Inklusionskinder mit starker Beeinträchtigung bekommen in Köln nur selten einen Transport der Schule.
„Hemmnis für Inklusion“Schüler protestieren in Köln wegen abgelehnter Schultransporte
Die Gesamtschule Holweide gilt in Köln als eine der Vorreiterschulen bei der Inklusion. Seit fast 30 Jahren werden an der neunzügigen Gesamtschule Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf aufgenommen. Jetzt zogen zwei Klassen gemeinsam mit ihren Lehrerinnen vor das Rathaus, um zu protestieren: „Jede Schule hat ein Recht auf Inklusionstaxis“ stand auf den Plakaten, die die Schülerinnen und Schüler in der Hand hielten.
„Wir befürchten, dass Kinder mit sichtbaren Behinderungen aus dem Gemeinsamen Lernen verdrängt werden“, begründete Britta Klostermann, die Inklusionskoordinatorin der Schule, den Protest. Und das hängt aus Sicht der Schule damit zusammen, dass das Angewiesensein auf den Schülerspezialverkehr in Köln „zu einem massiven Inklusionshemmnis“ geworden ist, weil bei immer weniger Schülern ein Transport zur Schule bewilligt werde.
Seit langem beklagt der Verein „Mittendrin“, der sich in Köln für Familien von Kindern mit Beeinträchtigungen einsetzt, dass es für Eltern von stark beeinträchtigten Kindern im Gemeinsamen Lernen viel schwieriger ist, von der Stadt einen Transport zur Schule genehmigt zu bekommen als für Eltern von Förderschülern.
Dort werde der Transport zur Schule in der Regel bewilligt. Eltern, die täglich oft mehrere Stunden in Anspruch nehmenden Elterntaxidienste aufgrund von Berufstätigkeit zeitlich nicht leisten könnten, meldeten dann auf der Förderschule an, obwohl sie eigentlich eine inklusive Beschulung für ihr Kind möchten.
In Holweide wurden immer mehr Anträge abgelehnt
Mit der Gesamtschule Holweide stützt nun die erste Schule öffentlich diese Analyse: Aktuell besuchen rund 1900 Schülerinnen und Schüler die Schule – davon haben etwa zehn Prozent einen anerkannten Förderbedarf. Über die Jahre seien konstant fünf bis zehn Prozent dieser Kinder mit einem eingerichteten Taxiverkehr zur Schule gebracht und wieder abgeholt worden, weil sie den Schulweg nicht selbstständig bewältigen könnten. In den letzten Jahren seien immer mehr Anträge der Eltern auf einen solchen Taxitransport nach Einzelfallprüfungen abgelehnt worden.
Als Beispiel nannte die Schule eine alleinerziehende Mutter, für die als zumutbar erachtet wurde, ihren Sohn mit dem Förderschwerpunkt körperlich-motorische Entwicklung jeden Tag vor der Arbeit zur Schule zu bringen. Tatsächliche Fahrtzeiten im Berufsverkehr wurden dabei nicht berücksichtigt. In einem anderen Fall wurde für zumutbar erklärt, dass eine Mutter von zwei beeinträchtigten Kindern zunächst das eine zu einer Schule bringt und dann das andere zu einer anderen. Damit wurde dem ersten Kind lange Wartezeiten vor Unterrichtsbeginn zugemutet.
Inzwischen wird nach Angaben der Schule kein einziger Schüler mehr durch den Schülerspezialverkehr mit dem Taxi gebracht. Stattdessen fahren Erziehungsberechtigte ihre Kinder täglich und müssten dafür teilweise ihre Arbeitszeiten einschränken, um die Schulwege zu schaffen. Nach Angaben der Schule verlassen Schülerinnen und Schüler die Gesamtschule Holweide, weil deren Eltern die zusätzliche Belastung durch die Schulwege nicht mehr bewältigen könnten. Oder sie würden gar nicht erst angemeldet, nachdem sie sich über die geringen Chancen auf Beförderung informiert hätten.
Köln: Schulausschuss sagt Prüfung zu
Seit Jahren kämpft der Verein Mittendrin darum, diese Ungleichbehandlung aufzulösen und eine echte Wahlfreiheit für Eltern zu schaffen. „Aber die Stadt sitzt die Themen aus und lässt uns Eltern mit unseren Problemen einfach im Regen stehen“, beklagt Ute Berger von Mittendrin.
Die Stadt hatte stets betont, dass die Entscheidungen konform mit der Schülerfahrtkostenverordnung des Landes getroffen würden. Auf Druck der Eltern hatte der Schulausschuss bereits im November die Verwaltung beauftragt, zu prüfen, welche Mehrkosten der Stadt entstehen würden, wenn alle Schüler mit Einschränkung, deren Beförderung bislang abgelehnt wurde, befördert würden.
Schuldezernent Robert Voigtsberger sagte im letzten Schulausschuss nun auf Nachfrage zu, die Informationen im April zu liefern. Der Verein Mittendrin will auf jeden Fall weiterkämpfen. Dass es Eltern sich finanziell und zeitlich leisten können müssen, ihr Kind in der Inklusion anzumelden – das wollen sie nicht hinnehmen.