Köln – Die Ereignisse von Freitagnacht waren derart tiefgreifend, dass sich Stadt und Polizei tags darauf bei einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz im Rathaus zu einer deutlichen Ansage gezwungen fühlten. „Allen muss klar sein, dass, wenn Appelle nicht reichen, Jede und Jeder mit der vollen Härte des Rechtsstaats rechnen muss“, sagte die designierte Stadtdirektorin Andrea Blome am Samstag. Die „Aggressivität und Respektlosigkeit“ hätten sie „tief erschüttert und wütend gemacht“. Die stellvertretende Polizeipräsidentin Miriam Brauns sagte: „Wer mit Flaschen auf Polizei und Ordnungsamt wirft, ist kein Pandemie-Freiheitskämpfer, sondern ein Straftäter, der ganz schlicht mit Konsequenzen rechnen muss.“ Solche Sätze sollten Eindruck machen bei jenen, die noch am Vorabend nicht mal eine Polizeihundertschaft beeindruckt hatte.
Gut 1000 Menschen hatten auf der Wiese am Aachener Weiher auf engstem Raum gefeiert, offenbar professionell über soziale Medien organisiert, mit DJ-Pulten ausgestattet und – das war zu riechen und zu hören – unter Drogen- und Alkoholeinfluss stehend. Diese rave-artigen Szenen wollten Polizei und Ordnungsamt gegen 23.45 Uhr beenden. Bei diesem ersten Versuch der Räumung wurden die Ordnungskräfte von Feiernden beschimpft, bepöbelt und mit Flaschen beworfen. Ein Mitarbeiter des Ordnungsamts wurde am Kopf getroffen, ging zu Boden und wurde ins Krankenhaus gebracht. Er ist zunächst nicht dienstfähig. Auch zwei Polizisten wurden durch Flaschenwürfe verletzt. Einer von ihnen ist laut Aussage eines Polizeisprechers wegen einer gebrochenen Hand ebenfalls bis auf weiteres nicht einsatzfähig. Einige Feiernde johlten und jubelten, als die Flaschen flogen.
„Solidarität mit Füßen getreten“
Die Einsatzkräfte zogen sich daraufhin zunächst zurück und warteten auf Verstärkung. Unter ihnen herrschte eine spürbar angespannte und geschockte Stimmung. Die Partys gingen indes weiter. Innerhalb einer Stunde kamen insgesamt 30 Mannschaftswagen der Polizei zum Aachener Weiher. Mit Helmen und Schilden zogen die Beamten langsam abermals in Richtung der Partys. Mehrmals forderten sie die Feiernden per Lautsprecher auf, die Musikboxen auszuschalten und die Wiese zu verlassen. Wenige kamen der Aufforderung nach, die meisten blieben, einige machten lachend Selfies mit der Hundertschaft oder verhöhnten die Beamten.
Als die Polizei schließlich erneut räumte – diesmal aus mehreren Richtungen kommend – flohen Hunderte Feiernde, andere warfen erneut Glasflaschen auf die Polizisten, wieder andere feierten weiter. Die Musikanlage wurde sichergestellt, mehrere Anzeigen geschrieben, Platzverweise erteilt. Ein Mann wurde festgesetzt, nachdem er mit einer Glasflasche auf Polizisten zugerannt war. Brauns sprach am Samstag von „eruptiver Gewalt“. Solidarität und gesellschaftliche Verantwortung seien „mit Füßen getreten worden“.
Jeweils 400 Einsätze in den Nächten auf Samstag und Sonntag
Als Reaktion ging die Polizei am Samstagabend mit der Landesreiterstaffel und einer weiteren Hundertschaft der Bereitschaftspolizei gemeinsam mit dem Ordnungsamt im Grüngürtel vor und löste schon kleinere Ansammlungen mit Musikanlagen frühzeitig auf. Einige Wiesen wurden mit Flutlicht erhellt. Wie am Freitag war die Stadt auch am Samstag voll, es blieb aber weitgehend friedlich. Die Polizei zählte in beiden Nächten zwischen 22 und 6 Uhr je etwa 400 Einsätze – knapp doppelt so viele wie noch vor vier Wochen.
Nach den Vorfällen vom Aachener Weiher forderte indes die Klubkomm, der Interessenverband der Clubs und Veranstalter, in einer Stellungnahme, dass ihnen zeitnah öffentliche Flächen für Veranstaltungen mit Müllentsorgung und Sanitäranlagen angeboten werden, „um ein sicheres und sauberes Feiern an der frischen Luft zu gewährleisten“.
Am Montag nun berät der städtische Corona-Krisenstab über mögliche Konsequenzen. Welcher Art diese sein könnten, ließ die Stadt am Sonntag noch offen. Krisenstabsleiterin Andrea Blome hatte sich am Samstag im Rathaus angesichts der Größe des Gebiets gegen eine Sperrung der Wiesen rund um den Weiher ausgesprochen. Ebenso berät die Polizei am Montag ihre Einsatztaktik. Am Dienst stehen Public-Viewing-Events zur Fußball-EM an. (mit gam)