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„Du bist übrigens gerade durch Köln gelaufen“Ahnungsloser Sieger und 22.000 Teilnehmer jubeln beim Köln-Marathon

Lesezeit 5 Minuten
Glück beim Zieleinlauf: Teilnehmerinnen und Teilnehmer erreichen das Ende des Köln Marathons im Schatten des Kölner Doms.

Glück beim Zieleinlauf: Teilnehmerinnen und Teilnehmer erreichen das Ende des Köln Marathons im Schatten des Kölner Doms.

22.000 Teilnehmer und ein Sieger, der gar nicht wusste, durch welche Stadt er gerade gerannt ist: Der Köln-Marathon bot kuriose Geschichten.

Normalerweise haben es Marathon-Veranstalter nicht so gern, wenn der Hase das Rennen macht. Aber was sollen die zwei als Tempomacher verpflichteten Kenianer für den als Favoriten auf den Deutschen Meistertitel angetretenen Kölner Jonathan Dahlke mit einem angebrochenen Sonntag anfangen, wenn der schwächelt, das Rennen vorzeitig beenden muss und ihre Kleiderbeutel im Ziel liegen? Mit der U-Bahn fahren?

Irgendwie müssen Amos Kipkorir Changwony und Anthony Apori Ekai geahnt haben, dass die Kölner Verkehrs-Betriebe gerade keinen guten Lauf haben. Also sind sie einfach weiter bis ins Ziel am Dom gerannt.

Sieger der Köln-Marathons lässt sich erklären, was der Kölner Dom ist

Und so schreibt der Köln-Marathon bei seinem Jubiläum mal wieder eine kuriose Geschichte. Changwony gewinnt das Rennen in 2:14:43 Stunde vor Ekai (2:15:21). Dass der Sieger sich im Ziel erklären lassen muss, was das für eine große Kirche ist, an der er kurz vor seinem Sieg vorbeigeschossen ist, tut seiner Freude keinen Abbruch.

Auf Platz drei landet einer, der sich selbst voller Bescheidenheit als „ambitionierter Hobbyläufer“ bezeichnet und mit persönlicher Bestzeit von 2:15:56 Stunden als Deutscher Marathonmeister feiern lassen darf. Auf die Frage, ob er, mit 33 Jahren im besten Marathonalter, jetzt auf ein paar Sponsoren hoffen darf, zeigt Lorenz Baum nur auf sein Trikot: „Bisher ist das der Tübinger Laufladen.“

Deutscher Marathonmeister Lorenz Baum an der Ziellinie beim Köln-Marathon.

Deutscher Marathonmeister im Ziel am Dom: Lorenz Baum aus Tübingen.

Der Titel in Köln sei sein größter Erfolg, auch wenn er sich natürlich im Klaren sei, dass die besten deutschen Marathonläufer vor einer Woche in Berlin gestartet sind. „Ich weiß das schon einzuordnen. Aber von denen, die in Köln am Start waren, war ich heute halt der Beste.“

Mit Schaumstoff-Kölschglas durch den Jubiläums-Marathon

Das kann Esther Jacobitz mit Fug und Recht auch von sich behaupeten. Die neue Deutsche Meisterin legt mit 2:37:00 Stunden ein respektables Marathon-Debüt hin, das zwar Lichtjahre von dem Fabel-Weltrekord entfernt ist, den die Äthiopierin Tigist Assefa (2:11:53) vor einer Woche am Brandenburger Tor in Berlin hingelegt hat, doch darum geht es am Dom zu Kölle ja auch nicht.

Berthold Jungk,68, hat in 25 Jahren 25 Mal am Köln-Marathon teilgenommen.

Mal wieder im Ziel: Berthold Jungk (68) hat an allen Marathonläufen in Köln teilgenommen. Einmal ist er unterwegs am Tresen im Weißen Holunder hängengeblieben.

Im Mittelpunkt des 25. Rennens stehen vor allem jene Läuferinnen und Läufer, die immer am Start waren. Von den 194.909, die in all den Jahren seit 1997 die 42,195 Kilometer durch Köln rannten, sind 45 übriggeblieben. Ihnen gebührt am Sonntag die besondere Aufmerksamkeit.

