Im Interview spricht Thorsten Helmers über Gewalt an queeren Menschen, Skepsis gegenüber der Polizei und eine Karnevalsbühne an der Schaafenstraße.
Queer-Beauftragter der Kölner Polizei„Es gibt Strömungen, die queere Menschen zum Feindbild erklärt haben“
Herr Helmers, Sie sind seit Juni 2023 der erste Queer-Beauftragte der Kölner Polizei. Was sind Ihre Aufgaben?
Thorsten Helmers: In der queeren Community gibt es aufgrund der historischen Entwicklung vielerorts eine gewisse Skepsis gegenüber der Polizei. Hier versuche ich zu vermitteln und den queeren Menschen den Weg zur Polizei zu erleichtern. Das sehe ich auch als eine meiner Hauptaufgaben. Eine weitere Aufgabe ist die Sensibilisierung und Fortbildung von Mitarbeitenden der Polizei.
Bis 1994 stand Homosexualität noch unter Strafe und wurde von der Polizei strafrechtlich verfolgt. Wie reagiert die Community nun auf Sie als Queer-Beauftragten?
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Teilweise wurde schon die Befürchtung geäußert, dass ich als Queerbeauftragter eine rein repräsentative Stelle einnehme. Nach dem Motto: So kann die Polizei jemanden vorzeigen, ohne dass wirklich etwas passiert. Zumindest von den Institutionen und Vereinen ist die Rückmeldung bisher aber sehr positiv. Viele hatten sich so eine Stelle bei der Polizei gerade gewünscht. Es gibt aber auch eine gewisse Erwartungshaltung.
Welche Erwartungen sind das?
Das umfasst ganz viele Aspekte. Oft geht es dabei um die Frage: Wird man als queerer Mensch von der Polizei mit seinen Anliegen ernst genommen oder nicht? Wenn jemand beispielsweise Opfer eines queerfeindlichen Angriffs geworden ist, gibt es bei vielen noch Hemmnisse, damit zur Polizei zu gehen. Einfach weil solche Übergriffe lange in der gesellschaftlichen Wahrnehmung bagatellisiert worden sind.
Ist diese Befürchtung denn gerechtfertigt?
Ich glaube, dass wir bei der Kölner Polizei sehr sensibel mit solchen Themen umgehen. Auch, weil wir hier eine sehr präsente Community haben und wir auch viele queere Mitarbeitende hier im Polizeipräsidium arbeiten. Aber natürlich kann ich nicht ausschließen, dass es zu Situationen kommt, bei denen sich queere Menschen von der Polizei nicht ernst genommen fühlen. Das müssen wir dann wiederum ernst nehmen und jede einzelne Situation genau hinterfragen.
Wie kann man sich Ihre Vertrauensarbeit konkret vorstellen?
Momentan geht es vor allem darum, mir hier in der Stadt ein Netzwerk aufzubauen und Präsenz in der Community zu zeigen. Und mich mit den vielen verschiedenen Akteuren auszutauschen, etwa mit dem Jugendzentrum Anyway, dem Beratungsverein Rubicon oder auch der Stadt. Gemeinsam mit der Stadt und der Staatsanwaltschaft haben wir etwa die Kampagne „Anzeigen statt Aushalten“ gestartet. Wir gehen davon aus, dass das Dunkelfeld bei queerfeindlichen Taten hoch ist. Mit der Kampagne wollen wir Opfer dazu ermutigen, sich an die Polizei zu wenden und solche Taten anzuzeigen.
Wie sieht Ihre Arbeit nach innen, also mit Ihren Kolleginnen und Kollegen aus?
Ich diene zum Beispiel als Ansprechpartner für Mitarbeitende, die selbst der queeren Community angehören. Oder auch für Führungskräfte, die auf mich zukommen und fragen: Ich habe hier einen Mitarbeiter, der hat sich geoutet. Was muss ich da beachten? Insgesamt erleben wir aktuell einen großen Umbruch in der queeren Community. Sie wird immer vielfältiger, aber eben auch unübersichtlicher. Mit diesen Entwicklungen Schritt zu halten, ist für viele nicht so einfach. Das spiegelt sich etwa auch in Polizeieinsätzen wider, die auf beiden Seiten zu einer Verunsicherung führen können.
Können Sie ein Beispiel geben?
