Hausverkäufe in KölnUmstrittenes Denkmal-Gesetz sorgt für Wut bei Betroffenen
Köln – Wer in diesen Tagen mit Franz Schumacher, 68, redet, hört einen Mann, der umgangssprachlich gesagt den Kaffee auf hat. Schumacher heißt eigentlich anders, will seinen richtigen Namen aber nicht in der Zeitung lesen, weil er ein Problem hat: Er ist sauer auf die Stadtverwaltung Köln, braucht sie aber gleichzeitig zur Lösung seines Problems. Ein Umstand, den vermutlich einige Kölner Bürger kennen.
Vereinfach gesagt stellt sich die Sache so dar: Schumacher und seine Tochter wollen ihre Eigentumswohnung in einem Haus aus den 50er-Jahren im Kölner Norden verkaufen, sie haben auch einen Käufer gefunden. Der Kaufvertrag ist notariell beurkundet, aber die Stadt Köln hat laut Schumacher noch nicht auf ihr Vorkaufsrecht verzichtet.
Dieses Recht hat sie seit dem 1. Juni dieses Jahres, auch wenn es einige Ausnahmen gibt wie etwa dem Verkauf an Ehepartner. An diesem Tag trat das neue Denkmalschutzgesetz NRW in Kraft. Laut des NRW-Kommunalministeriums gab es im Vorgängermodell seit 1998 kein Vorkaufsrecht mehr.
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Franz Schumacher wartet jetzt wie viele andere auf eine Antwort der Verwaltung, ob die Stadt ihr Vorkaufsrecht wahrnimmt oder nicht. Die Notare teilen laut eigener Aussage erst dann den Käufern mit, den Kaufpreis zu bezahlen. Konkret möchte Schumacher mit dem Geld aus dem Verkauf wieder in Immobilien investieren.
Das Problem, so sagt Schumacher: „Das Geld fließt nicht, weil die Stadt nicht zu Potte kommt. Wenn ich das Geld nicht rechtzeitig erhalte und meinen Verpflichtungen aus dem neuen Kaufvertrag nachkomme, muss ich die Fremdfinanzierung erhöhen. Das kostet mich Geld.“
Stadt hat noch kein Verfahren gefunden
Die Stadt Köln hat auch nach rund sieben Wochen kein Verfahren gefunden, wie sie entscheidet, ob sie ihr Vorkaufsrecht ausübt. Das bestätigt sie, wenn sie mitteilt: „Die Stadt prüft derzeit, (…) auf welche Weise ein optimales Verhältnis zwischen Aufwand und Nutzen hergestellt werden kann.“
Dr. Kai Bischoff, Vorstand der Rheinischen Notarkammer, sagt: „Wir Notare gehen davon aus, dass sämtliche Beteiligte von dem Gesetz überrascht worden sind.“ Theoretisch könnte jeder Kaufvertrag über Immobilien in Nordrhein-Westfalen demnach aufgrund der ersten allgemeinen Verunsicherung betroffen sein.
Bis zu 40 Einträge täglich
Tatsächlich ist Franz Schumacher alles andere als alleine mit seinem Problem, laut Stadt gehen bei der Verwaltung täglich zwischen 35 und 40 Einträge ein. Ab Anfang Juni und nur mit den Werktagen gerechnet, könnten das bis zu rund 1500 Verträge sein, mit jeweils einem Verkäufer und einem Käufer. Die Stadt schweigt dazu.
In der Landeshauptstadt Düsseldorf sind es insgesamt 240 Verträge, täglich kommen weitere 20 bis 30 hinzu. Ein Sprecher sagt: „Das Aufkommen ist aktuell recht hoch.“
Neuerdings sind eben nicht nur Baudenkmäler betroffen, die in der Denkmalliste öffentlich einsehbar sind, sondern auch Bodendenkmäler – selbst bei neu gebauten Wohnungen. Ein Sprecher des NRW-Ministeriums teilte mit: „Hintergrund ist, dass es in der Vergangenheit häufiger zu Verkaufsfällen von Grund und Boden mit ortsfesten Bau- oder Bodendenkmälern gekommen ist und die Kommune aus Sicherungsgründen für diese Denkmäler keine Möglichkeit hatte, diese für die Gemeinschaft zu sichern.“
Zwei Anlaufstellen in Köln
All das klärt der Notar nun mit der Denkmalpflege. Dafür muss er in Köln sogar bei zwei Stellen vorstellig werden, weil Stadtkonservator Thomas Werner für eingetragene Denkmäler und das Römisch-Germanische-Museum für ortsfeste Bodendenkmäler zuständig ist. Nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ hat die Stadtverwaltung bei Nachfragen noch diesen Monat sogar einfach an die beiden Dienststellen verwiesen. Jeder Kaufvertrag braucht demnach zwei Anschreiben und zwei Antworten. Ein Beteiligter sagt: „Das ist ein Schildbürgerstreich aus der Bürokratiekiste.“
Drei Monate hat die Stadt Köln laut Gesetz, um ihr Vorkaufsrecht auszuüben, wenn der notariell beurkundete Vertrag bei ihr vorliegt. Dann erlischt es. Heißt: Nach drei Monaten wäre Schumachers Problem automatisch gelöst.
