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Solidarisches MiteinanderNS-Dok arbeitet gegen Antisemitismus in Kölner Schulen

Lesezeit 3 Minuten

Stefan Hößl und Patrick Fels (r.)

Köln – Junge Jüdinnen und Juden erleben in Köln Anfeindungen und Mobbing. Beispiele dafür hatten die Verantwortlichen eines neuen Arbeitsbereichs im NS-Dokumentationszentrum sofort parat. Etwa die Geschichte von Julian, der nicht wirklich so heißt: Abends in der U-Bahn erspähen andere Fahrgästen die Kippa auf seinem Hinterkopf. Sie beschimpfen ihn: „Scheißjude, und vieles mehr. Da hatte ich Angst“, wird Julian zitiert.

Der Hitlergruß auf Klassenfahrt, Whats-App-Sticker, die an menschenverachtende Karikaturen „in bester Stürmer-Manier“ erinnern und im Klassenchat geteilt werden – Juden, die abwertend auf ihren Glauben reduziert werden: Antisemitismus ist Alltag, auch in Kölner Schulen.

Neues Programm im NS-Dok

Dagegen will das NS-Dok mit einem neuen Programm angehen, das bei der Info- und Bildungsstelle gegen Rechtsextremismus angesiedelt ist. Die Mitglieder des Stadtrats haben beschlossen, dafür eine zusätzliche Stelle aus dem städtischen Haushalt zu finanzieren.

„Zu all den Reden wollen wir etwas Konstruktives hinzufügen“, sagt Werner Jung, Historiker und Direktor des NS-Dok bei der Vorstellung am Dienstag. Zuletzt nach dem Anschlag in Halle habe sich gezeigt, dass die deutsche Gesellschaft nach Antworten suche auf Fragen zum Ursprung von und Umgang mit Antisemitismus. Das neue Programm sei als Beitrag zu dieser Suche zu verstehen. „M²: Mittendrin und miteinander“ hat das Team als Titel gewählt. „Wir bieten an, was wir können: Bildung“, sagt Jung.

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Zwei Mitarbeiter teilen sich die neue Stelle. Stefan Hößl und Patrick Fels haben verschieden lange Unterrichtseinheiten entwickelt, die sie an Schulen, mit Vereinen, Initiativen und Verbänden durchführen wollen. In den mindestens dreistündigen Einheiten erörtern sie Fragen wie: Wie erkenne ich antisemitische Äußerungen? Was mache ich, wenn Juden in meiner Umgebung angegriffen werden? Wo ist die Grenze zwischen legitimer Kritik am israelischen Staat und israelbezogenem Antisemitismus? Warum sind Rassismus und Antisemitismus nicht zu trennen?

„Wir wollen die Normalität jüdischen Lebens herausstellen“

Auch Verschwörungstheorien und den vermeintlich einfachen Erklärungen, die im Internet rasant verbreitet werden, widmen sie sich. „Wir wollen sensibilisieren und für ein solidarisches Miteinander werben“, sagt Fels, dem der Bezug auf ein positives Ziel wichtig ist.

Workshops anfragen

Lehrer, politische Initiativen und Vertreter von Institutionen können sich per E-Mail an die Mitarbeiter des NS-Dok wenden und die Workshops für ihre Einrichtungen oder für Multiplikatoren anfragen.

mhochzwei@stadt-koeln.de

www.ns-dok.de/mhochzwei

Ihnen fiel während der Planung auf, dass Unterrichtsmaterialien fehlten, die ihren Ansprüchen genügten. Deshalb haben sie Interviews aufgezeichnet mit sieben jungen Kölnern, die eine jüdische Identität verbindet, die aber außerdem so vielfältige Interessen haben wie alle anderen Menschen auch. „Wir wollen die Normalität jüdischen Lebens herausstellen. Das fehlt in Deutschland“, sagt Fels. Jüdisch sein, heiße mehr als NS-Geschichte, Holocaust und israelische Politik. Nicht nur die Namen der Gesprächspartner haben Fels und Hößl verändert, auch die Altersangaben mussten modifiziert werden. Die Interviews gibt es ohnehin nur zu hören. Zu einer Videoaufzeichnung war keiner der befragten jungen Kölner Juden bereit.