Köln MarathonRund 2000 freiwillige Helfer machen das Sportereignis erst möglich
Köln – Hinter dem Dom geht die Sonne auf, aber für die Schönheit des Augenblicks hat hier niemand Zeit. Nicht die Gabelstaplerfahrer, die stur Paletten voller Obst- und Getränkekisten abliefern, nicht die Polizisten, die mit Hunden die Tribünen an der Komödienstraße nach Sprengstoff absuchen. Nicht einmal das junge Pärchen mit dem wohl letzten Bier des Abends in der Hand und schon gar nicht die Touristen, die mürrisch dreinblickend ihre Koffer zum Bahnhof ziehen. Nur ein Läufer, der unterwegs ist zum Start des Köln-Marathon in Deutz, ruft seinem Begleiter beim Anblick der Kathedrale mit starkem österreichischen Einschlag zu: „Einfach geil.“
Wer wissen will, wie Kölns größte Sportveranstaltung funktioniert, der muss am Ziel sein, bevor ein einziger Teilnehmer gestartet ist. Gegen 7 Uhr schwärmt eine Armee von Helfern, müde und zugleich aufgekratzt wirkend, in weiß-roten Plastikjacken aus in Richtung Verpflegungsdorf. Dort, hinter der Ziellinie, werden sie Stunden später die erschöpften Läufer in Empfang nehmen und sie mit Cola, Obst und Wurstbroten versorgen. Erst die 15000 Teilnehmer des Halbmarathons, später die mehr als 5000, die 42,195 Kilometer in den Beinen haben.
Rund 2000 Freiwillige beim Köln-Marathon
Eine der ersten, denen sie im Ziel begegnen, ist Sabine Bonni. Die 53-Jährige weiß, wie sich die Läufer fühlen, die einen Marathon hinter sich haben. In den letzten Jahren ist sie selbst in Köln gelaufen, letzte Woche noch in Berlin. „Als Läufer bekommt man so viel Unterstützung von den Helfern an der Strecke“, sagt die Frechenerin, während sie Tausende Medaillen aus Kartons holt und auf den Tisch vor sich legt. Deshalb gehört sie in diesem Jahr zu den rund 2000 Freiwilligen, ohne die der Köln-Marathon nicht vorstellbar wäre. „Ich will etwas zurückgeben.“
Ein paar Meter weiter gibt es kein Edelmetall, sondern Vitamine. Routiniert schneidet Ralf Küpper einen Apfel nach dem anderen in kleine Stücke, der mannshohe Stapel an Obstkisten neben ihm verrät, dass sein Marathon-Tag gerade erst begonnen hat. In drei, vier Wochen werde er wohl wieder einen Apfel essen können, sagt er und lacht. Die Verpflegung der Läufer ist bei den Küppers aus Siegburg Familienangelegenheit, Frau Martina, ihre Mutter Margot Vorbeck, Tochter Laura und deren Freund Aaron helfen mit. „Die Leute müssen ja versorgt werden“, sagt Martina Küpper.
Mehr als 2000 Getränke werden an Vereinsmitglieder ausgeschenkt
Weniger gesund, aber für die unterzuckerten Läufer nicht weniger wichtig ist das, was vier freundlichen Damen vom Kölner Square-Dance-Verein Wild & Free Classic in Plastikbecher füllen. Die ersten Hundert Cola-Portionen haben die Westerntänzerinnen in atemberaubendem Tempo gefüllt, aber das Ziel ist laut Birgit Werner noch lange nicht in Sicht. „Es muss auch für den letzten was da sein“, sagt die Vizepräsidentin, die den Einsatz ihres Vereins als karitatives Engagement versteht. „Außerdem verbindet es“, sagt Bruder Thomas Werner, der sich auf die „große Schlacht“ am Nachmittag vorbereitet. Mehr als 2000 Liter Getränke, schätzt er, werden die Vereinsmitglieder am Ende des Tages ausgeschenkt haben.
Am Gebäude der Industrie- und Handelskammer ist wohl nie so viel Post gleichzeitig eingetroffen wie an diesem Morgen. Die braunen Lieferwagen eines Paketunternehmens warten aneinandergereiht darauf, entladen zu werden. Statt Paketen bringen sie Rucksäcke – mehr als 20000, die, bis auf die etwa Handflächengroße Startnummer, nicht zu unterscheiden sind.
Vor dem Start haben die Läufer darin ihre Wechselkleidung in Deutz abgegeben, an der Gereonstraße bekommen sie ihre Sachen zum Beispiel von Melanie Kleinen wieder ausgehändigt.Die 34-Jährige aus Viersen ist selbst dreimal in Köln mitgelaufen, in diesem Jahr wegen eines „Motivations-lochs im Training“ aber nicht auf der Strecke. „Gar nicht hier zu sein, war keine Option“, sagt Kleinen, die um 5 Uhr aufgestanden ist.
Um die, die umfallen, kümmern sich Alexander Weiler und seine Kollegen
Noch zwei Stunden früher klingelte der Wecker bei Norbert Kluck. Aus der Nähe von Mainz ist der 57-Jährige an die Strecke gekommen. Am Hohenzollernring hat er vom Fahrersitz seines Wagens beste Sicht auf die Strecke, hier kommen die Läufer in beiden Richtungen an Tausenden Zuschauern vorbei. Kluck genießt den Trubel, die Tätigkeit für den Verein Mobiler Sicherungsdienst habe ihm vor Jahren aus der Depression geholfen. „Ich wollte wieder unter die Leute.“ Heute gilt seine Aufmerksamkeit einem aufblasbaren weißen Bogen, der die Strecke überspannt. „Wir passen auf, dass der nicht umfällt.“
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Um die Verletzten kümmern sich Alexander Weiler und seine Kollegen. Der Einsatzleiter des Sanitätsdienstes, selbst seit dem ersten Köln-Marathon dabei, koordiniert 180 Rettungskräfte entlang der Strecke, in der kleinen Zeltstadt in der Tunisstraße sind die Retter auf alles vorbereitet. Es gibt einen Ruhebereich und einen Intensivbereich, vier Ärzte kümmern sich im Fall der Fälle um Läufer, aus denen Patienten geworden sind. Um 6 Uhr hat für sie der Einsatz begonnen, und wie für die meisten anderen Ehrenamtler wird der Arbeitstag an der Laufstrecke erst beendet sein, wenn die Sonne am Ende der Zielgeraden untergegangen ist.
Marathon – das bedeutet Langstrecke. Nicht nur für die Athleten.