Also einfach warten und alles halb so wild? Dazu sagt er: „Mich irritiert, dass die Stadt es in anderthalb Monaten nicht schafft, ein Verfahren aufzusetzen, das klärt, ob ein Denkmal vorliegt oder nicht, und ob sie es kaufen will oder nicht.“
Wer übernimmt möglichen Schaden?
Ihn koste das Geld. Schumacher fragt sich, wer dafür aufkommt. Dazu sagt die Verwaltung: „Die Stadt wird kurzfristig Möglichkeiten erarbeiten, die dazu beitragen, dass ein wirtschaftlicher Schaden möglichst vermieden wird. Die gesetzliche Regelung einer Drei-Monatsfrist bildet nach derzeitigen Erkenntnissen einen guten Kompromiss zwischen privaten und öffentlichen Interessen.“
Heißt: Die Stadt kann sich vorstellen, die drei Monate auszuschöpfen. Laut Gesetz darf sie es ja. Schumacher muss möglicherweise warten. Dazu sagt er: „Ich erwarte umgehend eine Lösung, weil ich ja mit meiner Bank mit Vorlauf klären muss, ob ich einen höheren Kredit bekomme oder nicht. Das geht nicht von jetzt auf gleich.“
Ohnehin war das neue Denkmalschutzgesetz umstritten, auch zahlreiche Denkmalschützer lehnten es aus vielen Gründen ab. Zu den Problemen mit dem Vorkaufsrecht sagt beispielsweise Steffen Skudelny, Vorstand der Deutschen Stiftung Denkmalschutz: „Die Verunsicherung zeigt ein Stück weit, dass das Gesetz nicht in allen Konsequenzen zu Ende gedacht worden ist.“
Tewes: "Drei Monate für nix"
Und Thomas Tewes, Hauptgeschäftsführer des Kölner Haus- und Grundbesitzervereins, sagt: „Da wird drei Monate für nix eine Warteschleife eingelegt. Es ist auch Unfug, dass der Staat den Besitzern nicht zutraut, sich gut um ein Denkmal zu kümmern und sich ein Vorkaufsrecht sichert.“
In der Kölner Verwaltung bewegt sich nun aber etwas, möglicherweise verzichtet sie generell auf ihr Vorkaufsrecht. Sie teilt dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ mit: „Die Stadtverwaltung prüft derzeit die Vor- und Nachteile einer zeitlich oder inhaltlich eingeschränkten oder auch umfassenden Verzichtsmöglichkeit.“ Diese Möglichkeit eines generellen Verzichts hat das Land am Freitag ebenfalls genannt.
Verwunderung über Land NRW
Und das Land hat grundsätzlich mitgeteilt: „Es geht bei dieser Regelung nicht darum, bei allen möglichen Verkaufsfällen die Untere Denkmalbehörde einzuschalten, um sich erklären zu lassen, ob ein Gebäude eventuell ein Denkmal werden könnte oder ob unter einem Gebäude beziehungsweise unterhalb der Bodenoberfläche sich eventuell Bodendenkmäler befinden. (…) Abzufragen sind nur Verkaufsfälle, in denen Grundstücke mit tatsächlich unter Denkmalschutz stehenden Bau- und/oder Bodendenkmälern betroffen sind.“
Nur: Woher sollen die Notare das wissen? Ein Experte sagt: „Dann hätten sie das Gesetz anders formulieren sollen.“ Franz Schumacher jedenfalls wartet weiter auf die Stadt und ihre Antwort.