Der Mieterverein warnt vor mangelnder Baufläche in Köln aufgrund des neuen Masterplans Stadtgrün - die Wohnungskrise werde sich dadurch noch verschärfen.
Mieterverein Köln warnt vor Ratsbeschluss„Soziale Verwerfungen, wie wir sie in Köln noch nie hatten“
Als Franz-Xaver Corneth über die Wohnbau-Situation in Köln spricht, hält es ihn kaum im Stuhl. „Wir steuern auf soziale Verwerfungen zu, wie wir sie in Köln noch nie gehabt haben“, sagt der Vorstandsvorsitzende des Mietervereins, sichtlich empört. In der Hand hält er einen Stapel Papier, auf dem steht: „Masterplan Stadtgrün“. Corneth hebt ihn demonstrativ hoch, und sagt mit lauter Stimme: „Wenn das so beschlossen wird, kann in Köln in den nächsten 30 Jahren nicht mehr gebaut werden.“
Mieterverein Köln mit Rekordmitgliedszahlen
Bei einer Pressekonferenz in seinen Räumen am Mühlenbach informierte der Mieterverein am Donnerstag über gestiegene Mitgliedszahlen und die weiterhin angespannte Wohnungssituation in der Stadt. Dass sich bereits jetzt die Situation auf dem Wohnungsmarkt immer weiter verschlimmere, merkt der Mieterverein auch an seinen Mitgliedszahlen. „Wir haben das fünfte Rekordjahr in Folge“, berichtete Geschäftsführerin Sarah Primus. 68.554 Haushalte haben sich dem Verein angeschlossen. 2022 seien noch einmal mehr als 1000 Mitglieder mehr hinzugekommen als bei der Zunahme im Vorjahr. „Und im neuen Jahr sind bereits 568“, so Primus.
Corneth nutzte die Gelegenheit aber vor allem, um das Ratsbündnis aus Grünen, CDU und Volt scharf zu kritisieren. Die Wohnungskrise in Köln werde sich in den kommenden Jahren weiter verschärfen. Die Politik habe im Regionalplan die Flächen für eine mögliche Bebauung bereits stark reduziert, „Widdersdorf und Porz sind ohne Sachgrund herausgefallen“, so Corneth. Der Masterplan Stadtgrün „setzt dem Ganzen jetzt die Krone auf“.
Corneth kritisiert Masterplan Stadtgrün – weitere Bauflächen gefordert
Ende September vergangenen Jahres hatte Umweltdezernent William Wolfgramm die Vorlage vorgestellt. Der Masterplan Stadtgrün soll Grün- und Freiflächen schützen und entwickeln. Die „grüne Infrastruktur Kölns“ solle gesichert werden, sagte Wolfgramm damals. Schon im September wurden aber auch kritische Stimmen aus der Politik laut. Die Sicherung der Grünflächen sei zwar gut umgesetzt worden. „Konflikte mit dem Wohnungsbau müssen aber so gut es geht vermieden werden“, sagte Niklas Kienitz, CDU-Fraktionsgeschäftsführer. Und auch Michael Weisenstein von den Linken merkte an, dass die Wohnungsbauziele Kölns „ohne Flächen im Außenbereich nicht zu schaffen“ seien.
Es gibt also noch Gesprächsbedarf. Die Entscheidung über den Masterplan wurde von der Tagesordnung der Ratssitzung am 10. November 2022 geworfen. Nun soll es bei der nächsten Ratssitzung am 9. Februar soweit sein. Dabei sind sich sowohl Haus- und Grundbesitzerverein, als auch der Mieterverein – also Vermieter- und Mietervertretungen – in diesem Punkt einig: Es braucht weitere Bauflächen, um genug Wohnraum für alle Kölnerinnen und Kölner zur Verfügung zu stellen.
In Köln fehlen 70.000 Wohnungen
„Mit Nachverdichtung allein ist es nicht getan, wir können nicht überall nur eine Etage draufsetzen“, sagt Hans Jörg Depel, Geschäftsführer des Mietervereins. „Es braucht einen großen Wurf.“ Das sei reine Mathematik: Bereits jetzt fehlten in Köln 70.000 Wohnungen, bis 2050 rechnet die Stadt mit einer Bevölkerungszunahme von etwa 38.000 Menschen. „Wo sollen die Leute denn hin?“, fragt Depel. Die Fläche in Köln sei derweil vorhanden. „Köln ist flächentechnisch 20 Prozent größer als München, trotzdem gibt es dort mehr Einwohner. Es gibt also noch Potenzial.“
Zumal das Bauen in Kölns Randbezirken auch klimapolitisch sinnvoll sei, so Franz-Xaver Corneth. „Wir können das Problem nicht einfach ins Umland verlagern, Klimaneutralität hört ja nicht an den Stadtgrenzen Kölns auf. Wenn mehr Menschen gezwungen sind, ins Umland zu ziehen, muss dort mehr gebaut werden, dazu kommt der Pendelverkehr. Diese Kollateralschäden werden nicht bedacht.“
„Köln ist nie zu Ende gebaut, wie der Kölner Dom“
Er kenne einen Grundstücksbesitzer in Porz Wahn-West, der ein Areal von 30 Hektar besitzt. Dort würde er ein Wohngebiet ermöglichen, mit der Hälfte der Wohnungen auf dem freien Markt, 30 Prozent sozialem Wohnungsbau, 20 Prozent mit gedämpften Mieten, klimaschonend gebaut, mit Schule und Kindergarten. „Mit dem Masterplan Stadtgrün können sie das nicht verwirklichen“, so Corneth.
Für ihn spreche aus dem Masterplan die Philosophie, Köln sei fertig gebaut. „Dabei ist Köln nicht zu Ende gebaut, und wird es auch nie sein, wie der Kölner Dom.“ Da auch die Anzahl geförderter Wohnungen in den nächsten Jahren weiter sinken werde, könne sich ein Leben in der Stadt künftig nur noch die Oberschicht leisten. „Das ist sozialer Sprengstoff“, so Corneth. Es brauche eine Stadtentwicklung, die ihren Namen verdiene – und soziale Verwerfungen verhindere.