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HaushaltsentwurfKölner Frauenhilfe droht durch massive Einschnitte der Zusammenbruch

Lesezeit 4 Minuten
Eine Frau schützt mit der Hand ihr Gesicht.

2023 wurde fast täglich eine Frau in Deutschland Opfer eines Femizids.

Betroffene Vereine schreiben in einem Brief an Oberbürgermeisterin Reker und Sozialdezernent Rau von einem „Schlag ins Gesicht“.

Seit vielen Jahren, von etwa 30 ist die Rede, konnten sich vier Kölner Frauenhilfe-Vereine darauf verlassen, von der Stadt Köln zumindest einen finanziellen Grundstock für ihre Arbeit zu erhalten. „Zuschuss für Frauenprojekte“ nennt sich der bislang stetig wiederkehrende Posten im Haushalt. 142800 Euro standen da für 2023 und 145627 für 2024. Jüngst hat die Kölner Stadtverwaltung den Entwurf des Haushalts 2025/2026 vorgelegt. Und der war ein Schock für die Vereine Agisra, FrauenLeben, Frauen gegen Erwerbslosigkeit und Hagazussa. In der für ihre Zuschüsse vorgesehenen Spalte stehen für die kommenden beiden Jahre nur Nullen.

„In einer Zeit, in der bundesweit die Zahlen von Gewalt gegen Frauen und Mädchen auf ein erschreckendes Hoch ansteigen und fast täglich eine Frau Opfer von Femizid wird, fühlen sich die geplanten Streichungen in den Frauenhilfestrukturen wie ein Schlag ins Gesicht an“, schreiben die vier Vereine in einem offenen Brief an Oberbürgermeisterin Henriette Reker und Sozialdezernent Harald Rau. Sie betonen: „Eine so kurzfristige Entscheidung ohne Übergangsfinanzierung zerstört Strukturen, die über Jahrzehnte aufgebaut wurden, und lässt Frauen, die auf Unterstützung angewiesen sind, im Stich.“

Einer Erklärung, warum sie es für nötig erachtet, die Förderung der Frauenhilfe-Strukturen in Köln derart zu beschneiden, blieb die Stadtverwaltung auf Anfrage schuldig. Man bitte um Verständnis, dass man „während der jetzt laufenden politischen Beratungen im Rat der Stadt Köln nicht mehr zu einzelnen Positionen Stellung beziehen“ werde. Mitte Februar soll der Stadtrat final über den Haushalt entscheiden.

2023 gab es nahezu an jedem Tag einen Femizid in Deutschland

Das Bundeskriminalamt (BKA) hatte erst Mitte November ein aktuelles Lagebild zu geschlechtsspezifisch gegen Frauen gerichteten Straftaten veröffentlicht. 2023 wurden demnach 938 Mädchen und Frauen Opfer von versuchten oder vollendeten Tötungsdelikten, 360 starben. 52330 Frauen und Mädchen wurden Opfer von Sexualstraftaten, 6,2 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Bei der Vorstellung seiner Erkenntnisse wies das BKA auch darauf hin: „Die überwiegende Zahl der Opfer und Tatverdächtigen ist deutscher Staatsangehörigkeit.“

Der Verein Agisra unterstützt seit über 30 Jahren Migrantinnen und geflüchtete Frauen, die von unterschiedlichen Gewalt- und Diskriminierungsformen betroffen sind. Durchschnittlich berät Agisra im Jahr alleine zu häuslicher Gewalt in 200 Fällen. Seit 2021 hat sich der Beratungsbedarf laut Mitarbeiterin Angélica Reyes nahezu verdoppelt: Während damals noch insgesamt 674 Frauen zu Agisra in die Beratung kamen, waren es 2023 schon 1300.

Aus dem auf Null gesetzten städtischen Fördertopf bekam der Verein Reyes zufolge jährlich 50000 Euro. Damit seien bisher ein Teil der Miete und Sachkosten bezahlt worden. Ebenfalls gestrichen wurde im neuen Haushaltsentwurf die Förderung von zwei Mitarbeiterinnen (50000 Euro), die zu häuslicher Gewalt und zum anonymen Krankenschein beraten. „Mit diesen Kürzungen haben wir nicht gerechnet“, sagte Reyes. Ohne Zuschuss würden die Vereinsstrukturen kollabieren.

Die Beratungsstelle FrauenLeben (60000 Euro von der Stadt fallen weg) hilft Frauen in psychosozialen Notlagen, der Verein Frauen gegen Erwerbslosigkeit (68000 Euro fallen weg) kümmert sich seit 40 Jahren um erwerbslose und von sozialer Ausgrenzung betroffene Frauen, und das Frauengesundheitszentrum Hagazussa (60000 Euro fallen weg) bietet seit mehr als 40 Jahren einen geschützten Raum, in dem Frauen und Mädchen Gesundheitsbildung, Prävention und Beratung in allen Lebensphasen erhalten. Insgesamt verlieren die vier Frauenhilfevereine also sogar fast 290000 Euro an Zuschüssen durch die Stadt. Denn zusätzlich zu den „Zuschüssen für Frauenprojekte, die jetzt ausbleiben, fallen laut Haushaltsentwurf künftig auch andere Finanzierungstöpfe weg, aus denen die Hilfsangebote früher schöpfen konnten.

„Das entzieht uns die Basis, um den Laden am Laufen zu halten“, sagte Margret Schnetgöke von FrauenLeben: „Mit uns ist darüber nicht gesprochen worden, das hat uns völlig unvermittelt getroffen.“ Auch der Verein Paula, der von Gewalt betroffene Frauen ab 60 Jahren unterstützt, das Projekt Edelgard mit seinem Hilfsangebot gegen sexualisierte Gewalt und die Gewaltschutzzentren der Diakonie und des Sozialdiensts katholischer Frauen sind nach den Plänen von Kürzungen betroffen.

Es träfe in Köln also das gesamte System der Frauenhilfe. „Dabei sind wir ohnehin schon alle überlastet“, sagte Schnetgöke. Die Vereine mit ihren unterschiedlichen Schwerpunkten würden sich ergänzen, verzichtbar sei keines der Angebote, da die Nachfrage immer weiter steige. Ute Theisen, die Vorstandsvorsitzende des Sozialdiensts katholischer Frauen, sagte: „Wir werden überrannt, Langeweile hat bei uns niemand.“