AboAbonnieren

„Wir müssen das Erinnern aufrechterhalten“Kölner Mahnwache zum Gedenken an queere Opfer des Nationalsozialismus

Lesezeit 3 Minuten
Internationaler Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus am Mahnmal in Köln.

Internationaler Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus am Mahnmal in Köln.

Das Gedenken sei auch Ausdruck von Protest angesichts von Rechtsextremismus und Queerfeindlichkeit. Die Teilnehmerzahl war höher als in der Vergangenheit.

In Köln und bundesweit wird am 27. Januar alljährlich an die Opfer des Nationalsozialismus erinnert. Am 27. Januar 1945 befreiten sowjetische Soldaten das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz in Polen. Dort wurden mindestens 1,1 Millionen Menschen ermordet. Dazu zählten auch Menschen, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder ihrer geschlechtlichen Identität verfolgt und ermordet wurden.

Mit einer Mahnwache haben Kölner und Kölnerinnen insbesondere queeren Opfern des NS-Regimes gedacht. Am Mahnmal für schwule und lesbische Opfer des Nationalsozialismus legten sie Blumen und Kränze nieder und kamen für eine Schweigeminute zusammen. Der Kölner schwule Männerchor „Zauberflöten“ begleitete musikalisch die Gedenkveranstaltungen.

Mehr Menschen als in den vergangenen Jahren bei Kölner Mahnwache

„Die Namen vieler Opfer wurden für lange Zeit unterschlagen. Wir sind hier, um sie nicht zu vergessen und uns an sie zu erinnern“, sagt Laura Becker, Vorstandssprecherin des Queernetzwerks NRW mit Sitz in Köln. Das Gedenken sei gleichzeitig ein Protest angesichts des gegenwärtig erstarkenden Rechtsextremismus und zunehmender Queerfeindlichkeit in Deutschland. „Wir müssen zusammenstehen und das Erinnern aufrechterhalten.“

Zusammenstehen und das Erinnern aufrechterhalten, dieses Ansinnen einte die Anwesenden.

Zusammenstehen und das Erinnern aufrechterhalten, dieses Ansinnen einte die Anwesenden.

Nicht nur, dass zur Mahnwache mehr Menschen gekommen seien als in den vergangenen Jahren, sondern auch, dass in diesen Tagen so viele Menschen gegen Rechtsextremismus protestierten, gebe ihr gleichzeitig Zuversicht. „Da werden auch unsere Freiheiten mit verteidigt“, sagt Becker.

Gerade jetzt ist es wichtig, gegen Rechtsextremismus aufzustehen

Sven Lehmann, Beauftragter der Bundesregierung für die Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt, pflichtet ihr bei. Durch Deutschland wehe zurzeit erneut der Geist und die Idee des Faschismus. Umso wichtiger sei es, dass man nun gegen das Erstarken von Rechtsextremismus aufstehe.

Dass in Köln in den vergangenen Tagen rund 100.000 Menschen auf die Straße gegangen seien, sei insbesondere auch für queere Menschen existenziell und überlebenswichtig. Ein Signal für viele, dass man hoffentlich weiter sicher und würdevoll leben könne. „Hätte ich überlebt vor etwa 80 Jahren in Deutschland?!“ Diese Frage stelle er sich selbst des Öfteren. Und mit ihm, so der Queerbeauftragte der Bundesregierung, viele andere Menschen der queeren Szene ebenso.

Auch die Rolle der Kirche kam zur Sprache. Pfarrer Tim Lahr, der das Projekt „Queere Kirche Köln“ betreut, trat mit Pfarrerin Janneke Botta, die sich für Innovation in der Kirche einsetzt, gemeinsam zu einer Rede an das Mikrofon.

Es sei für beide erschreckend, mit welcher Selbstverständlichkeit queere Menschen sowie alle, die nicht ins Bild passten, auch von Christen im NS-Reich verfolgt, erniedrigt und ermordet wurden. Die Kirche habe oft keinen Schutz geboten, sie habe sich an den NS-Verbrechen mitschuldig gemacht, prangerten beide an. Als schwuler Pfarrer kämpft Tim Lahr heute für mehr Sichtbarkeit und Akzeptanz der queeren Community in der Kirche. Seine eigene Erfahrung zeige ihm, wie wichtig es sei, dass queere Menschen gesellschaftlich sichtbar sind.

Kirche vielerorts noch immer kein sicherer Ort

Genau das versuche rechte Hetze zu verhindern, sagt der Pfarrer, der auch auf Social Media für eine offene Kirche wirbt, Drohungen und Einschüchterungen zum Trotz. Die Kirche sei vielerorts immer noch kein sicherer Ort für all diejenigen, die nicht von patriarchalen Strukturen profitierten. Das gelte für alle queeren Menschen, ergänzt Janneke Botta. Sie spreche nicht nur als Pfarrerin, sondern auch als Lesbe.

Und mahnt, jeder und jede solle sich an den Schmerz der Vergangenheit, an das Morden, an die Winkel und Sterne auf Hemden erinnern, an das „Nie wieder“-Versprechen, sowie daran, es heute und in Zukunft besser zu machen.