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Kölner KarnevalVon der Idee bis zum letzten Glitzerstein – So entsteht ein Karnevalsorden

Lesezeit 6 Minuten
Nahaufnahme von einer Hand, die Glitzersteinchen auf einen Orden klebt.

Jedes Glitzersteinchen wird bei Orden Bley von Hand aufgeklebt.

Im Gespräch mit der Grossen Allgemeinen KG, einer Grafikerin und bei einem Besuch bei Orden Bley zeigen wir, wie ein Orden entsteht.

Was eigentlich eine Persiflage auf das Militär ist, ist für manch Karnevalisten nicht nur höchst ernst, sondern auch eine Sache der Ehre: Es geht um Orden. Wenn der Sitzungsmarathon beginnt, geht auch das große Orden-Verteilen wieder los. Jede Karnevalsgesellschaft – egal ob kleiner Veedelsverein, große Familiengesellschaft oder Traditionskorps – hat seinen eigenen, auch Oberbürgermeisterin Henriette Reker verteilt jedes Jahr wieder neu gestaltete Orden. Wie ein solcher entsteht, von der Idee über den Entwurf bis zur finalen Produktion, das zeigen wir am Beispiel des Ordens der Großen Allgemeinen Karnevalsgesellschaft für diese Session.

Ingo Bley und Sascha Bley halten Orden in ihren Händen.

Hier sind Karnevalsorden Familiensache: Vater Ingo Bley (li.) und Sohn Sascha Bley von Orden Bley überprüfen, ob auch jedes Detail stimmt.

Der Orden als Persiflage, aber zugleich auch als tatsächliche Ehrung hat eine große Bedeutung, weiß Andreas Holtmann: „Das ist ein ganz zentrales Element, was den Karneval ausmacht, dass man sich über diesen Ordensklimbim lustig macht und später Lametta-behangen durch die Säle zieht.“ Als Geschäftsführer der Großen Allgemeinen trägt er sowohl inhaltlich als auch organisatorisch die Verantwortung für den Orden.

Die Idee

Als am Rosenmontag 2024 der letzte Wagen losrollte, fingen die Rädchen im Kopf von Andreas Holtmann an, sich zu drehen: „FasteLOVEnd – wenn Dräum widder blöhe” – wie könnte ein dazu passender Sessionsorden aussehen? „Optisch erinnert das Motto stark an die Flower-Power-Zeit der 60er und 70 Jahre, die für ‚Peace, Love and Happiness‘ steht“, heißt es in der Beschreibung des Mottos vom Festkomitee Kölner Karneval. „Ich fand das Motto sehr dankbar, denn mir kam durch die Begründung des Festkomitees direkt die Idee mit Blumen und einem Peace-Zeichen, das bietet sich ja geradezu an.“

Gerade deswegen wusste Holtmann auch: Es muss schnell gehen. Grafiker und Ordensproduzenten achten darauf, dass sie nicht zehnmal das gleiche Design für Sessionsorden in der gleichen Stadt verkaufen – Holtmann musste seine Idee also schnell vorlegen.

Orden Große Allgemeine

Der fertige Orden der Großen Allgemeinen, von der ersten Idee bis hier sind mehrere Monate vergangen.

Skizzenhaft gestaltete er am Computer einen ersten Entwurf: Goldfarbene Blumen mit roten und grünen Steinchen bilden ein Peace-Zeichen, in der Mitte prangt der Bauer, der obligatorisch für die Karnevalsgesellschaft Teil jedes Sessionsordens ist. Er überzeugte den Vorstand von seiner Idee – „dann ging es an den Feinschliff.“ Bei der Gestaltung spielt auch immer der Preis eine große Rolle, die meisten Orden werden an die Mitglieder der KG oder auf Sitzungen an Mitglieder befreundeter KGs verteilt – verkauft werden sie kaum. Für die gut 1000 Orden hat die Grosse Allgemeine laut Holtmann rund 12.000 Euro ausgegeben, fast so viel wie für die Kamelle beim Rosenmontagszug. Generell koste ein Herrenorden im Einkauf zwischen elf und 16 Euro, die meist etwas kleineren und schlichteren Damenorden zwischen neun und elf Euro, sagt Holtmann. Je nach Qualitätsanspruch und Sonderwünschen seien dabei nach oben hin jedoch keine Grenzen gesetzt.

Neben dem Bauern gab es beim Schriftzug auf dem Orden noch einige weitere Vorgaben. Die Grosse Allgemeine wurde vor zwei Jahren vom Festkomitee in die Reihe der Traditionsgesellschaften des Kölner Karnevals aufgenommen – als „Gütesiegel“ musste also vor „Grosse Allgemeine KG von 1900 Köln e.V.“ auch „Traditionsgesellschaft“ auf dem Orden stehen. „Jede Gesellschaft hat so seine Eitelkeiten“, sagt Holtmann. Zum Jubiläum sollte außerdem „125 Jahre“ auf dem Peace-Zeichen stehen und auch „Fastelovend 2025“, diese Schriftzüge optisch ansprechend auf dem Orden zu platzieren war dann in Absprache mit Holtmann unter anderem die Aufgabe der Grafikerin Ute Stickel.

