Köln im Deko-FieberKlorollen sind der beliebteste Weihnachtsbaumschmuck
Köln – Es scheint, als würde zum Jahresende erneut ein Konsumartikel Mangelware, der bereits im Frühjahr vergriffen war: Toilettenpapier. Ein Engpass droht jedoch nicht bei der handelsüblichen Ausführung, sondern beim sogenannten „Hang on“. Dass eine kleine weiße Rolle mit ein wenig Golddekor zum Bestseller avancieren und sämtliche Mitbewerber im Ranking um den schönsten Weihnachtsbaum-Schmuck ausstechen würde, amüsiert auch den Mann, in dessen vier Kölner Geschäften der Anhänger teilweise schon ausverkauft ist.
„Butlers“-Chef Wilhelm Josten könnte die Klopapier-Christbaumkugel dutzendfach an die Leute bringen, was dem Bild der auffallend leeren Fußgängerzonen zwar widerspricht, aber dennoch einleuchtet: Selten war das Bedürfnis nach weihnachtlicher Behaglichkeit im eigenen Heim so groß wie im Corona-Jahr 2020.
„Die Leute bleiben zu Hause.“ Der Lockdown light gehe mit einer deutlich geringeren Frequenz in den Innenstädten einher. „Offizielle Messungen sprechen von 40 Prozent“, sagt Josten. Diese 40 Prozent weniger spürten die Händler – insbesondere die Textilbranche – bei den Umsätzen. „Wir spüren das nicht. Bei uns ist das Umsatzniveau wie 2019.“
Sehnsucht nach Gemütlichkeit in Corona-Zeiten
Der Geschäftsführer des Handelsunternehmens schließt daraus, dass die Menschen enorme Sehnsüchte nach gemütlicher Umgebung haben „und dann gezielt in Geschäfte wie unsere gehen“. Seiner Einschätzung nach wird sich die Gesellschaft in zwei Lager spalten: Einerseits die Weihnachtsmuffel, die Geschenke ausfallen lassen und sich mit niemandem treffen, andererseits diejenigen, die sagen: „Jetzt erst recht. Wenn ich es mir schon nicht mit anderen schön machen kann, mache ich es mir selbst schön.“
Christiane Sitzius hatte in diesem Jahr kaum eine Chance, ihre Fenster fertig zu dekorieren. Kaum dass sie Anfang Oktober damit begonnen hatte, stürmten die Kunden das Raumausstatter-Geschäft in der Neusser Straße und meinten: „Das müssen Sie gar nicht erst aufhängen, das nehm’ ich gleich mit!“ Weihnachtliche Windlichter, Lichterketten, Sterne gehen weg wie die berühmten warmen Semmeln.
Kunden kämen teilweise mit Fotos ihrer Wohnräume und bäten um Verschönerungsvorschläge, berichtet Sitzius. Möglicherweise hat die „Black Lives Matter“-Bewegung dahingehend abgefärbt, dass nun schwarze Engelchen (mit Plüschkragen und Goldkrönchen) zu den Verzierungsfavoriten zählen.
Die Vorweihnachtszeit sei grundsätzlich eine Zeit, in der „Dekoration zum Lebensmittelpunkt wird“, sagt Einzelhändler Peter Heerdt, der in seinen Einrichtungshäusern per se den Fokus auf außergewöhnliche Wohnaccessoires legt. Unübersehbar sei, dass diese von Desinfektionslösung und Handseife geprägte Pandemie-Phase mit „einer neuen Romantik“ einhergehe, die sich unter anderem in den vielen nostalgischen Kugeln widerspiegele. In der Filiale am Bonner Wall stehen die Farben Grün und Rosa hoch im Kurs; gefolgt von schwarz.
Er sei immer auf der Suche nach dem Besonderen und diesmal bei der Porzellan-Manufaktur Fürstenberg fündig geworden, berichtet Heerdt. Von dort stammen die vergoldeten Champagner-Trinkbecher, aus denen angeblich selbst Sekt und Selters besonders gut schmecken soll.
Rückzug in die Privatsphäre
Auch am Kölner Blumengroßmarkt ist die Nachfrage an weihnachtlicher Dekoration spürbar, was gewiss nicht nur auf die Aussage des neuen Haus-Plakats zurückzuführen ist: „Kauft Blumen für das Seelenheil, nicht Klopapier fürs Hinterteil!“. „Das Heim wird geschmückt“, bestätigt Geschäftsführer Raimund Korbmacher. Erkennbar ist der Trend zu floralen Adventskränzen, bei denen erstmals Hortensienblüten eingeflochten werden.
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Die findet man auch in der Floristenwerkstatt von Thomas Wesseling, wo noch vieles andere auf eine tierisch gemütliche Weihnachtszeit hindeutet. Neben seinem abgefahrenen Christbaumschmuck in Form von rosa schimmernden Quallen, schillernden Kraken oder goldglänzenden Dackeln hat der Sülzer Blumenhändler gerade eine Wand mit grapefruitgroßen Plüschbären-Köpfen bestückt. Selbst Weihnachtsschmuck-Verweigerern gehe beim Anblick der putzigen Teddys das Herz auf. Wesseling kauft seine Ware gerne in den Niederlanden, weil man uns dort trendmäßig „oft um zwei Jahre voraus“ ist.
Immer wenn es den Menschen schlecht geht, ziehen sie sich in die heimische Privatsphäre zurück. Profiteure dieses wegen Corona zwangsläufig erfolgten „Cocoonings“ seien alle Geschäfte, die den Menschen das Heimelige anbieten“, glaubt Colflor-Geschäftsführer Henning Moeller. In seinen vier Kölner Blumengeschäften beobachtet er „einen enormen Run“, der ihn keinesfalls überrascht. Einer alten Verbandsstatistik zufolge habe die Blumenindustrie in den Kriegsjahren 1940/41 „etwa 80 Prozent mehr Umsatz“ als sonst gehabt.
Zurück zum Bestseller, der Toilettenpapierrolle: In den acht französischen Franchise-Filialen, die das Kölner Unternehmen Butlers zwischen dem ersten und dem zweiten Lockdown bei unseren europäischen Nachbarn eröffnete, findet diese spezielle Form des Christbaumschmucks keine Liebhaber. Aber dort, in Frankreich, wurde in diesem Frühjahr ja auch nichts Dreilagiges gehamstert, sondern im Vorausblick auf eine lange Zeit der Abgeschiedenheit: Kondome.