Und schon wieder laufen die Arbeiten eines städtebaulichen Großprojekts in Köln nicht nach Plan.
Die Mülheimer Brücke soll erst 2025 – also zwei Jahre später – fertig werden. Zudem rechnet die Stadt Köln mit einer deutlichen Kostensteigerung.
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Köln – Am Ende war die Mängelliste zu lang, die Zeit zu knapp, die frühen Planungen zu optimistisch, das Resultat nicht mehr überraschend: Das nächste städtebauliche Großprojekt verzögert sich um zwei weitere Jahre und wird erheblich teurer. Die marode Mülheimer Brücke, die seit dem Beginn der Sanierungsarbeiten vor einem Jahr zu einem der vielen Nadelöhre im Kölner Verkehr geworden ist, wird erst 2025 fertig werden – Stand heute.
Das ursprüngliche Ziel 2021 war schon lange hinfällig geworden, jetzt ist auch der korrigierte Termin 2023 nicht mehr zu halten, wie aus einer Mitteilung an die Mitglieder des Bauausschusses und der Bezirksvertretungen Mülheim und Nippes hervorgeht, die dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegt. Die Kosten waren bisher mit 188 Millionen Euro veranschlagt. Es sei durch die Verzögerung mit einer deutlichen Kostensteigerung zu rechnen, heißt es nun – wie deutlich, ist noch unklar. Anwohner und die vielen Auto- und Radfahrer, die die Brücke regelmäßig passieren, müssen weiter mit Einschränkungen leben.
Seit Jahren gilt die Mülheimer Brücke als marode
Seit Jahren schon gilt die chromoxidgrüne Hängebrücke von 1951 als marode, einzelne Teile stammen sogar noch aus dem Jahr 1929, als der Vorgängerbau fertig wurde, der den Zweiten Weltkrieg nicht überstand. Im Gemäuer der linksrheinischen Deichbrücke sind noch immer Einschusslöcher zu sehen. Vor gut einem Jahr haben Stadt und das Bauunternehmen Implenia unter erheblichen Verkehrseinschränkungen für Fußgänger, Rad- und Autofahrer mit der Sanierung begonnen.
Man habe das Bauwerk ganz genau untersucht und erhebliche Mängel festgestellt, hieß es damals. Und an vielen Stellen sind die Schäden sogar für Passanten zu erkennen. Der Beton bröckelt, der Stahl rostet. „Im Zuge der Baumaßnahmen ist aber klar geworden, dass noch mehr saniert werden muss als gedacht“, sagt Brückenamtsleiterin Sonja Rode bei einer Baustellenbegehung.
Das Ausmaß der Rostschäden am Stahlgerippe wurde erst offenbar, als diese bei Strahlarbeiten hinter dem Korrosionsschutz hervortraten. Viele der 200 Querträger, die die knapp 6000 Tonnen schwere Brücke über dem Rhein stabilisieren, und der 20.000 Nieten, die alles zusammenhalten, sind befallen und müssen ausgetauscht werden. Eine kleinteilige, zeitintensive Arbeit. Dazu hat über Jahrzehnte das Regenwasser – im Winter mit Streusalz versetzt – das in die Betonfugen auf der Mülheimer Auffahrt geflossen ist, dem Gemäuer aus Stahlbeton stark zugesetzt – große, weiße Kalkflecken treten zu Tage. Die bisher einzigen Ausbesserungen an dem denkmalgeschützten Gebäude wurden in den 1980ern am Korrosionsschutz gemacht, der Rest wurde vernachlässigt.
Asbest im Inneren der Pylonen festgestellt
Dazu kommen weitere Sorgen, die die Bauherren zu Beginn der Maßnahme nicht geahnt haben. „Im Korrosionsschutz wurden krebserzeugende Metalle gefunden, die zusätzliche Auflagen beim Arbeitsschutz nötig gemacht haben“, sagt Rode. Im Inneren der Pylonen hat man Asbest festgestellt. Der linksrheinische Pylon wird derzeit unter einer weißen Einhausung entschichtet, ähnliche Arbeiten finden im Brückenkörper selbst statt. „Bis zu 80 Bauarbeiter sind parallel im Einsatz“, sagt Baustellenleiter Christoph Kümpel von der Stadt.
Die rechtsrheinische Rampe und die linksrheinische Deichbrücke sollen in den nächsten Jahren komplett abgebrochen und neu gebaut werden, ebenso die Fuß- und Radwege, die auf beiden Seiten verbreitert werden, insbesondere um die unübersichtlichen Engstellen an den Pylonen zu beseitigen. Die 485 Meter lange Strombrücke über dem Rhein und die Flutbrücke über der Rheinaue werden saniert.
Hohlraum unter der Rampe muss gestützt werden
Kopfzerbrechen bereitet Stadt und Baufirma vor allem die Brückenauffahrt in Mülheim. „Die rechtsrheinische Rampe war von Anfang an unser Sorgenkind“, sagt Rode. Der Hohlraum unter der Rampe, in dem früher Karnevalsvereine, Kioske, eine Tankstelle und die Brückenmeisterei beheimatet waren, muss inzwischen mit Behelfspfeilern abgestützt werden. Anders als die Strombrücke ist die Rampe dem Krieg nicht zum Opfer gefallen. Geblieben aber ist die sehr einfache Bauweise von damals, die die Arbeiten nun verkompliziert.
„Die Rampe ist wie ein Hallenbauwerk, das unter permanenter Belastung steht. So würde man heute keine Brücke mehr bauen“, sagt Kümpel. Damit die Last nicht zu groß wird, ist dürfen keine Lkw über die Brücke fahren. An den 84 vertikalen Kabeln, die die beiden Tragseile abstützen, hängen Sonden, die permanent die Gewichtsbelastung messen. Auch linksrheinisch sind Vorboten der nächsten Schritte zu sehen. Die komplette Südseite soll von Sommer an abgebrochen werden. Die Abbruchlinie verläuft direkt hinter der einem Bauzaun an der KVB-Trasse.
KVB-Fahrgäste für 19 Wochen von Bauarbeiten betroffen
Noch befindet sich eines der größten Bauprojekte der Stadt in Phase eins von fünf. Schon in der zweiten Stufe kommen für Fahrgäste der KVB 19 Wochen Unterbrechung der Linien 18 und 13 mit Schienenersatzverkehren zu. Auch dieser Schritt wird um zwei Jahre verschoben und ist nun für 2023 geplant. Der Autoverkehr soll zu jeder Zeit mindestens jeweils einspurig über die Brücke geführt werden.
Längere Komplettsperrungen würden wohl den kompletten Verkehrskollaps im Großraum Köln mit sich bringen. Die Rheinquerung in Leverkusen entwickelt sich wohl zum Dauerproblem, in Köln sollen Severinsbrücke, Deutzer Brücke und Zoobrücke in den kommenden Jahren oder Jahrzehnten ebenfalls saniert werden.
Für die Zukunft der Mülheimer Brücke jedenfalls macht Rode eine ambitionierte Ansage: „Ziel ist, dass die Brücke nach der Sanierung für 100 Jahre steht.“ Bis die Zukunft beginnt, ist aber erst noch ein bisschen Geduld gefragt.