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Marathon-Selbstversuch in KölnQual auf den Schlusskilometern – wer hat mir Blei in die Oberschenkel getan?

Lesezeit 4 Minuten
Sebastian Hahn, Redakteur des Kölner Stadt-Anzeiger, ist am 1. Oktober 2023 den Köln-Marathon gelaufen.

Sebastian Hahn, Redakteur des Kölner Stadt-Anzeiger, im Ziel des Köln-Marathons. Bei seiner Premiere lief er eine Zeit von 4:06:42 Stunden.

KStA-Redakteur Sebastian Hahn ist am Sonntag seinen ersten Marathon in Köln gelaufen. Wie er die 42 Kilometer auf der Strecke erlebt hat.

Einen Marathon laufen. Für mich war das immer etwas Unmögliches. Etwas, das nur Ausnahmesportler schaffen. Im Mai hatte ich dann die verrückte Idee, es doch zum ersten Mal beim Köln-Marathon zu probieren. Im November werde ich 30 Jahre alt, besser wird es körperlich in den nächsten Jahren eher nicht mehr.

Es folgten vier Monate Training mit Regen, Hitze, teilweise auch Hagel. Alles nur, um am Ende im Schatten des Kölner Doms über einen roten Teppich zu laufen und sich eine Medaille um den Hals hängenzulassen. Lohnt sich das? Am Sonntag sollte ich es herausfinden.

Selbstversuch Köln-Marathon: Start bei Kaiserwetter – Stimmung wie bei einem Fußballspiel

Vor Beginn: Am Bahnhof Köln Messe/Deutz gibt es eigentlich nur drei Beschäftigungen: Bananen essen, Kaffee trinken oder sich in die Schlangen für einen letzten Toilettengang vor dem Marathon anstellen. Hier und da dehnen sich noch einige Marathoni, auch ich gehe nochmal etwas alibimäßig in die Hocke. Noch fünf Minuten bis zum Start.

Kilometer 0: Der Startschuss fällt, im Hintergrund läuft „Stadt mit K“ von Kasalla, kurz darauf sehe ich von der Deutzer Brücke bereits den Dom. Mehr Köln-Kitsch geht kaum. Dazu Kaiserwetter, die Sonne sorgt für angenehm sommerliche Temperaturen, denke ich mir. Eine Aussage, die ich ein paar Stunden später bereuen werde.

Sebastian Hahn, Redakteur des Kölner Stadt-Anzeiger, ist am 1. Oktober 2023 den Köln-Marathon gelaufen.

Noch einmal dehnen vor dem Start: KStA-Redakteur Sebastian Hahn am Start des Köln-Marathons am Ottoplatz in Deutz.

Kilometer 7: Mein Startblock erreicht die „Südkurve“ in Rodenkirchen, am Straßenrand ist Stimmung wie vor einem Fußballspiel. Ich reiße die Arme hoch, die Menge jubelt. Ich habe mich in der Gruppe, die unter 4:15 Stunden bleiben will, nach vorne gearbeitet. Mein Ziel: Die Marathon-Premiere unter vier Stunden zu absolvieren.

Kilometer 12,5: Die Strecke schlängelt sich durch die Südstadt. Am Straßenrand stehen Klappstühle, die Zuschauer prosten sich mit Kölsch zu. Ein älteres Ehepaar beobachtet die schwitzende Menge und prostet sich auf einem Balkon mit Sekt zu. Meine Beine fühlen sich noch gut an, ich bin pro Kilometer fast 25 Sekunden schneller als erwartet.

Köln-Marathon 2023: Kölsch und Sekt in der Südstadt – neuer Rekord beim Halbmarathon

Kilometer 15: Endlich sehe ich die Fahne der Tempomacher, die eine Zeit von unter vier Stunden vorgeben. Begleitet von den jubelnden Massen am Rudolfplatz ordne ich mich hinter ihnen ein, will erstmal ein paar Kilometer mitlaufen. In meinem Hinterkopf immer die Frage: Wie lange sind deine Beine noch so gut und wann fängt es an, weh zu tun?

