„Hövi-Land“Kölner Pfarrer Franz Meurer für jahrelanges Engagement geehrt
Köln – „Jeder Beitrag zählt“, sagt Pfarrer Franz Meurer. Der Beitrag jedes Einzelnen zu einer Gemeinschaft, ob für eine Gruppe, eine Gemeinde oder die Gesellschaft. Zuerst andere für zuständig zu halten, das führe nicht weiter. Die entscheidende Frage sei: „Wer kann welchen Beitrag leisten?“ Die Bedeutung der „Kommunion“ fasst der Priester denkbar weit, als Gemeinschaft, Zusammenhalt, Teilhabe aller Menschen. Entsprechend interpretiert er das Wort „kommunal“ in dem Sinne, dass Menschen sich als zugehörig, ja wertgeschätzt erleben und motiviert sind mitzuwirken.
Für sein vielfältiges soziales Engagement zeichnet ihn der Landschaftsverband Rheinland an diesem Montag mit dem Ehrenring des Rheinlandes aus. Er wird an Personen vergeben, die sich „in besonderer Weise um den Gedanken der kommunalen Selbstverwaltung verdient gemacht haben“. So, wie Pfarrer Meurer das „Kommunale“ versteht, ist er, obwohl kein Politiker, zweifellos ein geeigneter Preisträger.
„Ich nehme die Auszeichnung an, weil geehrt wird, was hier passiert“, sagt er. Und es passiert viel in der Kirchengemeinde St. Theodor und St. Elisabeth in Vingst und Höhenberg, die in einem sogenannten Problemviertel liegt. Rund 26.000 Menschen leben dort; 42 Prozent der Kinder sind von Armut betroffen, 28 Prozent der Familien überschuldet, der Ausländeranteil ist besonders hoch. Bei allem, was auf Initiative des Pfarrers „passiert“, spielt die Eigenverantwortung eine große Rolle. Ein Beispiel ist „Hövi-Land“: Für die jährlichen, mit der evangelischen Gemeinde organisierten Ferienfreizeiten für rund 600 Kinder werden Jugendliche zu Leitern ausgebildet. „Das ist ein Beitrag zur Persönlichkeitsentwicklung“, so Meurer. „Dadurch lernen sie, wie Demokratie geht.“
Ein weiteres Beispiel ist der Keller unter St. Theodor, der mit Kleiderkammer, Fahrradwerkstatt und Essenausgabe als soziale Einrichtung dient. Für jeden Bereich sind freiwillige Helfer selbstverantwortlich zuständig. Jeder leistet im Sinne der Selbsthilfe den Beitrag, den er zu leisten imstande ist. Das entspricht dem Subsidiaritätsprinzip der katholischen Soziallehre.
Fokus auf Eigeninitiative
Solche Wörter nimmt der Pfarrer nicht in den Mund, wenn er übersprudelnd über weitere Beispiele dafür spricht, wie sich in Eigeninitiative etwas bewegen lässt, vom Angebot an Jugendliche, einen Gabelstapler-Führerschein zu machen, über die Bepflanzung von Beeten im öffentlichen Straßenland bis zur Anbringung von leuchtenden Weihnachtssternen an Laternen. Schließlich gehe es auch um Schönheit, betont der Pfarrer: „Wo es arm ist, darf es nicht ärmlich aussehen.“
Bedarf zu handeln gebe es an allen Ecken und Enden; und die Sozialausgaben schrumpften. Als Beispiel erwähnt er, dass an zwei Grundschulen das „Schulobst“ weggefallen sei. Schon war er zur Stelle, um mit Spenden Abhilfe zu schaffen; die Hälfte hat er zusammen. Überhaupt: die Spenden. Ohne sie ginge es nicht, und Meurer ist versiert darin, sie einzutreiben. Das hat ihm im Jahr 2015 den Deutschen Fundraising-Preis für „besondere Leistungen bei der Mittelbeschaffung für gemeinnützige Zwecke“ eingebracht.
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Ebenso notwendig ist das Netzwerk von Menschen, die ihn unterstützen. „Nur dann, wenn man Leute hat, die brennen, bringt man etwas in Bewegung“, sagt er. Die „Kommunion“ sieht er in Gefahr: „Wenn man alles kapitalisiert, geht die Demokratie kaputt.“
Wohin es führt, wenn immer mehr Menschen abgehängt werden, könne man in Frankreich beobachten, wo seine Schwester lebt: Massenproteste der „Gelbwesten“ und starker Zulauf zum Front National. Es sei die Folge davon dass die „untere Mittelschicht“ unter Druck gerate und von Abstiegsangst geplagt werde. Stets gelte es, „von den Leuten her zu denken“. Und so viele wie möglich einzubeziehen. Deshalb hat es Tradition, dass in der Gemeinde vor Weihachten eine multireligiöse Feier stattfindet.
Bei allem folgt Meurer seiner Lieblingsdevise: „Nix es esu schlääch , dat et nit för jet jot es.“ Nichts ist so schlecht, dass es nicht für etwas gut ist.
Erster Alternativer Ehrenbürger
Franz Meurer (67) ist seit 1992 Pfarrer der katholischen Kirchengemeinde St. Theodor und St. Elisabeth in Vingst und Höhenberg. Aufgewachsen ist er in der Bruder-Klaus-Siedlung in Mülheim. Nach dem Abitur am Hölderlin-Gymnasium studierte er katholische Theologie und Sozialwissenschaften. 1978 wurde er zum Priester geweiht. Bis 1982 war er Kaplan an St. Agnes, danach an St. Kosmas und Damian in Pulheim und schließlich Kreis-Jugendseelsorger im Rhein-Sieg-Kreis. 2002 wurde er der erste „Alternative Ehrenbürger“ Kölns.
Der Ehrenring des Rheinlandes ist die höchste Auszeichnung, die der Landschaftsverband Rheinland (LVR) verleiht. Beim Festakt im LVR-Haus in Deutz hält Anne Henk-Hollstein, Vorsitzende der Landschaftsversammlung Rheinland, die Laudatio. Mehr als 160 Gäste werden erwartet, darunter Kardinal Rainer Woelki und LVR-Direktorin Ulrike Lubek.