Köln früher und heuteDie Eigelsteintorburg war Trutzbau und Nadelöhr zugleich
- In unserer PLUS-Serie „Köln früher und heute” zeigen wir jede Woche einen Ort in Köln und erzählen von dessen Geschichte und Gegenwart.
- In dieser Folge geht es um die Eigelsteintorburg, die im Mittelalter als Teil der Stadtbefestigung errichtet wurde.
- Angegriffen wurde das Bauwerk nie. Napoleon zog einst unter großem Jubel durch das Tor in die Stadt ein.
Köln – Seine Fotos nutzte Wilhelm Scheiner eigentlich nur als Vorlage für seine Aquarelle von Kölner Gebäuden. Doch die Aufnahmen sind längst als eigenständige Kunstwerke entdeckt worden, nahm Scheiner doch nicht nur Architektur auf, sondern ganz nebenbei auch das echte Leben der Menschen in den engen Gassen Kölns.
Gleich mehrmals fotografierte der eigenbrötlerische Kunstmaler aus Deutz die Eigelsteintorburg, zum Beispiel 1880, als der Abriss der mittelalterlichen Stadtmauer, zu der sie gehörte, kurz bevorstand. Der Trutzbau, im 13. Jahrhundert im Zuge der dritten Stadterweiterung errichtet, war zu diesem Zeitpunkt längst ein umschwärmtes Nadelöhr. 9000 Menschen und 750 Fuhrwerke mussten 1865 die Torburg passieren. Täglich.
Innerhalb der Stadtmauern platzte Köln damals aus allen Nähten, nach den Plänen von Josef Stübben wurden daher Ende des 19. Jahrhunderts die Ringe und die Neustadt konzipiert. Die Stadtmauer stand den Kölner Expansionsplänen im Weg. Sie wurde abgerissen, von den einst zwölf Torburgen blieben als Denkmäler nur das Severinstor, das Hahnentor und die Eigelsteintorburg stehen. Für Michael Euler-Schmidt vom Kölnischen Stadtmuseum ist das Eigelsteintor ohne Frage das schönste Relikt.
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8. September 2019, „Tag des offenen Denkmals“. Etwa 100 Teilnehmer haben sich am Fuße der dicken Mauern zu einer Führung eingefunden. Rainer Linke von der „Offenen Jazz Haus Schule“ erklärt die Geheimnisse des Bauwerks, das inmitten des prallen Lebens des Eigelsteinviertels steht und nicht mehr wie früher den Übergang von der Stadt zu den Feldern der „Kappesbuure“ markiert.
Köln hat sich weiterentwickelt, die Torburg ist geblieben. 800 Jahre voller Umbauten und Umnutzungen liegen hinter ihr. Sie war Gefängnis, Zollstelle und Sitz des Kölnischen Stadtmuseums. Heute ist die Musikschule hier zu Hause. Die Stadt hat ihr das Gemäuer im Erbbaurecht vermacht.
Wachen hatten wenig zu tun
„Die Wehrtechnik hat sich ständig verändert und die Torburg wurde dem ständig angepasst“, sagt Linke. Gebaut wurde die Eigelsteintorburg einst, um eine schon zur Römerzeit bestehende Hauptverkehrsader nach Neuss und Xanten zu schützen. Angegriffen wurde sie jedoch nie. Die Kölner Stadtsoldaten, die am Tor Wache standen, hätten wenig zu tun gehabt, sagt Michael Euler-Schmidt. Er bezweifele allerdings, dass sie Feinde überhaupt entdeckt hätten: „Viel kontrolliert haben sie nicht, dafür ordentlich gesoffen.“
1804 zog Kaiser Napoleon I. unter Glockengeläut und Kanonendonner durch die Torburg nach Köln ein. Die Franzosen nannten sie „Porte de L“Aigle“ – Adlerpforte. Die Kölner bereiteten Napoleon einen großen Empfang und zogen selbst den kaiserlichen Wagen über den geschmückten Eigelstein und die Marzellenstraße zum Blankenheimer Hof am Neumarkt.
Verschont und restauriert
Wenige Jahre später hatten die Preußen das Sagen und bauten die Torburg kanonentauglich aus. Dann kam die große Stadterweiterung. Stadtbaumeister Stübben verschonte die Eigelsteintorburg und ließ sie von 1889 bis 1892 restaurieren – als „hervorragendes Beispiel für mittelalterliche Profanarchitektur“, so Rainer Linke.
Stübben habe sich romantisierender Stilelemente bedient und zum Beispiel das Fallgitter im Mittelbau wieder eingesetzt. Die rechteckigen Fenster wurden durch mittelalterliche Schießscharten ersetzt. Und die Etagen über dem Tor erhielten Doppelbogenfenster, wie sie bereits auf Stadtansichten aus dem 16. Jahrhundert zu sehen waren.
Vor dem westlichen Halbturm ließ Stübben auf der Stadtseite ein neues Treppenhaus errichten. Daneben steht in einer Nische „Der Kölsche Boor“, der am linken Arm die Stadtschlüssel und einen Dreschflegel trägt. Mit der rechten Hand hält er einen Schild, der mit dem Kölner Doppeladler bedeckt ist, der wiederum auf der Brust das alte Kölner Wappen trägt.
„Kölscher Boor“ in der Nische
1891 wurde der wehrhafte Bauer an der Eigelsteintorburg zu Ehren des Besuchs Kaiser Wilhelm II. platziert. Er sei ein Symbol der Verbundenheit Kölns mit dem Deutschen Reich gewesen, so Linke. Und er sei eine Erinnerung an die Schlacht von Worringen, als die Kölner Bürgerschaft mit Unterstützung der Bergischen Bauern den Kölner Erzbischof schlug. Das von Christian Mohr gestaltete Original des kölschen Bauern steht mittlerweile im historischen Rathaus. An der Torburg befindet sich heute eine wetterfeste Replik.
Rainer Linke führt in das östliche Turmgewölbe. Hier hängt an der Decke das Wrack eines Beiboots des Kreuzers „Cöln“, dessen 508-köpfige Besatzung 1914 bei einer Seeschlacht bei Helgoland ums Leben kam. Das Wrack wurde kurz danach auf Norderney angespült und der Stadt Köln geschenkt. Seit 1915 hängt es nun an der Eigelsteintorburg, mit Gittern geschützt vor den Hinterlassenschaften der Tauben.
Es ist eine von vielen Geschichten, die die Eigelsteintorburg erzählt. Mitten in einem urkölschen Veedel.