Nach der Teil-Legalisierung steigt auch die Nachfrage nach medizinischem Cannabis in Apotheken. Doch kommt das wirklich bei den Richtigen an?
„Kommen nicht mehr hinterher“Nachfrage nach medizinischem Cannabis in Köln stark gestiegen
Seit dem 1. April ist Cannabis teilweise legalisiert. Die Betonung liegt auf „teilweise“. Denn die sogenannten Cannabis Social Clubs, also nicht-kommerzielle Anbauvereine, dürfen erst ab dem 1. Juli starten. Bleibt nur der aufwändige Eigenanbau. Aber noch etwas hat sich geändert: Weil Cannabis nicht mehr unter das Betäubungsmittelgesetz fällt, ist auch die Verschreibung von medizinischem Cannabis einfacher geworden. Seitdem ist Cannabis auf Rezept so einfach zu bekommen wie Ibuprofen 600. Und das spüren die Apotheken in Köln deutlich.
„Die Verordnungen haben auf jeden Fall stark zugenommen“, sagt Juliane Wüst, Apothekerin bei der Kölner Birken-Apotheke und Vorstandsvorsitzende des Verbandes der Cannabis versorgenden Apotheken. Die Nachfrage sei so groß, dass Apotheken teilweise mit Engpässen bei der Versorgung ihrer Patienten zu kämpfen haben. „Viele Apotheken kommen bei der Nachfrage gar nicht mehr hinterher.“
Cannamedical in Köln: Umsatzverdopplung in sechs Wochen
Ähnliches berichtet Thomas Preis vom Apothekerverband Nordrhein. Zwar sei es zu früh, um konkrete Zahlen zu nennen, „Doch kann man davon ausgehen, dass Cannabis seit dem 1. April deutlich mehr verordnet wurde.“ Davon würden auch Apotheken aus der Region berichten. „Kurzfristig gehen wir von einer Verdoppelung der Privat-Verordnungen aus.“
Darüber dürfte sich David Henn, CEO von Cannamedical, freuen. Das Kölner Unternehmen vertreibt Cannabis zur Schmerztherapie. „Seit dem 1. April ist unsere Welt ein bisschen aus den Angeln gehoben. In den letzten sechs Wochen haben wir unseren Umsatz beinahe verdoppelt.“
Doch bei der Frage, ob das eine gute Entwicklung ist, herrscht Uneinigkeit. „Ein Großteil der Verordnungen stammt von auf Cannabis spezialisierten Telemedizin-Angeboten. Teilweise verschreiben dort Ärzte aus dem europäischen Ausland Cannabis“, sagt Apothekerin Wüst.Bei einigen der Telemediziner müsse man lediglich online ein Formular ausfüllen, um an ein Rezept zu kommen, bei anderen reiche ein kurzes Online-Gespräch. Der Verdacht, dass sich so auch Menschen ohne medizinisches Leiden ein Rezept besorgen, liege nahe. Abgesehen von medizinischen Bedenken, fürchtet Wüst, „dass die Versorgung von Patienten, die auf Cannabis als Schmerzmittel angewiesen sind, gefährdet ist“. Sie fordert mehr Kontrollen der Online-Angebote.
David Henn von Cannamedical sieht das anders. Auch sein Unternehmen arbeitet mit einem großen Telemediziner für Cannabis zusammen. „Telemedizin-Angebote sind ja kein neues Phänomen, das gibt es seit Jahren. Ich sehe bei den Angeboten keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass es da zu Grenzverletzungen kommt, sonst wäre der Gesetzgeber schon längst eingeschritten.“
Telemedizin-Anbieter für Cannabis umstritten
Monika Baaken, Sprecherin des Hausärzteverbands Nordrhein, blickt skeptisch auf die spezialisierten Telemedizin-Anbieter: „Auch unsere Ärzte bieten Online-Sprechstunden an, allerdings nur bei Bestandspatienten. Das ersetzt aber nicht die persönliche Untersuchung vor Ort.“ Seit der Teil-Legalisierung nimmt sie aber auch in der Praxen Veränderungen wahr: „Der Beratungsbedarf hat sich geändert, seit dem 1. April wird vermehrt nach Cannabis als Therapieform gefragt, gerade von der jüngeren Generation.“ Das hieße aber nicht, dass Cannabis deswegen auch öfter verschrieben werde. „Eine Therapie muss Sinn ergeben, das ist immer eine individuelle Entscheidung.“
Auch Apothekerverbandschef Preis beobachtet, dass viele der Verschreibungen von spezialisierten Telemedizin-Plattformen ausgestellt werden. „Es gibt Vermutungen, dass nicht jeder dieser Patienten eine medizinische Behandlung mit Cannabis braucht.“ Aus medizinischer Sicht sei ein persönliches Ärztegespräch dem Online-Termin immer vorzuziehen. „Auf der anderen Seite war der Ausbau der Telemedizin vom Gesetzgeber wegen des Ärztemangels auch gewollt.“
Bei der Frage, was bei der Gesetzeslage zu medizinischem Cannabis getan werden muss, ist Preis zwiegespalten. Bedenklich stimmen ihn die Ergebnisse einer Untersuchung der Bundesopiumstelle, die bei Cannabis-Privatrezepten einen hohen Männeranteil (87 Prozent) und ein geringes Durchschnittsalter (36 Jahre) feststellt hat – und das schon vor der Teil-Legalisierung. Menschen, die wirklich auf eine Therapie mit Cannabis angewiesen sind, seien in der Regel deutlich älter. „Dadurch könnte man vermuten, dass Verordnungen mit Cannabisblüten erfolgen, die der Gesetzgeber so nicht bezweckt hat“, sagt er.
Andererseits sei davon auszugehen, dass durch die Entstigmatisierung für zahlreiche Menschen Cannabis als Therapieform infrage kommt. „Für diese Patienten ist die Apotheke der richtige Abgabeort.“ So müssten sie nicht auf dubiose Quellen zurückgreifen. „Als Abgabestelle von Cannabis zu Genusszwecken oder als Cannabisshop stehen Apotheken aber nicht zur Verfügung.“