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„Eine Naturkatastrophe“Warum im Königsforst 43.000 Bäume gefällt werden mussten

Lesezeit 6 Minuten
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Die Folgen des Klimawandels sind offensichtlich: Bis es hier wieder nach Wald aussieht, werden wohl mindestens 30 Jahre vergehen.

  1. Nach Wald sieht es am Monte Troodelöh im Königsforst nicht mehr aus. 43.000 Bäume mussten dort gefällt werden.
  2. Bis er wieder aussieht wie früher, werden viele Jahre vergehen.
  3. Ein Rundgang mit dem Revierförster durch den Königsforst.

Köln – „Manchmal ist das merkwürdig, wie Diskussionen laufen“, sagt Jürgen Wiebicke, Philosoph, Viktoria-Fan und Brücker Bürger. „Da diskutiert die halbe Stadt über eine Wiese im Grüngürtel, auf der drei Fußballplätze gebaut werden sollen (hier lesen Sie mehr), und das eigentliche Drama spielt sich am anderen Ende Kölns ab – eine Naturkatastrophe, die kaum einer wahrnimmt.“ Wir sind mit dem Fahrrad im Königsforst unterwegs.

Stadtranderholungswald im Besitz des Landes NRW, von Wegen durchzogen, durchforstet. Es ist schattig hier und angenehm kühl, auch in den heißen Trockenzeiten des Sommers. Eine grüne Lunge für die Bewohner der angrenzenden Millionenstadt. Spaziergänger, Jogger und Radler drehen ihre Runden, der Tierpark Brück ist um die Ecke.

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Der Monte Troodelöh ist 118,04 Meter hoch.

Schwindelnde Höhen sind es nicht, die man hier erklimmt, aber der Anstieg zum höchsten Punkt der Stadt hat es für einen rheinischen Flachländer schon in sich. Kurz vor dem Gipfel erreichen wir die baumfreie Zone. Die montane Baumgrenze wird in den niederschlagsreichen Nordalpen von Fichten gebildet, bei einer Höhe von etwa 2000 Metern. Hier, am Monte Troodelöh, der gerade einmal 118,04 Meter misst, sind die Fichten abgestorben. Auf mehreren Hundert Metern ist der Wald einfach verschwunden – Folge des Klimawandels sowie eines dadurch notwendig gewordenen massiven Kahlschlags.

Klimawandel macht Königsforst zu schaffen

„Als das mit dem Shutdown losging“, sagt Jürgen Wiebicke, „musste man sich ja irgendwie sortieren. Ich bin ein Typ, der sich relativ schnell die Frage stellt, wie kannst du dich selbst lebendig halten? Wie kannst du deinen Schwung im Leben behalten, deinen Optimismus, den ich eigentlich habe. Meine Strategie ist, ich gehe in den Wald, suche mir eine schöne Stelle, genieße den Moment, und dann kann ich wieder den ganzen Corona-Mist ertragen.“ Er suche etwa nach einem Tümpel, beobachte das eine halbe Stunde. „Jeder braucht mentale Strategien, um den Kopf frei zu bekommen, das kann auch Joggen sein oder Musik hören, um mit schwierigen Situationen umzugehen. Und dann kommst du in den Königsforst und siehst das hier.“ Traurig blickt er über die freie Fläche.

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Die Ursache für das Waldsterben ist eine Kettenreaktion als Folge des Klimawandels: erst kommt der Sturm, der besonders die flachwurzelnden Bäume wie Fichten entwurzelt. Die Fichtenbestände sind anteilsmäßig sehr groß (30 Prozent), weil sie aus wirtschaftlicher Sicht in vergleichsweise kurzer Zeit (Fichte: 80 Jahre, Buche 120 Jahre) hohe Erträge versprechen und gutes Bauholz liefern. Folglich sind weite Flächen betroffen. Über das gefallene Holz macht sich der Borkenkäfer her, der sich ob der guten Bedingungen rasant vermehrt. Die trockenen Sommer der vergangenen Jahre sorgen dafür, dass gerade die Flachwurzler zu wenig Wasser haben. Deshalb können die Fichten, die noch stehen, nicht genügend Harz produzieren und sind so den Angriffen der Käfer schutzlos ausgeliefert. Der Wald stirbt in rasender Geschwindigkeit.

