Oberstaatsanwalt droht Kölnerin„Sie werden Ihre Kinder nicht aufwachsen sehen“
Köln – Mit einer unverhohlenen Drohung in Richtung der Angeklagten startete am Freitag vor dem Landgericht der spektakuläre Prozess gegen eine Kölner Arztfrau, der versuchter Mord an ihrem Schwiegervater vorgeworfen wird. „Denken Sie an Ihre Kinder“, appellierte Oberstaatsanwalt Bastian Blaut. Denn die würde die zweifache Mutter ohne ein Geständnis nicht aufwachsen sehen. Das ungewöhnliche Vorgehen stieß auf heftige Kritik der Verteidigung, darunter ein ehemaliger Richter.
Schwiegertochter wird Giftanschlag vorgeworfen
Die 41-jährige Beschuldigte soll im Juli vergangenen Jahres ihren Schwiegervater bei einem Besuch in dessen Haus zunächst mit dem Schlafmittel Tavor ruhig gestellt, ihm dann eine hohe Dosis Insulin gespritzt und seinem Schicksal überlassen haben. Am nächsten Morgen sei der Mann von seiner Haushälterin gefunden worden, so die Anklage. Der 80-jährige renommierte Mediziner erlitt schwere Hirnschädigungen. Der Vorfall habe den Senior zum schweren Pflegefall gemacht.
„Ich habe schon viele Indizienverfahren geführt, auch weitaus kompliziertere, und in jedem Verfahren ist es zur Verurteilung gekommen“, hatte Bastian Blaut, Leiter der Mordabteilung der Staatsanwaltschaft, zunächst selbstbewusst ausgeführt. Und im Fall der Angeklagten seien sich alle mit der Akte befassten Kollegen einig: „Die Indizienlast ist erdrückend.“ Handyauswertungen würden die Frau überführen, denn sie soll bei Google nach „Perfekter Mord mit Insulin“ gesucht haben.
Staatsanwalt droht mit lebenslanger Haft
Aufgrund der schweren Folgen für das Opfer sei die Tat laut Blaut „nah an der Vollendung“. Ohne Geständnis müsste die Frau mit einer lebenslangen Freiheitsstrafe rechnen. Das bedeute im Durchschnitt bis zu 19 Jahre Gefängnis. Sollte sie gestehen, sagte Blaut, dann wäre ein Urteil von zwölf Jahren Haft realistisch, bei guter Führung könnte die Beschuldigte wohl in sieben Jahren frei kommen. „Andernfalls wird Ihre Tochter erwachsen sein, und Sie haben das nicht mitbekommen.“
Verteidiger Jens Schiminowski zeigte sich entsetzt über die Aussagen des Oberstaatsanwalts. „Ich erkenne dieses Gericht nicht wieder“, sagte der ehemalige Richter am Landgericht, der etwa am Prozess gegen die Oppenheim-Banker mitgewirkt hatte. Seit etwa anderthalb Jahren ist Schiminowski als Rechtsanwalt tätig, neuerdings in der Kanzlei Reims. Es erschrecke ihn, dass der Staatsanwalt einfach eine Strafhöhe in den Raum werfe und dies mit den Kindern der Mandantin verknüpfe.
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Das Vorgehen von Oberstaatsanwalt Blaut verwundert auch deshalb, da eine sogenannte Eröffnungserklärung laut Strafprozessordnung eigentlich nur der Verteidigung vorbehalten ist, um den Anklagevorwürfen zu entgegnen. Blaut hat damit suggeriert, dass die Schuld der Mandantin offenbar ohnehin schon feststehe und man sich den aufwändigen Prozess sparen könne. Bis jetzt sind immerhin 29 Verhandlungstage mit einem großen Zeugenprogramm angesetzt.
Verteidiger geht von Unschuld der Mandantin aus
„Ich bin fest davon überzeugt, dass meine Mandantin unschuldig ist“, erklärte Jürgen Graf, ebenfalls Verteidiger der Angeklagten. Die Persönlichkeit seiner Mandantin lasse eine solche Tat gar nicht zu, und das werde der Prozess zeigen. Graf kritisierte, die Rechtsmedizin habe in ihrem angeblich von Fehlern nur so strotzenden Gutachten zu Zeiten und Werten schlampig gearbeitet und immer nur im Sinne von Ermittlungshypothesen von Polizei und Staatsanwaltschaft gearbeitet.
Graf will mit neuen Gutachten beweisen, dass der geschädigte Senior noch am Morgen nach dem Besuch der Schwiegertochter eben nicht apathisch auf der Couch gesessen, sondern laut Koffeinwerten noch Kaffee getrunken habe, womit die Mandantin, die seit einem Jahr in Untersuchungshaft sitzt, als Täterin nicht mehr in Frage komme. Ohnehin habe sie keinerlei Motiv. Die Verteidigung hält auch einen Selbstmordversuch des Mannes für möglich. Der Prozess wird in drei Wochen fortgesetzt.