Aber Kölle wäre nicht Kölle, gäbe es nicht auch jene, die zwar 25 Mal an den Start gingen, aber die das Läuferschicksal und die Zuschauer nicht immer bis in Ziel tragen konnten. Berthold Jungk (68) ist einer von ihnen. Mit einem überdimensionalen Schaumstoff-Kölschglas auf dem Rücken, das er vor einem Vierteljahrhundert gebastelt hat, läuft er unter dem Motto „Mach mal halblang“ nach 2:47:03 Stunden und 21,1 Kilometern über die Ziellinie.

Das sei immer noch besser als 2019, sagt der Mann, der sich selbst als Spaßläufer bezeichnet, als er mitten auf der Marathonstrecke im Weißen Holunder an der Gladbacher Straße beim Kölsch am Tresen hängenblieb und die Medaille Medaille sein ließ.

25 Mal Köln-Marathon Köln gelaufen Axel Marahrens

Einer von 45 Stammkunden Köln: Axel Marahrens (70) aus Hameln.

Weil sich 45 Geschichten nicht alle erzählen lassen, nehmen wir stellvertretend die von Axel Marahrens, der sie nach 42,195 Kilometern, die er mit seinen 70 Jahren knapp unter vier Stunden abgerissen hat, gleich auf der Ziellinie jedem mit einer Glückseligkeit und Ruhe erzählt, als sei er gerade vom Sonntagsbrunch gekommen. „Meine Frau ist Kölnerin. Ich habe sie vor meinen dritten Köln-Marathon in einem Sonnenstudio in Refrath kennengelernt und da haben wir beschlossen, ich laufe hier jetzt immer.“

Sein Freund habe ihn 1997 überredet, doch auch mal in Köln zu starten. „Die stehen da alle am Straßenrand und feuern Dich an. Das musst Du einmal erleben.“ Zu allem Überfluss hat er damals am Start in Köln einen Marathoni aus Madrid getroffen, mit dem er ein paar Jahre zuvor in New York gemeinsam die Ziellinie überquert habe. Gemeinsam seien sie damals unter 3:20 Stunden gelaufen und hätten sich so für Boston, die Mutter aller Marathons, qualifiziert. „So bin ich über Köln in der ganzen Welt gelaufen.“

René Stassen hat seine Knieoperation rausgeschoben, um seinen Jubiläumslauf nicht zu verpassen. „Morgen komme ich unters Messer. Wenn man 24 Mal dabei war, nimmt man das eine Mal irgendwie noch mit, wenn man nicht gerade im Rollstuhl sitzt“, sagt er mit einem Lachen im Gesicht. „Köln war mein erster Marathon. Ich bin schon auf der ganzen Welt gelaufen, aber das hier ist einzigartig. Jetzt müssen sie nur noch diese Holzplaketten abschaffen. Alles andere ist perfekt. Ich finde, wir haben vernünftige Medaillen verdient. Aber das ist eine andere Geschichte.“

Gerd Mausbach im Ziel nach seinem 25. Marathin

Kölscher geht's nicht: Gerd Mausbach (66) im Ziel nach seinem 25. Köln-Marathon.

Von der Jubiläumstorte mit der Laufstreckenkarte haben die Ehrengäste im VIP-Bereich im Ziel den kompletten Kölner Süden schon weggefuttert und der Dom droht bereits angeknabbert zu werden, da ist Gerd Mausbach (66) immer noch unterwegs. Und dann biegt der Mann, der 25 Jahre wie ein Jeck durch Kölle gerannt ist, doch noch auf die Zielgerade ein. Verkleidet wie immer. Schließlich hat Mausbach einen Ruf zu verteidigen.

Auf der Hohe Straße kurz vor dem Ziel haben ihm Freunde seine 24 Medaillen aus den vergangenen Jahren in die Hand gedrückt. Die muss er zu allem Überfluss auch noch mitschleppen. Auf den nackten Oberkörper hat er den für ihn wichtigsten Spruch des kölschen Grundgesetzes geschrieben: Et hätt noch immer joot jejange. Die Medaillen klimpern fröhlich in der Herbstsonne. Mausbach läuft nach gut fünf Stunden die letzten Meter über den roten Zielteppich, als sei nichts gewesen. Die Zuschauer trommeln auf die Absperrbleche und das Marathon-Klimpermännchen rennt an der Werbebande vorbei, die seinem Lebensmotto schon sehr nahe kommt: Dein Köln, Dein Ziel.