Vergewaltigungs-Opfer zur Täterin gemacht?Anwältin attackiert Kölner Ermittler
Köln – Als Jana K. (30, Name geändert) den Saal 216 des Kölner Landgerichts betritt, zittert sie am ganzen Körper. Die Atmung schwer, der Kopf knallrot. „Wie geht’s?“, fragt der Richter. „Bescheiden“, ist die Antwort und das scheint völlig untertrieben. Die Angestellte sieht sich als Opfer einer Vergewaltigung. Doch an diesem Tag ist sie die Angeklagte. Sie soll den Mann, den mutmaßlichen Täter, zu Unrecht beschuldigt haben, so die Staatsanwaltschaft. Das ganze Verfahren gerät zur Posse und sollte nun in der Berufungsverhandlung ein seltsames Ende finden.
Verteidigerin kritisiert Staatsanwaltschaft: „Sauerei“
Eine Wohnung in Köln, in einer Dezembernacht: Während seine Lebensgefährtin nebenan schläft, soll sich ein Produktionshelfer deren Freundin Jana K. zugewendet haben, die ebenfalls schlafend auf der Couch lag. Bei der Polizei spricht er von einvernehmlichen Sex, sie von Vergewaltigung. Nach einer Zeugenaussage der Lebensgefährtin, die Teile des Geschehens beobachtet hatte, und weiteren Ermittlungen, wird das Verfahren gegen den Mann mangels Tatverdachts eingestellt. Abfinden will sich Jana K. damit nicht, mit Hilfe ihrer Anwältin legt sie Beschwerde gegen die Einstellung ein.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg, im Gegenteil. Auf einmal ist Jana K. die Beschuldigte, die Staatsanwaltschaft klagt sie wegen falscher Verdächtigung an. Ein Vorgang, den Verteidigerin Funda Bicakoglu offen als „Sauerei“ bezeichnet. Zumal jüngst selbst der amtierende NRW-Justizminister Peter Biesenbach (CDU) mutmaßliche Opfer von Gewaltdelikten dazu ermuntert habe, gegen Einstellungen seitens der Staatsanwaltschaft vorzugehen, sagt Bicakoglu. Ihre Mandantin, die sich als Opfer fühlt, sei hier völlig ohne Not zur Täterin gemacht worden.
Angeklagte bereits in erster Instanz freigesprochen
Bicakoglu kritisiert weiter, ihre Mandantin sei mit „massivster Energie“ verfolgt worden, spätestens nach einem Freispruch in erster Instanz hätte die Staatsanwaltschaft einlenken können, einlenken müssen. Das Amtsgericht hatte festgestellt, dass die Angeklagte den Mann zumindest nicht wissentlich falsch der Vergewaltigung verdächtigt habe. Womöglich spielten verschiedene Wahrnehmungen des Geschehens eine Rolle. Die Staatsanwaltschaft will sich mit dem Freispruch allerdings nicht abfinden und legt Berufung ein. Daher kommt es erneut zum Prozess.
Bei einer ersten Berufungsverhandlung im Dezember regt der Vorsitzende Richter Thomas Quast bereits an, die Staatsanwaltschaft solle die Berufung zurücknehmen. Er habe die Akten studiert und sehe Anhaltspunkte, dass Jana K. bei ihrer Anzeige bei der Polizei nicht wissentlich gelogen habe, also unschuldig sei. Auch sei sie augenscheinlich schwer traumatisiert. Die anwesende Vertreterin der Staatsanwaltschaft will sich aber nicht dazu durchringen, den Freispruch aus erster Instanz zu akzeptieren, schließlich habe ja nicht sie, sondern eine Kollegin die Anklage verfasst.
Richter und Staatsanwältin mit außergewöhnlicher Vereinbarung
Richter Quast vertagt den Prozess, er kündigt ein Gespräch mit der ursprünglichen Anklageverfasserin, Staatsanwältin Elena Oswald, an und will mit ihr über eine mögliche Beendigung des leidigen Verfahrens reden. In einem dann folgenden Telefonat einigen sich Richter und Staatsanwältin schließlich auf einen außergewöhnlichen Deal. Oswald will die Berufung offenbar nur dann zurücknehmen, wenn der Hauptzeuge bei einem neuen Gerichtstermin die Aussage verweigert. Das Recht dazu hätte er, da er früher als Beschuldigter geführt war.
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Die erneute Verhandlung im Landgericht gerät zur Farce, als der Zeuge plötzlich doch aussagen will, trotz des Hinweises des Richters, er müsse nichts sagen, da er sich womöglich selbst belasten könnte. Richter Quast wird daraufhin deutlich, er schaut dem Zeugen tief in die Augen und sagt: „Ich werde Ihnen hier richtig auf den Zahn fühlen, wenn Sie aussagen.“ Staatsanwältin Oswald sprach ebenfalls das Risiko für den Zeugen an, dass die Ermittlungen wegen Vergewaltigung gegen ihn wieder aufgenommen könnten, je nachdem, was er nun sagen wolle.
Freispruch für die Angeklagte wird rechtskräftig
„Sie müssen hier nicht aussagen“, heißt es auf einmal von drei Seiten, denn auch Verteidigerin Bicakoglu beteiligt sich eifrig daran, auf den Zeugen einzuwirken. Der Mann gibt auf: „Dann möchte ich nichts mehr sagen.“ Da ist ihm Richter Quast auf einmal wieder freundlich gesonnen: „Dann wünsche ich einen guten Tag, ich denke, Sie haben die richtige Entscheidung getroffen.“ Staatsanwältin Oswald nimmt danach die Berufung zurück und sagt sichtlich erleichtert: „Der Zeuge sagt aus guten Gründen nichts mehr, daher können wir das nicht mehr aufklären.“
Damit wird der erstinstanzliche Freispruch für Jana K. rechtskräftig, man sieht förmlich, wie eine tonnenschwere Last von ihr abfällt. Warum die Staatsanwältin, die offensichtlich gar kein Interesse mehr an einer Strafverfolgung der Angeklagten hatte, nicht bereits im Vorfeld dem Freispruch zugestimmt hat, sagt sie bei der Verhandlung nicht. Verteidigerin Bicakoglu bringt es danach auf den Punkt: „Diesen Termin hätte man sich sparen können.“ Gerade im Hinblick auf die Mandantin, denn die habe abermals den Anblick ihres mutmaßlichen Peinigers ertragen müssen.