Die Legalisierung von Cannabis ist beschlossen, am Ostermontag tritt das neue Gesetz in Kraft. Die wichtigsten Fragen und Antworten:
Kinder, Konsumierende und Nicht-KiffendeAb 1. April – Was das neue Cannabis-Gesetz für den Alltag bedeutet
Nachdem das umstrittene Cannabis-Gesetz am Freitagmittag die letzte Hürde des Bundesrats genommen hat, ist Kiffen in Deutschland ab dem 1. April offiziell legal, zumindest in Teilen. Einen Joint auf öffentlichen Plätzen drehen oder high die Fußgängerzonen bewundern, ist aber trotzdem nicht uneingeschränkt möglich. Auf welche Gebote Konsumierende achten müssen und was alle anderen nach der neuen Gesetzgebung erwartet:
Einkaufsmeile, Park oder Stadion – ist Kiffen nun überall erlaubt?
Obwohl der Konsum von Cannabis im öffentlichen Raum mit dem neuen Gesetz in Teilen legalisiert wird, darf nicht an jeder Straßenecke gekifft werden. In bestimmten Zonen bleibt das Verbot auch weiterhin bestehen, insbesondere aus Gründen des Kinder- und Jugendschutzes. Rund um Kitas, Schulen und andere Jugendeinrichtungen gilt ein Schutzradius von 100 Metern, in dem der Joint in der Tasche bleiben muss.
Gleiches gilt für das Gelände öffentlich zugänglicher Sportplätze. In Fußgängerzonen ist der Konsum ebenfalls zwischen 7 und 20 Uhr untersagt. In den eng besiedelten Straßen Kölns ergeben diese Regelungen ein Wirrwarr aus Zonen des legalen und illegalen Cannabis-Konsums.
Wie wird illegaler Cannabis-Konsum nach dem neuen Gesetz kontrolliert?
Eine Sprecherin der Kölner Polizei erklärte bereits im Februar, dass noch nicht geregelt sei, wie Kontrollen in Verbotszonen vonstattengehen werden, auch, weil es sich dabei um städtische Maßnahmen handele. Hinweisen auf illegalen Konsum werde die Polizei weiterhin nachgehen.
Viele Unklarheiten: Kommunen abhängig von Bund und Ländern
Auch Köln und Leverkusen liegen keine genauen Vorgaben über die Ausgestaltung des Gesetzes vor, ähnlich dürfte es anderen Kommunen gehen. Angaben der Stadt Köln zufolge müssen die Verantwortlichen auf lokaler Ebene auf die Erlasse von Bund und Ländern warten. Ob, und wann das passiert, sei derzeit noch unklar.
Wie viel Cannabis ist für den Privatbesitz erlaubt?
Mit der Streichung von Cannabis von der Liste verbotener Substanzen im Betäubungsmittelgesetz dürfen Erwachsene bis zu 25 Gramm Gras bei sich führen. An ihrem Wohnsitz können sie sogar bis zu 50 Gramm der trockenen Blüten – ausschließlich zum Eigenkonsum – lagern. Zur Orientierung: Laut einer amerikanischen Studie werden je nach Dosierung und Hanfsorte für einen Joint etwa 0,32 Gramm Cannabis benötigt. Für die öffentlich erlaubte Menge von 25 Gramm ergeben sich daraus also fast 80, im Privatbesitz 160 Joints. Dealen und die Weitergabe an Dritte sind weiterhin verboten.
Wie können Konsumierende Cannabis legal erhalten?
Um legal in den Besitz von Cannabis zu kommen, stehen Konsumierenden zwei Wege offen: Entweder, sie bauen die Pflanzen selbst privat an oder sie erhalten das Cannabis in Anbauvereinigungen.
Welche Regeln gelten für den Eigenanbau?