Nehmen Sie etwa eine klassische Durchsuchung. In der Regel werden Frauen von weiblichen und Männer von männlichen Beamten durchsucht. Was aber ist mit transidenten Menschen, die ihre Transition noch nicht abgeschlossen haben? Bei denen also noch männlich als Geschlecht im Ausweis steht, die aber als weiblich gelesen werden. Wenn dann noch eine Sprachbarriere hinzukommt, kann das in der Hektik eines Polizeieinsatzes zu Missverständnissen führen.
Was raten Sie Ihren Kolleginnen und Kollegen dann?
Kommunikation ist das A und O, das ist grundsätzlich so in unserem Beruf. Aber gerade in diesem Bereich ist es umso wichtiger. Die meisten trans Personen kommunizieren ihre Bedürfnisse. Und unsere Polizeikräfte nehmen Hinweise immer dankend an. Da komme auch ich als Ansprechpartner ins Spiel, der für Aufklärung sorgen kann.
Gewalt gegen queere Menschen nimmt zu. Laut Zahlen des Bundesinnenministeriums gab es 2022 rund 1000 Hassdelikte gegen queere Menschen. Ein Anstieg im Jahresvergleich um 16 Prozent. Wie bewerten Sie diesen Anstieg?
Zunächst muss man sagen, dass die Zahlen mit Vorsicht zu betrachten sind. Denn es gibt keine einheitliche Erfassung dieser Delikte. Trotzdem zeigen die Zahlen: Die Anzeigebereitschaft steigt und das begrüßen wir, dafür werben wir ja auch. So wird das Problem sichtbarer. Sie zeigen aber auch: Es gibt gesellschaftliche Strömungen, etwa aus dem rechten Lager, die queere Menschen zum Feindbild erklärt haben. Das schlägt sich dann auch in solchen Hassdelikten nieder und könnte eine weitere Erklärung für die Erhöhung der Fallzahlen sein.
Was kann die Polizei tun, um queere Menschen besser zu schützen?
Wir können Aufklärungsarbeit leisten und zeigen, dass so etwas nicht toleriert wird. Auch zielgerichtete Kampagnen können dabei helfen, indem wir queere Menschen darin bestärken, dass wir queerfeindliche Übergriffe ernstnehmen und ihnen nachgehen. Etwa dann, wenn wir bei einer Straftat auf der Schaafenstraße nochmal genauer Hinweise prüfen, ob es sich um eine queerfeindliche Tat handelt. Auch wenn das Opfer es nicht auf Anhieb sagt, weil Hemmungen bestehen.
Die Schaafenstraße ist ein gutes Stichwort. Sie ist einer der wichtigsten Schutzorte für schwules und lesbisches Leben in Köln. In den vergangenen Jahren kam es dort immer wieder zu queerfeindlichen Vorfällen. Was tut die Polizei, damit dieser Schutzraum auch künftig ein Schutzraum bleibt?
Wir stehen im ständigen Austausch mit den dortigen Wirtegemeinschaft und zeigen Präsenz auf der Straße. Bei Großveranstaltungen erarbeiten wir mit der Stadt und den Barbetreibern Sicherheitskonzepte, damit sich die Menschen weiterhin wohlfühlen.
Eine Großveranstaltung könnte bald bevorstehen: In der Nähe der Schaafenstraße, auf dem Hohenstaufenring, wird über eine Veranstaltungsbühne an Karneval diskutiert. Der Vorstand des Vereins „Cologne Pride“ befürchtet, dass dadurch auch die Schaafenstraße unsicherer wird und die Zahl der Anfeindungen und Übergriffe steigen wird. Teilen Sie diese Sorge?
Die Planungen der Stadt und des Veranstalters, auf die sich diese Befürchtungen beziehen, sind noch nicht abgeschlossen und liegen der Polizei noch nicht zur Bewertung vor. Sie können sicher sein, dass die Polizei die Ängste und Sorgen von den Wirtinnen und Wirte und Besucherinnen und Besucher der Schaafenstraße ernst nimmt und die vorgebrachten Bedenken bei ihrer Bewertung mit einbeziehen wird.
Zur Person
Thorsten Helmers, 36 Jahre alt, ist seit Juni 2023 Queer-Beauftragter der Polizei Köln. Laut Polizei ist es die erste Vollzeitstelle eines Queer-Beauftragten in Nordrhein-Westfalen. Als Kriminalhauptkommissar war Thorsten Helmers vorher im Kriminalkommissariat 33 (Betrug) als Ermittlungsgruppenleiter tätig.