Obdachloser fast getötetBewährung und Sozialstunden für Kölner Jugendliche
Köln – Zehn Monate Haft auf Bewährung wegen schwerer Körperverletzung, dazu Sozialstunden. So lautete am Mittwoch im Amtsgericht das Urteil gegen den Jugendlichen aus Weidenpesch, der im April 2019 den Obdachlosen Jean-Pierre M. (71) mit einem Tritt gegen den Kopf attackiert und damit fast getötet hatte. Ein Komplize, der ebenfalls zugetreten hatte, erhielt eine Verwarnung.
Täter sollen Streit nicht gesucht haben
Die Tat wurde auf einem Video festgehalten, das sich rasch verbreitet hatte. Die Aufnahmen zeigen den Obdachlosen, wie er auf die Jugendlichen zugeht, Beleidigungen sollen gefallen sein. Dann folgte eine Art Karate-Kick des Haupttäters. Der Senior fiel nach hinten, krachte mit dem Hinterkopf auf den Asphalt. Dann trat der zweite Jugendliche dem Schwerverletzten noch gegen das Bein.
Das vermeintlich milde Urteil dürfte auch damit zu erklären sein, dass am Tattag offenbar nicht die Jugendlichen den Streit gesucht haben sollen, sondern das Opfer hier die treibende Kraft gewesen sein soll. „Es ist festgestellt worden, dass es bereits im Vorfeld zu Konflikten mit diversen Jugendlichen gekommen ist“, sagt Gerichtssprecher Maurits Steinebach auf Anfrage.
Diverse Einsätze der Kölner Polizei
Es soll in der Vergangenheit zu diversen Polizeieinsätzen im Zusammenhang mit Jean-Pierre M. gekommen sein. Eine Zeugin berichtete von wüsten Beschimpfungen auch gegenüber Personen, die dem Obdachlosen wohlgesonnen gewesen seien. Auch Täter und Opfer kannten sich. Eine Woche vor der Tat soll der Senior Familienangehörige des Hauptangeklagten mit Flaschen beworfen haben.
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Dass all das den Angriff auf der Neusser Straße natürlich nicht rechtfertigt, schlägt sich jedoch ebenfalls im Urteil nieder. So nahm Richterin Annika Hausherr eine Schwere der Schuld an. Daher konnte nach Jugendstrafrecht eine Haftstrafe verhängt werden, die wiederum zur Bewährung ausgesetzt wurde. Schädliche Neigungen wurden indes nicht festgestellt. Die beschuldigten Schüler waren nicht vorbestraft und auch hinterher nicht mehr aufgefallen.
Sozialstunden sollen in Pflegeheim abgeleistet werden
Die Angeklagten hatten die Vorwürfe eingeräumt und ihr Handeln bedauert. Jean-Pierre M. hatte durch die Tat eine Hirnblutung erlitten, lag im Koma. Heute lebt er in einem Pflegeheim und kann nicht mehr sprechen. Möglich erscheint, dass die Angeklagten, die zum Tatzeitpunkt 15 Jahre alt waren, sich in Zukunft an den Kosten von Heilbehandlung und Pflege beteiligen müssen.
Die 30 Sozialstunden, die beide Täter erhielten, sollen diese nach dem Wunsch der Richterin in einer Pflegeeinrichtung für alte oder behinderte Menschen ableisten. Das Jugendstrafrecht zielt auf den Erziehungsgedanken, eine Sanktion soll eigentlich relativ schnell erfolgen. Aufgrund weitreichender Zeugenbefragungen und der Corona-Lage hatte sich der Prozessbeginn zuletzt mehrfach verzögert.