Viele Frauen betroffenObdachlosigkeit in Köln um 25 Prozent gestiegen
Köln – Die junge Frau hatte lange zu ihrem Mann gehalten, doch die Situation zu Hause wurde immer unerträglicher. Der Mann, der seinen Job verloren hatten, beschimpfte die Mutter eines kleinen Kindes immer öfter und irgendwann schlug er auch zu. Mehrmals musste die Polizei nach dem Rechten sehen, bis die Frau schließlich einwilligte, in ein Frauenhaus zu ziehen. Anne Rossenbach vom Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) erzählt diese Geschichte, die nur eine von 2701 ist.
2701 ist die Zahl der Frauen, die laut dem jüngsten Bericht zur „Situation wohnungsloser und von Wohnungslosigkeit bedrohter Frauen in der Stadt Köln“ (2017) betroffen sind. Insgesamt gelten dem Papier zufolge 6037 Menschen als obdachlos – knapp 25 Prozent mehr als noch 2016. Statistisch erfasst werden dabei Menschen, die keinen eigenen Mietvertrag besitzen und durch die Stadt oder Wohlfahrtsverbände etwa in Sozialhäusern oder Projekten wie „Viadukt“ untergebracht wurden. Die Zahl der Menschen, die komplett auf der Straße leben, ist schwer zu erfassen und wird von Experten auf einige Hundert geschätzt. Der Anstieg um knapp 1200 Menschen resultiert nach Angaben der Stadt zu einem guten Teil aus anerkannten Flüchtlingen, die keine Wohnung finden.
45 Prozent der Obdachlosen sind Frauen
45 Prozent der als wohnungslos geltenden Menschen sind Frauen. Der Bericht macht vor allem zwei Gründe aus, warum Frauen ihr zu Hause verlieren: Häusliche Gewalt und strukturelle Benachteiligungen auf dem Arbeitsmarkt, die verantwortlich dafür sind, dass Frauen über weniger Einkommen und Ersparnisse verfügen als Männer. Wer aber weniger Rücklagen bilden kann, landet schneller auf der Straße, wenn weitere Probleme hinzukommen, so SkF-Sprecherin Rossenbach. „Das ganze Leben fliegt dann auseinander.“
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Ratsherr Jörg Detjen (Linke) fordert, dass die Stadt auf den Bericht reagiert: „Ein Viertel mehr Obdachlose im letzten Jahr – diese Entwicklung dürfen wir nicht hinnehmen.“ Seine Kollegin Hamide Akbayir verlangt mehr Unterkünfte, deren Plätze Frauen vorbehalten sind. Denn Frauen scheuten Notunterkünfte, die sie mit Männern teilen müssen – aus Angst vor Gewalt. Michael Paetzold (SPD), Vorsitzender des Sozialausschusses, betont: „Die Entwicklung ist sehr bedenklich, auch weil die Mietpreise immer weiter explodieren.“ Auch Marion Heuser (Grüne) kritisiert dies. Ursula Gärtner (CDU) sieht die Stadt mit seinem Hilfssystem gut aufgestellt: „Keiner muss hier auf der Straße schlafen.“ Besonders der Einsatz von Streetworker habe sich bewährt.
Mitte 2017 hatte die Stadt mit Wohlfahrtsverbänden und dem Landschaftsverband die Angebote durch Streetworker erweitert. In der zweiten Jahreshälfte wurde zu 431 Menschen Kontakt aufgenommen, 267 lebten vollständig auf der Straße.