Cannabis in der Wohnung, im Haus oder Garten anbauen dürfen nur erwachsene Personen, die in Deutschland seit mindestens sechs Monaten einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben. Die Menge ist begrenzt: Pro Person sind maximal drei Cannabispflanzen erlaubt. Alles, was darüber hinausgeht, muss vernichtet werden.
Außerdem müssen Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden. Pflanzen, Samen sowie geerntetes Haschisch und Marihuana müssen, so schreibt es das Bundesministerium für Gesundheit (BMG), „in abschließbaren Schränken oder Räumen aufbewahrt werden“. Solange die Regeln eingehalten werden, gilt die Anbau-Erlaubnis also auch für Haushalte, in denen Kinder und Jugendliche aufwachsen.
Geruchsbelästigungen in der Nachbarschaft sollen vermieden werden – aber wie?
Aufpassen müssen Privatanbauende aber hinsichtlich des Geruchs. Kommt es zu „unzumutbaren Belästigungen und Störungen für die Nachbarschaft“, muss die Pflanzenzucht gestoppt werden. Lüftungs- und Luftfilteranlagen können Abhilfe schaffen. Wer sich um mögliche Beschwerden kümmert, sei aber – wie so vieles – noch ungeklärt, sagt eine Sprecherin der Stadt Köln.
Wo können Samen und Stecklinge erworben werden?
Saatgut kann aus dem EU-Ausland nach Deutschland eingeführt werden, etwa per Online-Bestellung übers Internet. Zudem sind Anbauvereinigungen für die kontrollierte Weitergabe von Cannabisprodukten verantwortlich, die monatliche Menge ist dabei allerdings auf sieben Samen oder fünf Stecklinge begrenzt.
Dürfen Eltern vor ihren Kindern kiffen – oder sogar gemeinsam?
„Verantwortungsvolle Eltern würden sagen: Nein“, sagt Ulric Ritzer-Sachs von der Onlineberatung der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung (bke) im Interview mit der dpa und rät Eltern zu einer klaren Haltung.„Nur, weil es legal ist, würde ich mit meinem Kind keinen Joint rauchen.“ Es verhalte sich ähnlich wie mit Zigaretten und Alkohol. Die Vorbildrolle betreffe aber nicht nur Suchtmittel: „Bin ich begeisterter Motorradfahrer, habe ich schlechte Argumente, dem Kind das Moped fahren zu verbieten.“
„Kiffen ist nicht harmlos“: Experte rät von Cannabis-Konsum vor Kindern ab
Vorm gemeinsamen Cannabis-Konsum warnt er auch aus einem anderen Grund: „Tatsächlich ist Kiffen nicht harmlos. Während der Erwachsene seinen Rauschzustand will, ist aber die Gehirnentwicklung seines oder seiner 16-Jährigen nicht abgeschlossen. Dort baut sich gerade alles noch um. Mir fällt aus medizinischer und pädagogischer Sicht nicht ein, warum man das fördern sollte und würde dringend davon abraten.“
Und auch, wenn Kiffen vor den eigenen Kindern und der häusliche Anbau von Pflanzen prinzipiell erlaubt sind, könne man nur darauf hoffen, dass sich die Sprösslinge nicht selbst daran bedienen. „Am besten ist es natürlich, erst gar kein Gras anzubauen“, so Ritzer-Sachs.
Was ist der Zweck von Anbauvereinigungen und welche Regeln gelten für die Social Clubs?
Die nicht-gewinnorientierten Vereine geben nicht nur Stecklinge, Samen und Cannabis in Reinform – fertig gedrehte Joints, Haschkekse oder ähnliches sind ausgeschlossen – weiter, sondern sind laut BMG auch für den gemeinschaftlichen Eigenanbau verantwortlich. Dafür brauchen sie aber erst einmal eine behördliche Erlaubnis.
