Nach Unfällen mit SchwerverletztenKölner Polizei ist offen für Verbot von E-Scootern
Köln – Kopenhagen hat es getan, Mailand auch, Montréal ebenso – wegen hoher Unfallzahlen und kreuz und quer herumliegender Roller haben die Metropolen E-Scooter entweder komplett oder in zentralen Vierteln von ihren Straßen verbannt. Auch in Köln fordern Porzer Stadtteilpolitiker ein Verbot zumindest für das rechtsrheinische Veedel. Nun hat sich auch die Polizei zu dem Thema positioniert: Einem Verbot von Mietrollern in Köln wäre die Behörde nicht abgeneigt.
Martin Lotz, Leiter der Direktion Gefahrenabwehr/Einsatz sagte dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ auf Anfrage, der „auf Vernunft basierende Gestaltungsspielraum“ für sicheres E-Scooter-Fahren werde kleiner. „Als letzte Möglichkeit, um schwere Unfälle zu verhindern, ist die Forderung nach einem Nutzungsverbot, das sich auf kritische Zonen und kritische Zeiten beschränkt, aus polizeilicher Sicht nachvollziehbar.“ Ein solches Verbot zu fordern sei allerdings nicht Aufgabe der Polizei, sondern der Verkehrspolitik.
Fünf Unfälle mit sechs Schwerverletzten
Zu Wochenbeginn hatte die Polizei über fünf Unfälle in Köln mit sechs schwer und neun leicht verletzten Mietroller-Fahrern allein am Samstag und Sonntag berichtet. In allen Fällen waren die Beteiligten ohne Fremdeinwirkung gestürzt, zehn der insgesamt 15 Verletzten waren alkoholisiert. Ein 43-jähriger Essener kam nach einem Sturz auf der Zülpicher Straße mit Hirnblutungen ins Krankenhaus, er hatte 1,8 Promille Alkohol im Blut.
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Eine 49-jährige Kölnerin wurde nach einem Sturz auf der Severinstraße mit Kopf- und erheblichen inneren Verletzungen auf die Intensivstation eingeliefert. Ein 34-Jähriger schlug auf der Kreuzung Lindenstraße/Roonstraße auf dem Asphalt auf und verlor mehrere Zähne. Und am Herkulesberg fuhren gleich drei Jugendliche auf einem Roller. Der alkoholisierte Fahrer (16) stürzte und brach sich Knochen im Gesicht.
Polizei verurteilt „desaströses und enthemmtes Verhalten“
„Die Unfälle vom Wochenende spiegeln das desaströse und enthemmte Verhalten derer wider, die alkoholisiert, zu zweit oder sogar zu dritt und entgegen aller Regeln mit E-Scootern auf den Straßen, Rad- und Gehwegen unterwegs sind“, sagte der Leitende Polizeidirektor Lotz. Fußgänger schienen für viele die Hindernisse auf den „Scooter-Slalomstrecken“ zu sein. Im gesamten Mai und Juni registrierte die Polizei in Köln 109 Unfälle unter Beteiligung von E-Scootern, 43 Rollerfahrer wurden verletzt.
Auf der Fahrbahn am Rudolfplatz – so erzählt es ein Polizist – hätten seine Kollegen neulich nachts einen offenbar übermüdeten, möglicherweise zudem betrunkenen Scooterfahrer gesehen, der plötzlich anhielt, erst seinen Arm über den Lenker und dann den Kopf auf den Arm legte und ein Nickerchen hielt – bevor er kurz darauf weiterfuhr. Die Beamten hätten den Mann ziehen lassen müssen, sagt der Polizist, weil im selben Moment zwei andere E-Rollerfahrer entgegen der Fahrtrichtung über den Radweg brausten, die sie angehalten hätten.