Kilometer 17,5: Die vierte Verpflegungsstation kommt wie gerufen, eine Banane kann ich jetzt definitiv gebrauchen. In der Nähe der Uni geht es kurz ein wenig auf und ab, die kleinen Steigungen machen sich in den Beinen bemerkbar.

Kilometer 21,1: „Jetzt umdrehen, wäre auch blöd“ steht auf dem Torbogen, der die Halbmarathon-Distanz bedeutet. Begleitet von Trommlern, mehreren Bands und Trillerpfeifen geht es durch die Dürener Straße. 1:52 Stunden – so schnell war ich im Training noch nie.

Köln-Marathon 2023: Der Hammer kommt bei Kilometer 32 – Quälende Minuten ab Niehl

Kilometer 27: Da sind sie wieder, die roten Fähnchen der Vier-Stunden-Tempomacher. Ich fühle mich wie ein Ausreißer bei der Tour de France, der langsam vom Peloton eingeholt wird. Meine Oberschenkel machen sich jetzt deutlich bemerkbar, fühlen sich an wie Blei, das zusätzlich an meinen Beinen hängt. Apropos Tour de France: Auf der Venloer Straße ist Partystimmung, überall liegt Konfetti auf der Straße. Das hat etwas von einer Bergankunft bei der Tour de France.

Sebastian Hahn, Redakteur des Kölner Stadt-Anzeiger, ist am 1. Oktober 2023 den Köln-Marathon gelaufen.

„Nicht mehr ganz so geschmeidig“: Die letzten Kilometer des Köln-Marathons werden für KStA-Redakteur Sebastian Hahn zur Qual.

Kilometer 32: Die Sonne knallt auf den Asphalt der Amsterdamer Straße, ich muss hinter den Tempomachern abreißen lassen und ein paar Schritte gehen. Links und rechts sitzen bereits die ersten meiner Mitstreiter auf dem Boden. In meinem Kopf ist jetzt nur noch ein Gedanke: Nicht stehen bleiben, denn dann ist es vorbei.

Kilometer 37: Immer wieder muss ich kurz durchatmen, gehe zwischendurch ein paar Schritte. Am Straßenrand rufen die Zuschauer meinen Namen, brüllen mich nach vorne. Und es funktioniert. Zwar bin ich nicht mehr so schnell wie zu Beginn, aber ich komme voran. Jedes rote Kilometerschild ist wie ein kurzes Glücksgefühl.

Köln-Marathon 2023: Klatschnass über die Schildergasse bis zum Kölner Dom

Kilometer 40,5: Die letzte Trinkstation, ich kippe mir das Wasser nur noch über den Kopf. Ich kann keine Cola und keinen Traubenzucker mehr sehen. Im Kopf läuft in Dauerschleife „Ich liebe das Leben“ von Vicky Leandros, das ich ein paar Kilometer vorher am Straßenrand gehört hatte. Ich weiß nur eins: Ich muss jetzt durchziehen.

Kilometer 41,1: Die Vier-Stunden-Marke ist durch, als ich kurz vor der Schildergasse bin. Mein selbstgestecktes Ziel ist mittlerweile aber ein anderes: Einfach nur noch ankommen. Ein Freund ruft vom Straßenrand: „Das sah aber schon mal geschmeidiger aus“. Ich kann ihm nur zustimmen. Jeder Schritt sticht in meinen Oberschenkeln.

Kilometer 42,195: Ich bin im Ziel! Schreie einfach nur meine Freude heraus. Oberschenkel, Füße, Waden: Alles pocht, der Schmerz kommt kurz darauf. Mit der Medaille um den Hals suche ich den nächstbesten Bürgersteig und falle fast auf den Boden. 4:06:42 Stunden sind es am Ende. Die Zeit ist mir egal. Der erste Marathon ist geschafft – und ein Wahnsinns-Publikum hat mir dabei geholfen.