Der ehemalige Dezernatsleiter aus der Wirtschaftsabteilung der Kölner Staatsanwaltschaft soll bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2016 bei mehreren Strafverfahren untätig geblieben sein, ihm wird Rechtsbeugung vorgeworfen. Ein Verbrechenstatbestand, der mit mindestens einem Jahr Gefängnis bestraft wird. Der 70-jährige Angeklagte wehrte sich beim Prozessauftakt im Landgericht, er kritisierte die Ermittlungsbehörde.
Kölner Oberstaatsanwalt streitet Vorwürfe ab
„Pflichterfüllung und Kollegialität standen für ihn an erster Stelle“, sagte Sauren über seinen Mandanten, der nach mehr als 36 Jahren im Dienst gezwungen werde, ein Strafverfahren aus der Beschuldigtenperspektive erleben zu müssen. Das hätte dem Pensionär vor Augen geführt, „wie voreingenommen sich Strafverfolgung gerieren kann.“ Der ehemalige Oberstaatsanwalt sei so erschüttert von den Vorwürfen gegen ihn gewesen, dass er nicht mal seiner Ehefrau davon berichtet habe. Auch sei er gesundheitlich schwer angeschlagen, hatte sein Anwalt mitgeteilt.
Vorsorglich hatte Richter Ralph Ernst einen Gerichtsmediziner in Saal 5 des Justizgebäudes bestellt, damit dieser die Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten begutachten konnte. Ob man diesen wirklich benötige, fragte Ernst. Seine gesundheitliche Lage habe sich nicht geändert, sagte der Angeklagte, „ich fühle mich aber in der Lage, das hier heute durchzustehen.“ Der Mediziner konnte daraufhin gehen. Ein Vertreter der Staatsanwaltschaft Aachen – die auswärtige Behörde hatte die Ermittlungen aus Gründen der Neutralität geführt – verlas daraufhin die Anklageschrift.
Laut Anklage einen geständigen Täter nicht verfolgt
Als Oberstaatsanwalt soll der Angeklagte einen Täter nicht weiter verfolgt haben, obwohl dieser bereits ein Teilgeständnis abgelegt habe. Der Beschuldigte soll ausländische Putzkräfte illegal in seinen Reinigungsfirmen beschäftigt und Arbeitsentgelt veruntreut haben. Während zwei Verfahren gegen Mitbeschuldigte immerhin noch mit einer Einstellung gegen Geldauflagen beendet worden seien, sei im Fall des dritten Beschuldigten nichts weiter passiert. Der Angeklagte widersprach, das Verfahren sei noch nicht abgeschlossen und die Vorwürfe auch nicht verjährt gewesen.
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Trotz zwischenzeitlich 17 Anfragen von Verfahrensbeteiligten habe der Oberstaatsanwalt auch ein Verfahren um Betrug und üble Nachrede nicht weiter betrieben, hier seien Vorwürfe letztlich verjährt. „Ungeheuerlich“ nannte es Verteidiger Sauren, dass seinem Mandanten unterstellt werde, er habe in der Akte etwas vertuschen wollen. Womöglich habe ein Fehler in der Geschäftsstelle dazu geführt. Auch im Fall eines möglichen Betruges um eine verkaufte Firma sei eine vorläufige Einstellung des Verfahrens aufgrund auch zivilrechtlicher Fragen rechtmäßig gewesen.
Kölner Verteidiger spricht von hoher Arbeitsbelastung
Es sei unverständlich, so Verteidiger Sauren, dass Richter Helge Eiselt, der Vorgänger des jetzigen Vorsitzenden, das Verfahren trotz geäußerter „Bauchschmerzen“ eröffnet habe. Eiselt hatte nach Anklageerhebung darauf hingewiesen, dass er den Vorsatz beim ehemaligen Oberstaatsanwalt eher nicht sehe und die Vorgänge wohl eher aus Arbeitsüberlastung und krankheitsbedingter Überforderung heraus entstanden seien. Verteidiger Sauren sprach von einem fast doppelt so hohem Arbeitspensum als vorgesehen, dazu soll ein ehemaliger Kollege des Angeklagten als Zeuge aussagen.
Der Angeklagte hoffe nun auf „die Unvoreingenommenheit des Gerichts in vorhandener Besetzung“, so der Verteidiger. Es gehe um die Wiederherstellung seines Rufes. Bei einer Verurteilung drohen dem Senior neben einer Haftstrafe auch die Aberkennung von Pensionsansprüchen. Der Prozess wird fortgesetzt. Zuletzt hatte das Landgericht Hagen eine Richterin wegen Rechtsbeugung zu fast vier Jahren Gefängnis verurteilt. Die 37 Jahre alte Juristin habe Akten einfach nicht bearbeitet und laut Urteil noch versucht, ihre Versäumnisse anderen Gerichtsmitarbeitern in die Schuhe zu schieben.