Kölner „Indianersiedlung“Projekt droht an finanziellen Forderungen zu scheitern
Köln – Das schwarz-grüne Ratsbündnis hat das Projekt zum „Pilotprojekt für neuen sozialen Wohnungsbau“ erklärt. Und auch bei den meisten anderen Ratsparteien können sich die Bewohner der „Indianersiedlung“ in Zollstock einer breiten Unterstützung sicher sein. Eine Genossenschaft erweitert ihre Siedlung – mit einem überzeugenden Konzept, viel Eigeninitiative und 100 Prozent sozialem Wohnungsbau.
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Es ist mittlerweile vier Jahre her, dass die Siedlergenossenschaft erstmals ihre Pläne vorstellte. Vor drei Jahren stellte der Stadtrat die ersten Weichen für die „integrative Quartiersentwicklung“. Gebaut ist immer noch nichts.
Verhandlungen ins Stocken geraten
Die Verhandlungen zwischen den Siedlern und der Stadt sind ins Stocken geraten: Die Stadt will von den Siedlern viel Geld – so viel, dass das ganze Projekt scheitern könnte, glauben die Vertreter der Genossenschaft. 2019 hatte Kölns Stadtspitze eine neue Linie für den Umgang mit städtischen Baugrundstücken ausgegeben: Sie sollten möglichst nicht mehr verkauft, sondern über Erbpacht vergeben werden.
die Indianer in Zollstock
Die Geschichte der Indianersiedlung beginnt in den 1920er Jahren mit kinderreichen Familien und Arbeitslosen, denen die Stadt Grundstücke überließ, damit sie selbst Häuser errichten konnten. Nach dem Zweiten Weltkrieg bauten hier Menschen, die ihr Heim verloren hatten, weiter.
Die Stadt duldete die Eigeninitiative der improvisierenden Häuslebauer. Heute gilt die Siedlung als idyllisches Dorf für Eigenbrötler, Künstler, Ex-Hippies und Ex-Mitglieder der alternativen Szene in der Stadt. 2003 kaufte die Siedlergenossenschaft das Grundstück, auf dem ihre Häuser stehen. Die kommerzielle Bahntochter Vivico Real Estate nahm damals 1,79 Millionen Euro für 78 000 Quadratmeter. Zum Vergleich: Das nun von der Stadt für 9,7 Millionen angebotene Grundstück zur Siedlungserweiterung ist nur 23 000 Quadratmeter groß. Umgerechnet entspricht das einer Wertsteigerung von über 1800 Prozent. (fra)
Verpachten statt verkaufen, gute Konzepte und preiswerter Wohnraum statt einer möglichst hohen Einnahme für den städtischen Haushalt – dieser Grundidee sollten die städtischen Ämter folgen. Doch die Umsetzung in der Praxis ist offenbar schwierig. Die Wohnungswirtschaft, Genossenschaften, SPD und Linke kritisieren, dass bei den ersten zaghaften Versuchen, die Vorgaben umzusetzen, zu hohe Erbpachtzinsen verlangt werden. Dem Vernehmen nach wird auch in der Stadtverwaltung gestritten. Die für Finanzen und Liegenschaften zuständigen Ämter verfolgen andere Ziele als die, die für Wohnungsbau und Stadtentwicklung zuständig ist, heißt es. Die Bereitschaft zur Zusammenarbeit sei gering.
Externes Gutachten
Die Vertreter der Indianersiedlung haben wie mit der Stadt verabredet ein externes Gutachten zur Wertermittlung des Baugrundstücks in Auftrag gegeben. 4,4 Millionen Euro seien errechnet worden, so Georg Brombach von der Siedlergenossenschaft. Davon müssten noch Rabatte für den sozialen Wohnungsbau abgezogen werden, weil der mit seiner 100-Prozent-Quote und einer 50-jährigen Mietpreisbindung für die 109 neuen Wohnungen weit über das Normalmaß hinausgehe. Das Liegenschaftsamt der Stadt veranschlagt 9,7 Millionen Euro. Außerdem will man 1,5 Prozent als Erbpachtzins.
Die Siedler und die das Projekt finanzierende GLS-Bank halten ein Prozent für angemessen. Die Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“, wie die Verwaltung den großen Unterschied erklärt, bleibt unbeantwortet. „Auf Grundlage der fortgeschrittenen Planung“ habe man eine „neue Wertermittlung durch eine weisungsunabhängige, fachkundige Stelle vorgenommen“ und „ein attraktives Angebot“ gemacht, so die Stadt. Dazu Brombach: „Das Angebot ist unannehmbar. Das ist der Versuch, das ganze Projekt zu verhindern.“ Die Stadt bestreitet das.
Enormer Aufwand
Die Genossenschaft hat in großem Stil vorgearbeitet, der organisatorische und finanzielle Aufwand ist enorm: Mit fast einer halben Millionen Euro für Gutachten und Planungen sei man in Vorleistung gegangen. Erste Mieter, die sich in überschaubarem Maße zur Förderung der Eigeninitiative auch ins Projekt einbringen sollen, haben sich bei einer Auswahlgruppe vorgestellt. Die Vorbereitung des Baulands läuft. 120 Unterstützer sind mit Bürgschaftsdarlehn in Höhe von 2500 Euro ins Risiko gegangen.
„Man müsste erwarten können, dass die Stadt solch ein vorbildliches Projekt unterstützt“, sagt Benedikt Altrogge von der GLS-Bank, die sich die Unterstützung von ökologischen, bürgerschaftlichen und nachhaltigen Projekten zur Aufgabe gemacht hat. Das Ziel der Bank sei nicht weniger, als die Welt zu verändern. Voraussetzung dafür ist der Verzicht auf hohe Renditen. Das erwarte man auch von der Stadt.. Wenn man mit 100 Prozent sozialem Wohnungsbau plane, ließen sich die Kosten fürs Bauen und den Boden nur schwer refinanzieren. Umso wichtiger sei somit ein fairer Preis der Stadt.
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Noch ist offen, wie es weiter geht. Ratspolitiker haben angekündigt, das Thema noch einmal auf die Tagesordnung zu setzen, um die Vorgaben für die Liegenschaftsverwaltung zu bekräftigen. Die Stadtverwaltung äußert sich auf Anfrage vage: Die Genossenschaft habe „weitere Argumente und Unterlagen vorgelegt“, auf deren Grundlage die Wertermittlung für das Grundstück „nunmehr überprüft wird“.