„Appelle sind ganz überwiegend unwirksam“
Wer die Miet-Scooter-Fahrer nachts auf den Ringen beobachte, der stelle fest: „Gutgemeinte Appelle sind ganz überwiegend unwirksam“, sagt Polizeidirektor Lotz. Die „gute Zusammenarbeit“ mit den Vermietfirmen und der Stadt habe bei der Verhinderung von Fahrten unter Alkoholeinfluss nicht zum gewünschten Erfolg geführt. „Wo Appelle an die Vernunft und Rücksichtnahme scheitern“, sagt Lotz, „sind Polizei, Vermietfirmen und die Stadt gefordert, um der regelwidrigen Nutzung von Miet-Scootern einen Riegel vorzuschieben.“
Doch wie könnte dieser Riegel aussehen? Ein Komplettverbot in der ganzen Stadt? Oder nur in besonders stark frequentierten Bereichen – und zu bestimmten Zeiten? Zum Beispiel abends und nachts auf den Ringen?
Stadt sieht in Scootern Beitrag zur Verkehrswende
Die aktuelle Rechtsprechung biete den Kommunen die Möglichkeit, das Scooter-Angebot im öffentlichen Raum als Sondernutzung zu behandeln, sagt Stadtsprecher Robert Baumanns auf Anfrage. Diese könne gestattet oder versagt werden, die Zahl der Gefährte könne reguliert werden. Davon sehe die Stadt „derzeit“ allerdings ab. Man wolle zunächst abwarten, wie die Gespräche mit den Vermietfirmen „hinsichtlich Parkverbots-, Abstell- und Ausbringungszonen und anderer Themen“ verliefen, sagte Baumanns – und ob die Nutzer ihr Verhalten zum Wohl der Allgemeinheit und im Sinne des Umweltschutzes änderten. Die Stadt sei „bislang“ der Auffassung, dass das E-Scooter-Angebot einen Beitrag zur Verkehrswende leisten könne.
Das Ordnungsamt greift aber auch jetzt schon ein, erhebt zum Beispiel Verwarngelder von den Vermietfirmen für jeden falsch abgestellten Elektro-Stehroller. Außerdem muss das Fahrzeug unverzüglich beseitigt werden. In einigen Bereichen, zum Beispiel auf der Domplatte oder auf Friedhöfen, gelten bereits „Ausbringungs- und Abstellverbote“. Diese sollen demnächst ausgeweitet werden.
Kopenhagen hat Verbot durchgesetzt, Paris prüft es
Und wie machen es andere Städte? Düsseldorf hat spezielle „E-Scooter-Parkzonen“ eingerichtet, damit die Roller nicht mehr die Gehwege verstopfen. Paris hat die Zahl der Scooter-Anbieter wegen anhaltender Beschwerden aus der Bevölkerung vor einiger Zeit bereits auf drei beschränkt und prüft zurzeit die vollständige Abschaffung aller Tretroller, sollte es auch weiterhin Probleme mit Tempoverstößen und falsch abgestellten Fahrzeugen in der Stadt geben.
Nach mehr als 300 Unfällen in einem Jahr mit Beteiligung von E-Scootern hatte Kopenhagen im Vorjahr die Reißleine gezogen und das Mieten und Abstellen der Roller in den meisten Stadtteilen verboten. Ein Mitglied des Stadtrats bezeichnete herumliegende Roller zudem als „extrem schwierig“ für ältere Passanten. Im kanadischen Montréal waren es nicht einmal die Unfälle (es gab kaum welche), die nach einer mehrmonatigen Pilotphase zu einem Verbot führten, sondern das „Chaos“, das einem Stadtsprecher zufolge falsch abgestellte Scooter und rasante Fahrer auf den Gehwegen und Straßen angerichtet hatten.
In Köln sorgte zuletzt die Nachricht für Aufsehen, dass hunderte Miet-Scooter auf dem Grund des Rheins liegen. Auslaufende Batterien stellen Naturschützern zufolge eine Umweltgefahr dar. Daher sollen die Roller möglichst bald geborgen werden, aber wann und vom wem steht noch nicht fest.