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„Viel Zustimmung, viel Ablehnung“Oberfinanzdirektion wird zur Flüchtlingsunterkunft

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Der Beigeordnete für Soziales, Gesundheit und Wohnen, Dr. Harald Rau bei der Info-Veranstaltung in der Agneskirche zum Umbau der Oberfinanzdirektion  zur einer Unterkunft für Geflüchtete.

Sozialdezernent Harald Rau bei der Info-Veranstaltung in der Agneskirche zum Umbau der Oberfinanzdirektion.

Kritische Stimmen aus dem Publikum nannten die Info-Veranstaltung Augenwischerei.

„Viel Zustimmung, viel Ablehnung“ – dieses Fazit zog Moderator Cengiz Yilidrim am Ende der Veranstaltung, mit der die Bezirksregierung Köln am Mittwochabend über den Umbau der ehemaligen Oberfinanzdirektion an der Riehler Straße zu einer Unterkunft für Geflüchtete informierte. Das Interesse war groß, kaum ein Platz blieb frei in der Agneskirche; die Warteschlange der Leute, die sich am offenen Mikrofon äußern konnten, riss lange nicht ab.

Wegen des anhaltenden Zustroms von Flüchtlingen hätten sich die Landesregierung und die kommunalen Spitzenverbände darauf verständigt, die Aufnahmekapazitäten zu erweitern, sagte Sigrun Köhle, Abteilungsleiterin im Dezernat 20 der Bezirksregierung, das für die Unterbringung von Geflüchteten zuständig ist. In Köln kommt hinzu, dass Ersatz geschaffen werden muss für die Unterkunft an der Schönhauser Straße, für die der Mietvertrag zum Jahresende ausläuft; dort wohnen aktuell 800 Geflüchtete.

Sieben: Geflüchtete bleiben dort nur ein bis zwei Wochen

Der Gebäudekomplex der Oberfinanzdirektion, der seit 2021 leer steht, setzt sich aus dem denkmalgeschützten Altbau, dem Hochhaus und der früheren Kantine zusammen. Für die Unterbringung von Flüchtlingen will die Bezirksregierung nur Altbau und Kantine in Anspruch nehmen. Zurzeit sei man im Stadium der Entwurfsplanung, sagte Philipp Sieben vom Dezernat 20. Der Umbau solle im vierten Quartal dieses Jahres beginnen; die Inbetriebnahme sei für Januar 2026 vorgesehen. Die Nutzung als Erstaufnahmeeinrichtung ist auf zehn Jahre begrenzt.

Die Geflüchteten würden dort nur ein bis zwei Wochen bleiben, sagte Sieben. Sie würden betreut, versorgt, ärztlich untersucht, in Beratungen mit hiesigen Gepflogenheiten vertraut gemacht, Asylverfahren würden eingleitet. Danach wechselten die Menschen in Zentrale Unterbringungseinrichtungen. Zu den Vorteilen für die Kommune gehöre, dass weder Kita- noch Schulplätze in Anspruch genommen würden und die Zahl der Plätze auf die Flüchtlingsaufnahmequote angerechnet werde. Die Bezirksregierung engagiere einen Sicherheitsdienstleister, und das „Umfeld-Management“ sehe Ansprechpartner für die Belange der Nachbarschaft vor.

Kritik und Misstrauen von Seiten des Publikums

Wiederholt wurde Kritik laut, die Veranstaltung sei Augenwischerei: Es sei alle längst entschieden, die Anwohner würden vor vollendete Tatsachen gestellt. „Sie wollen Akzeptanz in der Bevölkerung und erreichen genau das Gegenteil“, sagte jemand. Man befinde sich im Stadium der „Entwurfsplanung“, entgegnete Sieben, die letzte Entscheidung sei mitnichten gefallen. Misstrauen knüpfte sich daran, dass mal von 500, dann wieder von 700 Plätzen die Rede ist. Sigrun Köhle erklärte den Unterschied damit, die höhere Zahl sei angesetzt, um Flexibilität bei der Unterbringung zu haben; nicht immer ließen sich alle Plätze belegen. So oder so – vielen Anwohnern ist die Einrichtung zu groß. Eine „Massenunterkunft“, vorwiegend bewohnt von allein reisenden Männern, werde mitten in ein Wohngebiet gesetzt, ein „Hochsicherheitstrakt“. Eine Frau mahnte an: „Das ist ein angenehmes, ruhiges Wohngebiet. Sie sind verpflichtet, es zu erhalten.“ Ein älterer Mann ging so auf die Lage ein: „Flüchtlinge sind eine Realität in unserem Land, wir kriegen sie nicht weg, und sie sind für uns alle ein Last“, sagte er und fuhr fort: „Wir im Agnesviertel sind privilegiert und würden es gerne bleiben, aber die Gerechtigkeit erfordert es, dass unser wohlsituiertes Viertel einen Teil der Last übernimmt.“

Viele weitere Aspekte kamen zur Sprache. Warum wird das Hochhaus nicht genutzt? Weil sich der Zuschnitt der Büroräume nicht eigne, so Köhle. Reichen die Freiflächen auf dem Gelände aus? Sieben: „Wir sperren die Menschen nicht ein“, sie dürften sich frei bewegten. Wird es Konflikte geben, weil der Drogenhotspot Ebertplatz in der Nähe liegt? Kölns Sozialdezernent Harald Rau sagte, er habe Verständnis für diese Sorge. Vielfach wurde die Flüchtlingsunterkunft in Mülheim-Raadt als negatives Beispiel beschworen. Nach Beschwerden über Lärm und Müll hat die Bezirksregierung Düsseldorf entschieden, die Zentrale Unterkunftseinrichtung dort zu schließen. Köhle hob für den Regierungsbezirk Köln hervor: „Wir haben keine großen Probleme.“ Rau ergänzte, nach bisheriger Erfahrung seien Flüchtlingsunterkünfte keine „Herde von außerordentlicher Kriminalität“. Er verstehe die Ängste und nehme sie ernst, sagte er, zugleich sei er überzeugt, dass es in Köln weiterhin gelinge, die „Menschen in Not“ zu versorgen.