Das Deichmannhaus gibt es schon lange. In dem Doppelhaus der Luxusklasse wohnten Tür an Tür wichtige Personen der Geschichte.
Köln früher und heuteAls in der Trankgasse an der Stelle des Deichmannhaus noch ein Palast stand
Es ist kaum zu übersehen. Fast jeder Bahnreisende, der am Kölner Hauptbahnhof ankommt, läuft auf den mächtigen Bau mit den antik wirkenden Halbsäulen zu. Doch nehmen sie ihn auch wahr neben dem alles überragenden Dom? Das Deichmannhaus spielt seit 110 Jahren eher die zweite Geige, wenngleich eine kraftvolle.
Aufgrund seiner Proportionen: Deichmannhaus wurde auch „Palais Deichmann“ genannt
Zur Vorgeschichte des Deichmannhauses gehörte eines der schönsten Neorenaissance-Architekturen Kölns: Das „Palais Deichmann“ an der Trankgasse wurde 1868 nach Entwürfen des Architekten Hermann Otto Pflaume errichtet, auf den auch der Centralbahnhof als Vorgänger des Hauptbahnhofs zurückging. Es war ein Doppelhaus der Luxusklasse.
Hier wohnten Tür an Tür die Brüder Carl Theodor und Otto Deichmann, die das Bankhaus „Deichmann & Co.“ leiteten. Hier kam nicht nur die Widerstandskämpferin gegen den Nationalsozialismus, Freya von Moltke, als Tochter von Carl Theodor zur Welt, sondern 1875 auch Ella Deichmann, spätere Guilleaume.
„Es war ein schöner Renaissance-Bau in edlen Proportionen, der an die Paläste von Genua erinnerte und oft ‚Palais Deichmann‘ genannt wurde“, schrieb die Tochter von Otto Deichmann in den 1960-er Jahren in ihren Memoiren. Gleichzeitig habe sich unter den Kölnern die Bezeichnung „Flintenburg“ etabliert: „Denn es war bekannt, daß Deichmanns durch große Flintenlieferungen nach Nordamerika während des amerikanischen Bürgerkriegs 1862 bis 1865 guten Verdienst gehabt hatten.“
Die Deichmanns gehörten zum Kölner Geldadel, verkehrten am liebsten standesgemäß und pflegten einen aufwändigen Lebensstil. Ella bekam Reitstunden, saß bei den Theateraufführungen an der Glockengasse immer in der besten Loge und erhielt Privatunterricht: „Damals war es in unseren Kreisen nicht Sitte, die Kinder in die Schule zu schicken. Dort hätten sie nämlich nur schlechte Manieren und ‚Platt‘ gelernt.“
Bankhaus Deichmann musste 1931 Konkurs anmelden
Stephan von Guilleaume spricht von einem Idealbild, das seine Ur-Großmutter in ihren Erinnerungen gezeichnet habe. Die wirtschaftlichen und persönlichen Krisen, die ihr und ihrer Familie widerfahren seien, habe sie nur am Rande erwähnt. Arnold Guilleaume, den Ella 1896 heiratete, leitete die Seilerei „Felten & Guilleaume“ am Kartäuserwall. Seine Brüder führten das Mülheimer Carlswerk von F & G, ein expandierender Industriegigant für die Produktion von Kabeln. Doch die Blüte war von begrenzter Dauer: Die Seilerei wurde in den 1930-er Jahren nach Bayern verlegt, das Carlswerk ging in andere Hände über. Das Bankhaus Deichmann, das ab 1914 hinter den dorischen Halbsäulen residierte, musste im Zuge der Weltwirtschaftskrise 1931 Konkurs anmelden.
Krieg und Krisen zerrten Familienwohlstand auf
Durch die Heirat von Ella und Arnold sei viel Geld zusammengekommen, sagt Stephan von Guilleaume, der sich um die Familiengeschichte kümmert. Kriege und Krisen hätten aber auch viel Wohlstand aufgezehrt. Kunstwerke und Privatvillen gingen verloren. Man sei gefallen, allerdings nur von „von steinreich auf reich“.
Ende des 19. Jahrhunderts schien die Welt noch in Ordnung zu sein im Hause Deichmann mit seiner hervorragenden Verkehrsanbindung. Die Eisenbahn sei eine „große Errungenschaft“ gewesen, schreibt Ella Guilleaume rückblickend, „und da die Kölner Familien Deichmann, vom Rath und andere mehr oder weniger an diesem neuen Unternehmen beteiligt waren, hat die Bahn in Godesberg, Mehlem, Rolandseck gehalten, wo die Sommervillen der Kölner Familien waren“. Man sei selbstverständlich nur erster Klasse gereist: „Papa fuhr im Sommer jeden Tag per Bahn nach Köln zum Büro und kam abends gegen 7 Uhr zu uns aufs Land zurück.“
Otto Deichmann starb 1911, seine Frau zog daraufhin aus dem Palais aus. „Mama, in ihrer tiefen Trauer, fand sich entsetzlich allein in ihrem großen Hause“, schreibt Tochter Ella, die zu diesem Zeitpunkt längst mit ihrer Familie in der eigenen Villa am Sachsenring lebte. Das Haus an der Trankgasse wurde zum Abriss freigegeben. „Es war ein Jammer, das wundervolle Haus abzureißen“, erinnert sich Ella: „Es war mir unmöglich, während des Niederlegens dort vorüberzugehen.“
Gebäude der Trankasse feiern Wiederauferstehung
Nicht nur das heutige Deichmannhaus entsteht in der Folge, auch die übrigen Gebäude an der Trankgasse feiern mit großstädtischem Erscheinungsbild Wiederauferstehung, darunter das Hotel Ernst. „Man konkurriert in Köln mit Düsseldorf, mit Berlin, mit München“, sagt der ehemalige Kölner Stadtkonservator Ulrich Krings. Stadtbaurat Carl Rehorst, der „Modernisierer Kölns“, habe die Eigentümer der nördlichen Domseite zu einem kompletten Neubau inspiriert.
Dem neuen Deichmannhaus verschreibt Architekt Heinrich Müller-Erkelenz Elemente der antiken klassizistischen Formensprache und ein großes Schieferdach. Ein großer Auftritt und trotzdem „stand es buchstäblich im Schatten des Doms“, sagt Ulrich Krings. Dennoch handele es sich um „allererste Architektur-Sahne“. Das voluminöse Schieferdach existiert seit dem Zweiten Weltkrieg allerdings nicht mehr. Hier sind nun Staffelgeschosse zu finden.
Weitere Beiträge aus der Reihe hat Autor Tobias Christ im Buch „111 Mal Köln früher und heute“ (Emons-Verlag, 30 Euro, ISBN 978-3-7408-1823-4) zusammengetragen. Die historische Entwicklung bekannter und weniger bekannter Kölner Gebäude, Plätze und Straßen wird darin mit eindrucksvollen Fotovergleichen und informativen Texten dokumentiert.