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„Das ist Kriegsgefangenschaft“Kölner „Reichsbürger“ wehrt sich gegen Gefängnisstrafe

Lesezeit 3 Minuten
Reichsbürger in Köln Amtsgericht

Der Angeklagte beim erstinstanzlichen Prozess im Kölner Amtsgericht

Beim Berufungsprozess könnte der Reichsbürger erneut aus dem Gerichtssaal geworfen werden.

Der völlig kurios geführte Strafprozess gegen einen sogenannten Reichsbürger wird eine Neuauflage vor dem Landgericht Köln erfahren. Wie der „Kölner Stadt-Anzeiger“ erfuhr, hat der Angeklagte über seine Pflichtverteidigerin fristgemäß Berufung gegen eine ergangene Strafe zu anderthalb Jahren Gefängnis wegen Beleidigung, Volksverhetzung und weiterer Vorwürfe eingelegt. „Das ist keine Haft, sondern Kriegsgefangenschaft“, so hatte der 47-Jährige das Amtsgerichtsurteil kommentiert.

Köln: Richter und Polizeipräsidenten als Nazis bezeichnet

Dem in Bergisch Gladbach geborenen Beschuldigten wurde unter anderem vorgeworfen, Hass im Internet verbreitet zu haben. Auf seiner Homepage mit dem Namen „BRD-Nazijustiz“ findet sich vor allem Hetze übelster Natur gegen Kölner Richter, die er als „Nazi-Richter“ betitelte. Ähnlich hatte sich der Mann laut Anklage über den früheren Kölner Polizeipräsidenten Uwe Jacob geäußert, auch habe er abfällig über Juden geschrieben und das Hakenkreuz-Symbol in seinem Internet-Blog verwendet.

Nur Staatsgerichte auf dem Hoheitsgebiet Preußen dürften sich mit ihm beschäftigen, hatte der Mann geäußert, der Richter habe mit ihm „keinen Handelsvertrag“. Schon lange beschäftigt der heute 47-Jährige die Justiz. Einmal hatte der Mann etwa Teile einer Gerichtsverhandlung im Amtsgericht Köln gegen ihn auf Video aufgenommen und dieses über seine Homepage geteilt. Volksverhetzung, Bedrohung, Beleidigung und versuchte Nötigung stand schon in seinem Register.

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Köln: Reichsbürger bedrohte auch Behördenmitarbeiter

Neben der Hetze im Internet hatte der Reichsbürger immer wieder Angehörige von Behörden bedroht. Dem Chef der Deutschen Rentenversicherung schrieb er nach einem ablehnenden Bescheid: „Ich gebe Ihnen hiermit letztmalig Gelegenheit, Ihren Standpunkt zu überdenken, drei Tage, sonst werde ich das mit russischem Militär lösen – was für Sie etwas endgültiges bedeuten kann.“ Aktuell hatte der Angeklagte Mitarbeiter des Jobcenters Rhein-Berg in einem Fax als „Nazi-Schweine“ betitelt.

„Ich mache das seit 30 Jahren, aber so eine Verhandlung habe ich auch noch nicht erlebt“, hatte Richter Rolf Krebber am Ende der erstinstanzlichen Verhandlung gesagt. Aufgrund von ständigen Zwischenrufen – der Angeklagte sprach von illegaler Gefangenschaft, Deportation und einem Mordanschlag – war der Reichsbürger von weiten Teilen des Prozesses ausgeschlossen. Dessen Pflichtverteidigerin vertrat ihn – mit der wollte der Angeklagte aber nicht zusammen arbeiten.

Kölner Berufungsprozess gegen Reichsbürger dürfte zeitnah starten

Als erstaunlich hatte Richter Krebber in der Urteilsbegründung hervorgehoben, dass der Reichsbürger zwar den deutschen Staat ablehne, was aber offenbar nicht für dessen Sozialleistungen gelte. Wenn es da nicht laufe, würde beleidigt und gedroht. „Ich verurteile sie wegen Völkermords und Verbrechen gegen die Menschlichkeit“, hatte der 47-Jährige entgegnet. Und seine Mutter im Zuschauerraum gebeten, das amerikanische Militär zwecks seiner Freilassung zu kontaktieren.

Die angeklagten Hassschriften sind immer noch im Internet zu finden. Ein IT-Experte der Kölner Polizei hatte im Zeugenstand ausgesagt, dass der kalifornische Anbieter der Homepage jegliche Anfragen der Behörde ignoriert habe, etwa zur Löschung der Inhalte. Da sich der Angeklagte nach dem Urteilsspruch vom 29. September weiterhin in Untersuchungshaft befindet, dürfte der Berufungsprozess relativ zeitnah vor einer kleinen Strafkammer des Landgerichts verhandelt werden.