Die Zahl der berauschten Unfallverursacher hat 2023 einen Höchststand erreicht. Bei illegalen Autorennen gab es ebenfalls häufiger Unfälle.
Mehr Unfälle in NRWReul warnt vor steigender Zahl Verkehrstoter nach Cannabis-Freigabe
Die Trauer ist immer da. Jeden Tag. Claudia (58) hat ihre Tochter Tochter Marie verloren. „Ich war nicht bei ihr, als sie alleine auf der Straße starb“, sagt die 58-Jährige mit Tränen in den Augen. Maria wurde von einem Raser überfahren, der an einem illegalen Autorennen teilgenommen hatte. „Der Täter bekam 3 Jahre und 10 Monate. Mein Schmerz ist lebenslänglich“, erklärt die Mutter.
Ein Statement, das unter die Haut geht. Zu Beginn der Pressekonferenz zur Verkehrsunfallstatistik 2023 präsentierte NRW-Innenminister Herbert Reul Videos von Menschen, die Angehörige bei Verkehrsunfällen verloren haben. „Wenn wir über Bilanzen und Statistik sprechen, ist das immer viel trockenes Zahlenwerk“, sagte der CDU-Politiker. „Die Videobotschaften der Betroffenen erinnern uns daran, dass hinter jeder Zahl, über die wir gleich reden, Menschen stehen. Schicksale. Schreckliche Erlebnisse. Und Hinterbliebene, die trauern“, so Reul.
Autos werden durch Assistenzsysteme immer sicherer
Im Straßenverkehr von NRW haben im vergangenem Jahr 450 Menschen ihr Leben gelassen, das sind zwei weniger als noch 2022. Assistenzsysteme mit Spurhaltesystemen gehörten heute zur Grundausstattung. „Unsere Autos werden immer moderner und sicherer. Und trotzdem sterben immer noch Menschen bei Verkehrsunfällen, die es alle nicht geben muss“, sagte Reul.
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2023 gab es insgesamt rund 640.000 Verkehrsunfälle, das ist ein Anstieg um mehr als vier Prozent. Bei den meisten Unfällen ist es bei Sachschäden geblieben. Auch bei den Unfällen mit Schwerverletzten gab es einen Rückgang von zwölf 12 Prozent.
Besorgniserregend: Während die Zahl der Alkoholfahrten leicht zurückging, steigt die Zahl der Unfälle unter dem Einfluss anderer Drogen wie Cannabis um 31,1 Prozent stark an. 2023 wurden 1170 Unfälle registriert, bei denen die Verursacher berauscht waren. „Sie wissen alle, wie bekloppt ich eine Cannabislegalisierung finde“, sagte Reul. Bei den Verunglückten gebe es den höchsten Stand seit 2013 – obwohl es sich derzeit noch um eine verbotene Substanz handele. „Man braucht kein ausgewiesener Verkehrsexperte zu sein, um zu prognostizieren, wie sich die Verkehrsunfalllage entwickeln wird, wenn das Kiffen legal wird“, kritisierte Reul. Das scheine in der Berliner Ampelkoalition „aber leider niemanden zu interessieren“. Die Legalisierung werde künftig zu mehr Unfalltoten führen: „Ganz einfach, weil THC die Reaktionszeit stark einschränkt und die Fahrtüchtigkeit sowieso.“
Handybenutzung lenkt Fußgänger ab
Sorgen bereitet der Polizei weiterhin die hohe Zahl der Fußgänger, die zu Unfallopfern werden. 7511 Unfälle mit Fußgängern wurden registriert, im Vorjahr lag die Zahl bei 7064 Opfern. 101 Fußgänger kamen ums Leben. In 41 Prozent der Unfälle waren die Getöteten selbst Verursacher. „Der Anstieg ist vielleicht auch damit zu erklären, dass wir abgelenkter sind – von unseren Handys zum Beispiel“, sagte Reul. 54 der getöteten Fußgänger waren Senioren über 65 Jahre. Helle, reflektierende Kleidung sei die beste Lebensversicherung für Fußgänger.
Bei den E-Scootern hat sich die Zahl der Verkehrsunfälle zwischen 2021 und 2023 mehr als verdoppelt. 2023 gab es 2115 Verunglückte – das ist eine Zunahme von 30 Prozent zum Vorjahr. Vier E-Scooter-Fahrer kamen ums Leben. „Bei den Verletzten gehen wir von einer hohen Dunkelziffer aus. Nicht immer erfährt die Polizei von den Unfällen“, so Reul. In den meisten Fällen hätten die verunglückten E-Scooter-Fahrer den Unfall selber verursacht, weil sie alkoholisiert unterwegs waren oder auf der falschen Fahrbahn gefahren sind.
Auch die hohe Zahl der illegalen Autorennen bleibt ein Dauerthema bei der NRW-Polizei. 2023 wurden mit 2144 insgesamt 100 Rennen mehr als im Vorjahr festgestellt. Die Zahl der Unfälle stieg von 484 auf 526 an. Zugleich gab es mit drei getöteten Unfallopfern neun weniger als zuletzt. „Wie Menschen so verantwortungslos sein können, geht mir nicht in den Kopf“, sagte Reul.
Rückläufige Unfallzahlen bei den Radfahrern
Die Lichtblicke in der Unfallbilanz: Die Zahl der getöteten Radfahrer ging um 31 Prozent zurück. Eine Ursache könne sein, dass es mehr und sicherere Radwege gebe als in der Vergangenheit, hieß es. Auch bei den Pedelecs gab es einen deutlichen Rückgang bei den Getöteten und Schwerverletzten. Die Unfälle mit Motorradfahrern sind ebenfalls rückläufig.
Alarmierend bleibt die hohe Zahl der Unfallfluchten, bei denen es oft auch Verletzte oder gar Getötete gibt. Von insgesamt 15 Fällen, in denen Menschen zu Tode kamen, wurden 13 aufgeklärt. Die Spurensicherung könne kleinste Lackteile finden oder Fahrzeugteile zuordnen. „Wir finden die Leute, auch wenn die sich über alle Berge gemacht haben“, sagte Reul.
Die NRW-Polizei wirbt in sozialen Medien für mehr Verantwortungsbewusstsein im Straßenverkehr, in den Videobotschaften unter #Leben kommen Angehörige von Unfallopfern und auch eine Täterin zu Wort. Alle treten auch beim Präventionsprogramm „Crash Kurs“ auf, das Schülerinnen und Schülern die Ursachen von schweren Unfällen mit emotionalen Berichten und Bildern deutlich macht.