Der Bundesgesundheitsminister war im Kölner Presseclub zu Gast.
„Wir haben sehr viele kranke Menschen“Karl Lauterbach spricht sich in Köln gegen Karenztag aus
Mit seinen Teppichen, Kronleuchtern und den hohen Decken verströmt der Gobelin-Saal des Excelsior Hotel Ernst die Salongemütlichkeit des 19. Jahrhunderts. Doch das Jahresauftaktgespräch des Kölner Presseclubs hatte zumindest inhaltlich mit Gemütlichkeit nichts zu tun.
„Wird Gesundheit unbezahlbar?“, lautete das Thema, das reichlich aktuellen Sprengstoff bietet: Die Krankenhausreform sorgt auch in Köln für Diskussionen, die Krankenkassenbeiträge steigen stark und die Forderung von Allianz-Chef Oliver Bäte, die Lohnfortzahlung für Arbeitnehmer am ersten Krankheitstag einzustellen, schlägt hohe Wellen.
Lauterbach kritisiert deutsches Gesundheitssystem
Moderator Michael Hirz hatte zu alldem einen kompetenten Gesprächspartner an seiner Seite, der mit seiner grünen Fliege gut in das Ambiente passte: Karl Lauterbach (SPD), Gesundheitsminister beziehungsweise Noch-Gesundheitsminister im Wahlkampfmodus, überbrachte zunächst die Grüße von Bundeskanzler Olaf Scholz, den er zuvor beim IHK-Neujahrsempfang getroffen hatte.
Das deutsche Gesundheitssystem sei zwar ineffizient und teuer, so Lauterbachs Diagnose. Und in Deutschland gebe es mehr Krankheitstage als in vielen anderen westeuropäischen Ländern. Der Wiedereinführung des sogenannten Karenztags bescheinigte er dennoch eine Absage: „Die Leute sind nicht nur faul, wir haben auch sehr viele kranke Menschen.“ Vor allem bei den langwierigen Erkrankungen wie Diabetes falle Deutschland negativ auf. Hier gebe es Defizite bei der vorbeugenden Medizin. Kranke für frühere Fehler im Gesundheitssystem durch die Streichung der Lohnfortzahlung am ersten Tag auch noch zur Kasse zu bitten, sei „unfair“.
Lauterbach fordert weitere Strukturreformen
Den Begriff Ineffizienz ließ der Minister immer wieder fallen während des eineinhalbstündigen Gesprächs. Der deutsche Gesundheitssektor sei nicht nur äußerst teuer, gleichzeitig sei die Lebenserwartung in Deutschland im Vergleich zu den anderen westeuropäischen Ländern am niedrigsten: „Wir sind ein stückweit abgehängt bei der Behandlungsqualität und bei der Spitzenforschung.“
Ohne Strukturreformen würden die Beitragssätze immer weiter steigen. Hier setze die elektronische Patientenakte an und die Krankenhausreform, die die Zahl der Hospitäler senken und die Behandlungsqualität verbessern soll. Andere Gesetze seien durch den Bruch der Ampel-Koalition nicht mehr verabschiedet worden, so Lauterbach.
Auch bei der Pflege seien Reformen und mehr Vorbeugung etwa gegen Demenz nötig. „Wir brauchen deutlich mehr ausländische Pflegekräfte“, so Lauterbach. Um das Rentenniveau bei gleichbleibenden Beiträgen zu stabilisieren, müsse ein „ordentliches Wirtschaftswachstum“ durch mehr Digitalisierung und Entbürokratisierung ermöglicht werden. Auch hier müsse Deutschland effizienter werden. Michael Hirz, Journalist und Vorstandsmitglied des Presseclubs, zeigte sich skeptisch. „Mein Eindruck ist: Allen Parteien fehlt der Mut zur Wahrheit.“
Bei der anschließenden Fragerunde bekannte sich Lauterbach zum Konzept der Bürgerversicherung, die das zweigeteilte System aus gesetzlicher und privater Krankenversicherung ablösen würde: „Von mir aus könnten wir die Bürgerversicherung einführen.“
Im Koalitionsvertrag der Ampel habe die FDP jedoch die Privilegien der Privatversicherten und Beamten schützen wollen. Bei der beschlossenen Cannabis-Legalisierung zeigte sich der Minister weniger entschlossen. Ob das Gesetz die erwünschte Wirkung entfalte, werde ausgewertet.