43.000 Bäume im Kölner Königsforst mussten gefällt werden

Um eine weitere Ausbreitung der Käfer zu verhindern, wird der befallene Baumbestand deshalb zügig gefällt und aus dem Wald entfernt. „Wir haben allein im Kölner Königsforst 43 Hektar abholzen müssen“, sagt Forstamtsleiter Uwe Schölmerich vom Regionalforstamt Rhein-Sieg-Erft, der für den etwa 2800 Hektar großen Königsforst zuständig ist. 43 Hektar, das entspricht einer Fläche von etwa 66 Fußballfeldern. Pro Hektar (100 mal 100 Meter) stehen rund 1000 Bäume. Also mussten rund um den Monte Troodelöh etwa 43.000 Bäume gefällt werden.

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Ein Schild verweist auf Kölns höchsten Punkt im Königsforst.

Der finanzielle Schaden ist immens, der ideelle nicht abschätzbar. „Manche Leute glauben, dass die braunen Nadeln der toten Fichten wieder grün werden“, sagt Schölmerich, „und verstehen nicht, warum wir Bäume abhacken. Das versuchen wir auf Infotafeln zu erklären.“

„Unser Wald ist krank, er braucht unsere Hilfe“

Nur etwa jeder fünfte Baum in Nordrhein-Westfalen weist keine Schäden auf. Zu diesem Ergebnis kommt der Waldzustandsbericht 2019. „Die Zahlen sind alarmierend. Unser Wald ist krank, er braucht unsere Hilfe im Klimawandel“, sagte jüngst Landesumweltministerin Ursula Heinen-Esser bei der Vorstellung des Berichts. „Alle Beteiligten auf allen Ebenen müssen sich jetzt mit ganzer Kraft für eine schnelle Überwindung der Schäden und die Entwicklung klimastabiler Mischwälder einsetzen“, fordert sie. Mit dem Waldbaukonzept habe das Land hierzu einen Marschplan erarbeitet. Für die Waldentwicklung hat das Land Mittel in Höhe von 100 Millionen Euro für die kommenden zehn Jahre zugesagt. Ob und wie gut diese Maßnahmen greifen, ist allerdings genauso schwer vorhersehbar wie das Ende der Corona-Krise.

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Zwei Frauen, die sich auf ihrer Wanderung gerade ins Gipfelbuch des Alpenvereins am Monte Troodelöh eingetragen haben, sind ob des Ausmaßes der Zerstörung schockiert. „Der Anblick macht die Menschen, die hier herkommen, traurig“, sagt Jürgen Wiebicke. Er greift sich eine Handvoll Waldboden, der staubtrocken durch seine Finger rieselt. Das Moos ist ausgedörrt und braun. Ein Teil der Fläche ist eingezäunt, um die Jungbäume vor Wildverbiss zu schützen. „Ohne angepasste Schalenwildbestände, also Rehe und Rotwild, ist keine vielfältige Naturverjüngung zu erwarten“, sagt Schölmerich, „daher ist eine effektive Bejagung dringend notwendig.“ Man ahnt, dass die Chancen der neu angepflanzten Setzlinge, die kommenden Sommer zu überleben, nicht immer ganz hoch sind.

Goldfische im Tümpel entsorgt

Jürgen Wiebicke, der für den WDR das philosophische Radio moderiert und für ksta.de einen Corona-Podcast mit Pfarrer Franz Meurer aufgelegt hat, liebt den Wald, ist seit Jahren Mitglied im Bergischen Naturschutzverein. Er glaubt, dass man den (Stadt-)Menschen das Gefühl für die Natur zurückbringen muss. „Das Emotionale fehlt. Es wird nur noch moralisiert – Flugscham, Hambacher Forst, Gleueler Wiese.“ Man dürfe nicht sagen, du musst das und das machen, man selber müsse das fühlen, was das für einen Wert habe. „Da gibt es so einen Tümpel, den beobachte ich seit Jahren, da gibt es auch Froschlaich, das macht mich total lebendig. Diesmal gehe ich zu dem Tümpel, und was sehe ich: Goldfische! Da hat irgend ein Vollidiot seine Goldfische entsorgt. Was natürlich sofort dafür sorgt, dass das ganze Biotop am Arsch ist.“

Dann sei er auf die neuen Brachen gestoßen. Allein das Wissen um die Zeit, die der verschwundene Wald brauche, um wieder zu wachsen (30 bis 40 Jahre, bis sich wieder ein Waldempfinden einstellt), sei deprimierend. „Wenn wir das bewahren wollen, brauchen wir ein emotionales Verhältnis dazu. Diese ganzen Klimadiskussionen sind verkopft, abstrakt, verschoben in irgendeine Zukunft, von der wir nicht wissen, ob wir daran teilnehmen werden. Wenn du hier nicht traurig wirst, wirst du verloren sein für die Idee von Naturschutz.“www.waldinfo.nrw