Prozess um KindesmissbrauchHatte Zeugin eine Ahnung? „Hätte sagen müssen: Ja.“
Köln – Ein Wort tauchte in der Aussage, die Ines T. am Mittwoch als Zeugin im Landgericht machte, immer wieder auf: „Wahrnehmungen“. So nannte sie die Beobachtungen, die sie in der Zeit gemacht haben will, als sie mit dem Angeklagten zusammenarbeitete, und die ihn in ein schlechtes Licht rückten. Dem 54 Jahre alten Kinderfotografen wird zur Last gelegt, sechs seiner Models – Jungen im Alter zwischen sieben und 13 Jahren - teils schwer sexuell missbraucht und zudem kinderpornografisches Material besessen zu haben.
Nach ihren Angaben begann Ines T. (56, Name geändert) 1996, mit dem Angeklagten zusammenzuarbeiten. Sie wurde Chefredakteurin seines Magazins für Kindermode, für das er die Fotos lieferte; zudem war sie als Stylistin tätig. Ihr habe gefallen, dass er mit den Kindern „nicht so onkelhaft“ umgegangen“ sei, sondern „auf Augenhöhe“. Allmählich sei ihr seine Bevorzugung von Jungen aufgefallen. Er habe sie gerne auf seinem Schoß sitzen lassen und sie, wenn das Team zu Fotoshootings fuhr, in seinem Porsche mitgenommen.
Zeugin mutmaßte Pädophilie des Angeklagten
Befremdet habe sie eines Tages von ihm gehört, in seiner Gegenwart habe ein Junge so viel Alkohol getrunken, dass diesem der Magen habe ausgepumpt werden müssen. „Ich fand das eine komische Idee von Aufsichtspflicht gegenüber Kindern“, sagte Ines T. Bei einem Shooting auf Sardinien habe der Angeklagte Fotos von einem Jungen in Unterhose gemacht, die sie an „Softporno-Bilder“ von David Hamilton erinnert hätten. Daher habe sie geflachst: „Für das Bild würdest du eigentlich in den Knast kommen“. Er habe erklärt, das Foto sei „aus der Situation heraus entstanden“.
Auf eine anonyme Anzeige im Jahr 2003 hin kam die Polizei ins Haus und nahm Computer mit. Zwar hatte dies keine strafrechtlichen Folgen, doch Ines T. sagte: „Hätte mich die Kripo gefragt, ob ich etwas geahnt hätte, hätte ich sagen müssen: Ja.“ Auch weil der Fotograf sich Frauen gegenüber bisweilen „wie ein Zehnjähriger benommen“ habe, habe sie gemutmaßt, er könne pädophil sein.
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Bei einem gemeinsamen Essen Ende 2003 habe sie erwähnt, die Charité habe das Projekt „Kein Täter werden“ zur Prävention von Sexualstraftaten an Kindern aufgelegt, und ihn gefragt, ob das etwas für ihn wäre. „Nein“, habe er entschieden entgegnet. Danach sei das Arbeitsverhältnis zerrüttet gewesen. Im Januar 2004 habe er ihr gekündigt. Damit sei er ihr zuvorgekommen; sie habe nur noch das aktuelle Magazin fertigstellen wollen und wäre dann ohnehin gegangen.
Verteidiger in teils aggressivem Ton
Es ist eine von vielen Aussagen, die ihr Ulrich Sommer, einer der Verteidiger, nicht glaubt. Er nahm er sie regelrecht auseinander, zum Teil in aggressivem Ton. Eingeschüchtert räumte Ines T. ein, zu etwa „20 Prozent“ seien auch weibliche Kinder im Porsche mitgefahren, und auf Sardinien seien mehr Mädchen dabei gewesen, als sie anfangs angegeben hatte. Zu ihrer Behauptung, der Angeklagte habe sich bei Frauen wie ein Zehnjähriger verhalten, fiel ihr nun kein Beispiel mehr ein, doch sie bekräftigte: „Es ist meine Wahrnehmung“.
Besonders starke Zweifel an ihrer Glaubwürdigkeit weckte Sommer mit dem Hinweis, jenes Projekt der Charité gebe es erst seit 2005. Nachdem die Zeugin gegangen war, nannte er sie eine „große Strippenzieherin“, die sich wegen ihres „Selbstbildes“ einer „verkannten Künstlerin“ nicht eingestehen könne, dass ihr mangels Fähigkeiten gekündigt worden sei. Sie tische Lügen auf, um „sehr späte Rache an unserem Mandanten zu nehmen“.