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Politisches KabarettKöln ist Mathias Richling fast zur zweiten Heimat geworden

Lesezeit 3 Minuten
Kabarettist Mathias Richling im Café

Oft in Köln: Mathias Richling im Funkhaus-Café

Der Kabarettist Mathias Richling spricht über ein halbes Jahrhundert auf der Bühne, seine Abneigung gegenüber Schiffsreisen und überempfindliche Reaktionen auf seinen Humor.

Mathias Richling ist Teetrinker, wie ich erfahre, als in einem Café in der Kölner Innenstadt vor ihm das entsprechende Silberkännchen auf dem Tisch steht. Man würde es wohl eher erwarten, den Kabarettist in der Stuttgarter Innenstadt anzutreffen und nicht am Wallrafplatz mitten in Köln. Er sei häufig in der Stadt, da er viel Zeit mit Freunden verbringe, die ein wenig außerhalb wohnten.

„Also ist Köln quasi die zweite Heimat?“, frage ich den nahe Stuttgart geborenen Kabarettisten. „Fast!“ Köln sei von der Offenheit und der Liberalität nach Berlin sicher die freieste Stadt, sagt er. „Eine Stadt mit einer anderen Selbstverständlichkeit, andere leben zu lassen und Schrulligkeiten zu akzeptieren.“

„Organisierte Schiffsreisen - um Himmels  Willen!“

Schrulligkeiten ist ein schönes Wort, denke ich, also hake ich nach. „Womit“, frage ich den Mann, der sein Publikum seit nunmehr fünfzig Jahren unter anderem durch sein Parodie-Talent begeistert, kann man Mathias Richling (ver)jagen? – „Schöne Frage“, entgegnet er lachend und beginnt nachzudenken. Irgendwie taucht vor meinem geistigen Auge das Traumschiff auf und ich taste in die Richtung. Volltreffer. „Organisierte Schiffsreisen – um Himmels Willen! Unerträglich!“ Mein Gegenüber macht eines dieser Gesichter, die man von ihm zu gut aus dem Fernsehen kennt und erklärt, „man möchte doch zumindest flüchten können“.

Ich lache und schon sind wir in einem intensiven Gespräch über fast ein halbes Jahrhundert Bühnenpräsenz, das Format „Richling Backstage“ auf Youtube und über den Humor als solchen, der sich nach Auffassung meines Gegenübers „gerade drastisch verändert“. Es sei nicht mehr gestattet, bestimmte Ironien vorzubringen, beklagt der 70-Jährige und verweist auf den sogenannten „Sombrero-Streit“ – ausgelöst durch den geplanten Auftritt einer Seniorentanzgruppe bei der Bundesgartenschau.

„Sehr animos und überempfindlich“

Die Gesellschaft sei dabei, „sehr animos und überempfindlich“ zu werden. Leider schlage sich diese „Beleidigtsein-Kultur“ gerade in Deutschland nieder, beklagt der Kabarettist, der auch eine klare Position zum Thema Gendern bezieht.

Er sage weiterhin „liebe Zuschauer“, weil das alle Geschlechter beinhalte. Punkt. Richling nennt die ganze Debatte um angemessene Sprache „eine ziemlich hysterische Angelegenheit“, die zu einer unerträglichen Verkrampfung führe. 

Wachsende Diskussionsunfähigkeit

Eine Gefahr hat Richling auch im Zusammenhang mit der Corona-Politik gesehen. In seinen Augen war der Ansatz „Leute einzuschließen“ Schwachsinn und hatte mehr mit Schikanier-Sucht, als mit Weitsicht zu tun. Natürlich habe es „auch sinnvolle Regeln“ gegeben, aber dazu zählte sicher nicht „die Aufforderung der Regierung zur Denunziation“.

Richling klagt über wachsende Diskussionsunfähigkeit und Schwarz-Weiß-Denken und zitiert in diesem Kontext den ehemaligen hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier mit dem heute fast schon irreal klingenden Satz: „Wir wollen davon ausgehen, dass auch der andere recht haben könnte.“

Kabarett - ein aussterbendes Pflänzchen?

Ich frage, ob die Rolle eines Kabarettisten, der das Zeitgeschehen pointiert oder überspitzt aufs Tapet bringt, in der jetzigen, eher auf Spaß oder Comedy getrimmten Gesellschaft verblasst oder konkret gefragt: „Ist das politische Kabarett ein aussterbendes Pflänzchen?“ – Richling erinnert an Zeiten, in denen er im Stuttgarter Renitenztheater mehrere Tage hintereinander vor stets vollen Reihen auftrat. Das sei vorbei. „Aber das betrifft uns alle.“

Nichtsdestotrotz sehe er eine erfreuliche Tendenz dahingehend, „wieder mehr Niveau zu kultivieren“, sagt der Mann, der unter anderem Philosophie, Geschichte und Literaturwissenschaft studiert hat, bevor er durch die Satire-Sendung „Jetzt schlägt‘s Richling“ bundesweite Berühmtheit erlangte. Zu hoffen sei, dass der momentanen Phase des Überdrusses, in der wir „von allem zugeschüttet werden“, wieder eine Phase folge, in der das Satirische oder der anspruchsvolle Humor gesucht würden.

Nicht zuletzt die Klimaschutz-Aktivität der Jugend zeige Ansätze, sich „ernsthafter mit den Themen der Zeit auseinanderzusetzen“. Er selber tut dies seit fünfzig Jahren und überarbeitet und erneuert seine Programme ständig, sodass er praktisch nie als Wiederholungstäter auf der Bühne steht. Ich verspreche, mir davon mein eigenes Bild zu machen – am Abend des ersten Juni in der Volksbühne am Rudolfplatz.