Köln – Seckin Caglars Leiche lag an einem Oktobermorgen 1991 an einem Feldrand nahe der A4 in Poll. Wahrscheinlich war die 16-Jährige ein Zufallsopfer, das der Täter am Abend zuvor an der abgelegenen damaligen Straßenbahnhaltestelle „Poll – Autobahn“ abgepasst, anschließend vergewaltigt und ermordet hat.
Bis heute hat die Polizei keine Spur, wer die junge Kauffrau auf ihrem Heimweg von der Arbeit umgebracht hat. Aber die Ermittler haben die Hoffnung, des Täters irgendwann doch noch habhaft zu werden. Immer wieder, berichtet Mordkommissions-Leiter Markus Weber, seien in den vergangenen Jahren in der Siedlung Speichelproben genommen worden. „Die Möglichkeiten, DNA-Proben abzugleichen, sind heute wesentlich besser als früher. Womöglich bekommen wir durch die Analyse der Anhaftungen an der Leiche irgendwann einen Treffer“, sagt Weber.
Weil Morde wie dieser nicht verjähren und die Hinterbliebenen womöglich auch Jahrzehnte später ein Interesse an der Aufklärung haben, rollt die Kölner Polizei nun einige ungeklärte Mordfälle neu auf. Insgesamt 195 Fälle von 1970 bis 2015 aus ihrem Zuständigkeitsbereich hat die Polizei Köln dieser Tage an das Landeskriminalamt (LKA) gemeldet. Große Teile seines Arbeitstages verbringe er derzeit damit, Akten und Asservate zusammenzustellen, sagt Weber.
„Alle Fälle sollen nochmal überprüft werden. Vielleicht ergibt sich in einigen Fällen nochmal eine neue Spur. Vielleicht traut sich zum Beispiel heute jemand auszusagen, der früher aus Angst geschwiegen hat“, sagt der 59-Jährige. Mehrere ungeklärte Morde seien wohl zum Beispiel im Homosexuellen-Milieu begangen worden. Zeugen hätten sich womöglich vor Jahrzehnten angesichts von Ressentiments noch nicht getraut, sich zu outen, könnten das aber heute tun und wichtige Hinweisgeber sein.
Beim LKA in Düsseldorf sollen künftig 28 pensionierte Kriminalermittler diese „Cold Cases“ aus ganz Nordrhein-Westfalen noch einmal sichten. Wie sich das Innenministerium erhofft, tun sie das mit einem anderen Blick und geben womöglich neue Ansätze an die örtlichen Ermittler weiter. 1160 ungelöste Mordfälle seit 1970 gibt es im Land, die nun aus allen Polizeibehörden digitalisiert nach Düsseldorf geschickt werden. Viel Arbeit also für die „Rentner-Cops“, wie sie auch Weber liebevoll nennt.
60 Tötungsdelikte bearbeitet die Kölner Mordkommission vom Rhein-Erft-Kreis bis nach Oberberg. Manchmal zwei oder drei, manchmal aber auch wenige mehr davon blieben ungelöst, sagt Weber. So wie der „Taximord“ in der Nacht zum 19. Dezember 1999 unter der Severinsbrücke in Deutz, wo Taxifahrer Hüseyin Karakas – offenbar zufällig – Opfer eines Mordes wurde.
Ein Zeuge fand den 56-Jährigen in dessen Taxi mit einer stark blutenden Wunde am Hinterkopf. Wenig später starb der türkische Staatsbürger im Krankenhaus. Wer den Schuss abgegeben hat, ist bis heute nicht geklärt. Die Ermittler gehen wegen eines fehlenden Portemonnaies von einem Raubmord aus. „Es ist belegt, dass zwei Leute in dem Taxi saßen“, sagt Weber. Aber auch von der zweiten Person fehlt jede Spur.