Während das Cannabis-Gesetz in Großteilen zum 1. April in Kraft tritt, können die Cannabis Social Clubs (CSC) wohl erst ab Juli in Aktion treten. Für sie gelten verschiedenste Auflagen, unter anderem sind die abzugebenden Mengen begrenzt, sie müssen Jugendschutz-, Sucht- und Präventionsbeauftragte benennen und es gilt ein Mindestalter von 18 Jahren. Der Konsum von Cannabis im Club selbst ist ebenfalls untersagt.
Welche Anbauvereinigung gibt es rund um Köln?
Schon jetzt lassen sich einige Vereinigungen in Köln finden, darunter der Cannabis Social Club Cologne (CSCC) und der Cannaclub Cologne, aber auch in Euskirchen und Leverkusen wird man fündig. Über die Webseiten können sich Interessierte zwar schon einen Platz auf der Warteliste sichern – die Mitgliedsanzahl ist auf 500 Plätze begrenzt – ansonsten halten sich die Vereine aber noch bedeckt. „Wir haben vor circa drei Wochen begonnen, Anträge zu sammeln. Aktuell beläuft sich die Anzahl auf rund 75 Mitglieder, viele warten aber noch den Vollzug des Gesetzes ab“, sagte ein Vertreter vom CSCC kurz vor der Entscheidung im Bundesrat.
Cannabis Clubs gründen sich, sind aber noch zurückhaltend
Auch mit der Anmietung von Räumlichkeiten wartet der Club auf das finale Go durch die Politik. Die Finanzierung soll dann in großen Teilen über die Beiträge geregelt werden. Als Beispiel: Die Mitgliedschaft im Cannaclub Cologne kostet 10 Euro pro Monat, hinzu kommt eine Aufnahmegebühr von 120 Euro. Der CSCC nimmt 30 Euro pro Mitglied.
Was hat es mit den Plänen auf sich, nach denen sich Köln als Cannabis-Modellregion bewerben will?
Die zweite Säule zur Einführung einer kontrollierten Cannabis-Abgabe sieht den kommerziellen Verkauf von staatlich kontrolliertem Hanf in Modellregionen unter wissenschaftlicher Begleitung vor. Mit einem Beschluss signalisierte der Kölner Stadtrat bereits im Mai 2023 Interesse an dem Vorhaben. Eine städtische Arbeitsgruppe befasst sich seitdem mit dem Thema. Wegen EU-rechtlicher Bedenken gibt es zur Idee der Modellregionen aktuell allerdings noch keinen Gesetzentwurf, die Umsetzung in Köln oder anderen Kommunen dürfte sich also noch hinziehen.
Gibt es analog zur Promillegrenze eine THC-Grenze im Straßenverkehr?
Autofahren im Cannabis-Rausch ist verboten, bei einem Verstoß drohen unter anderem hohe Bußgelder, Fahrverbote und Punkte in Flensburg. Ganz so eindeutig wie bei Trunkenheit am Steuer ist die Lage aber nicht. Ein kritischer Grenzwert des Wirkstoffs Tetrahydrocannabinol (THC) ist gesetzlich nicht festgelegt, wird derzeit aber unter Federführung des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr geprüft. Die Arbeitsgruppe soll bis Ende März zu einem Ergebnis kommen. Bis das Straßenverkehrsgesetz geändert wird, gelten die alten Vorschriften.
Werden frühere Strafen wegen Cannabis-Besitz erlassen?
Ja, auf Antrag können Verurteilungen, für die das Gesetz nach der Änderung keine Strafen mehr vorsieht, aus dem Bundeszentralregister gelöscht werden. Auch laufende Straf- und Ermittlungsverfahren können eingestellt werden. Bundesweit wird dieser Schritt vor allem von der Justiz kritisiert. Der Deutsche Richterbund etwa warnt vor einer Überlastung des Systems, denn mehr als 210.000 Strafakten könnten durch die Amnestie-Regelung nochmals überprüft werden. Laut einem Bericht des NRW-Justizministers müssen die Staatsanwälte allein an Rhein und Ruhr 60.000 Fälle überarbeiten. (mit dpa)