Köln – 600 Euro – so viel kostet eine einzige demolierte Scheibe in einer KVB-Bahn. 600 Euro, bezahlt letztlich von allen Fahrgästen über den Ticketpreis. Diese Zahl nannte Stadtdirektorin Andrea Blome am Montag im Rathaus. Um Respekt im Stadion ging es da, um Fans und Randalierer, aber vor allen Dingen um „friedliche Fußballfeste“. Die jedenfalls postulieren Stadt und Polizei in einer am Dienstag beginnenden Plakatkampagne. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zum Beispiel von Ordnungsamt, AWB, KVB und Polizei werben darauf kurz vor dem Start der Bundesliga-Saison für friedliche Stadionbesuche und gegen Gewalt und Hass im Fußball.
Am Sonntag kommender Woche beginnt die Bundesliga-Saison für den 1. FC Köln mit einem Heimspiel gegen den FC Schalke. Noch haben Stadt und Polizei ihre Einsatzplanungen nicht abgeschlossen, aber wegen der traditionellen Differenzen beider Fanlager kann schon jetzt zumindest eine erhöhte Wachsamkeit der Behörden angenommen werden – womöglich wird die Partie sogar als „Risikospiel“ eingestuft mit dem obligatorischen Alkoholverbot im Stadion und entsprechend großem Polizeiaufgebot. Das gleiche wird auch auf einige andere Partien im Saisonverlauf der Liga und womöglich auch auf Begegnungen mit internationalen Mannschaften gelten.
„Schiedsrichter werden krankenhausreif geschlagen“
Dass es vor, während und besonders nach Fußballspielen Ausschreitungen geben kann, ist nicht neu. Stadtdirektorin Blome sprach aber einen Trend an, den auch viele Experten schon ausgemacht haben: „Die Gesellschaft verroht zunehmend“, sagte Blome. „Das merken die Menschen und haben Angst davor – und diese Sorge ist berechtigt“. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ordnungsamts, der Polizei und Rettungskräfte würden „seit Jahren bespuckt, geschlagen und getreten“, Bürgermeister und Politiker bedroht. Im Fußball spiegelten sich Hass und Verrohung unter anderem durch gewaltbereite Fans wider, die nicht nur die Anhänger andere Clubs einschüchtern oder verletzen wollten, sondern auch Beteiligte wie – in unteren Klassen auch ehrenamtlichen – Schiedsrichter oder Ordner „krankenhausreif“ schlagen.
Gut ein Jahr ist es her, dass kurz vor Abpfiff des Bundesliga-Spiels gegen Schalke auf den Jahnwiesen vor der Südtribüne des Rheinenergie-Stadions FC-Fans randalierten, die kein Ticket bekommen hatten. Bengalos wurden gezündet und geworfen, dutzende Glasflaschen in Richtung der Polizei und anderer Menschen, teils wahllos geschmissen. Mehrere Polizisten und ein Journalist wurden verletzt ins Krankenhaus gebracht. Beatrix, eine Beamtin aus der Polizei-Hundertschaft war an jenem Samstagnachmittag im Einsatz und erlebte „zum ersten Mal, dass wir so massiv mit Flaschen beworfen worden sind“, wie sie sagte. Auch sie, die seit zwölf Jahren in der Bereitschaftspolizei ist, beklagt zunehmend fehlenden Respekt. Beatrix ist eine von neun Köpfen der Plakataktion.
Bahnen müssen bei hüpfenden Fans anhalten
Ihr Behördenleiter, Polizeipräsident Falk Schnabel, sagte bei der Präsentation der Kampagne aber auch, dass „Fußballfeste in Köln nicht per se unfriedlicher sind als in anderen Städten“. Wichtig sei trotzdem, dass sich „die ganze Stadtgesellschaft“ gegen Hass und Gewalt und für friedliche Stadionbesuche einsetze, um „das Sicherheitsgefühl aller Gäste zu steigern“. Schon vor drei Jahren gab es noch unter Schnabels Vorgänger Uwe Jacob Überlegungen, eine solche Kampagne zu fahren. Dann kamen Corona, mehrere Lockdowns, leere Stadien und die Pandemiebekämpfung als vorrangiges Behördenziel, das viele Kräfte bündelte. Nun also ein neuer Anlauf.
Allen Beteiligten sei klar, sagte Schnabel, dass sich die überzeugtesten Hooligans und Randalierer nicht durch Plakate erreichen ließen. Die Zielgruppe sei aber „die große Mehrzahl der Fans, die nicht gewalttätig, sondern friedlich“ sei. Das Ziel der Kampagne lässt sich wohl am ehesten damit zusammenfassen, dass Böllerwerfer nicht mehr bejubelt und beklatscht, sondern ausgebuht und ausgegrenzt werden.
Das soll auch für alle anderen Chaoten gelten, auch auf der An- und Abreise, etwa mit der KVB. Bahnfahrerin Annkathrin – ebenfalls ein Kopf der Plakatkampagne – berichtete am Montag von hüpfenden Fußballfans in der Bahn, wie es vor und nach fast jedem Spiel vorkommt. „Das birgt ein großes Entgleisungsrisiko“, sagte Annkathrin. „Folge ist, dass wir anhalten müssen, bis die Fahrgäste nicht mehr hüpfen.“ Das sorgt dann für Rückstau und frustrierte Fans. Das gleiche gilt für mutwillig geöffnete Türen an Haltestellen. „Dann muss ich mich als 1,70 Meter große Frau durch die Fanmassen in der Bahn quetschen und selbst die Tür schließen. So etwas braucht man wirklich nicht“, sagte sie.