Die Gestaltung

In Ute Stickels Wohnung stapeln sich schwarze Skizzenbücher – in eines davon passen etwa die Zeichnungen von zwei Sessionen. Seit 26 Jahren gestaltet die Kölnerin Karnevalsorden, ein Job, an den die Diplom-Kommunikationsdesignerin damals „wie die Jungfrau ans Kind“ gekommen sei. Etwa von Mitte März bis Dezember entwirft sie Orden für rund 400 Karnevalsgesellschaften. Nicht nur aus Köln: Auch für Jecke in den USA, Namibia und Australien habe sie schon gezeichnet. Die meisten ihrer Kunden kommen aber aus dem Rheinland.

Die Düsseldorfer sind ein bisschen sparsam. Die Kölner klotzen mehr
Ute Stickel, Grafikerin

Gibt es da einen Unterschied bei den Ordenswünschen? „Die Düsseldorfer sind ein bisschen sparsam. Die Kölner klotzen mehr.“ Als Stickel anfing, Orden zu gestalten, seien sie noch einfacher gewesen, heute werden mehr Details gewünscht, oft bestehen Orden aus mehreren – teils beweglichen – Teilen. „Es ist aufwendiger geworden, obwohl die Orden dabei nicht mehr kosten dürfen. Das ist immer ein Drahtseilakt“, sagt die Künstlerin.

Ute Stickel entwirft Skizzen für Karnevalsorden.

Ute Stickel entwirft Skizzen für Karnevalsorden.

Genau wie Holtmann fangen ihre Gedanken an zu kreisen, wenn in Köln an Rosenmontag das Motto der nächsten Session bekannt gegeben wird. Denn nicht alle Karnevalsgesellschaften kämen mit so ausgereiften Ideen zu ihr wie die Grosse Allgemeine. „Die meisten Kunden haben keinen Plan, was sie haben wollen.“ Manche kommen mit groben Entwürfen auf Bierdeckeln, andere haben unrealistische Vorstellungen, manchmal geht es schnell und mal muss Stickel 20 Entwürfe zeichnen, bis die Karnevalsgesellschaft zufrieden ist. Holtmann kam mit einer sehr klaren Vorstellung zu ihr – so hat es nur wenig Hin und Her gebraucht, bis der fertige Entwurf für die Produktion stand.

Die Produktion

Nahaufnahme von Kopierfräsmaschine

Mit der Kopierfräsmaschine wird die Form erstellt, in die später eine Alu-Zink-Legierung geschossen wird.

Pro Session bearbeitet die Firma Orden Bley mehr als 1000 Aufträge, eine Gesellschaft bestellt durchschnittlich rund 300 Orden. „Wir haben hier einiges zu verpacken“, scherzt Sascha Bley. Schon als er ein Kind war, hat er hier mit seinem Bruder dabei geholfen, die Orden in Kartons zu verpacken. Heute ist er ein fester Teil des Familienunternehmens, das von seinem Vater Ingo Bley und seinem Onkel Michael Bley geführt wird. Seit 1972 gibt es Orden Bley, der Name der Firma findet sich auf den Rückseiten vieler Orden von Kölner Karnevalsgesellschaften, auch auf dem der Grossen Allgemeinen. Mehr als eine Million Einzelteile – manch Orden besteht aus bis zu sechs Elementen – werden in der in Bonn ansässigen Firma handgearbeitet. Von der Schablone bis zum letzten Glitzerstein.

Sascha Bley mit Alu-Zink-Legierung, hinter ihm eine große Maschine.

Diese Klötze werden eingeschmolzen und dann in der Druckgussmaschine (hinten im Bild) zum Rohling geformt.

Haben Grafiker und Karnevalsgesellschaft sich auf einen Entwurf geeinigt, werden die Konturen auf eine Schablone übertragen. Mithilfe einer sogenannten Kopierfräsmaschine und der Schablone erstellen die Graveure bei Orden Bley dann eine Gießform. Das „Herz der Firma“, wie Sascha Bley sagt, ist die Druckgussmaschine. Hier wird eine geschmolzene Alu-Zink-Legierung durch eine Düse in die zuvor erstellte Gießform geschossen. In wenigen Sekunden ist der Rohling fertig.

In dem Raum mit der großen Maschine lagern auch etliche Prägestempel an der Wand, in einer Ecke steht noch eine alte Prägemaschine. Die wird heute aber nur noch für wenige Verdienstorden benutzt, erklärt Sascha Bley. Denn Durchbrüche wie bei dem Peace-Zeichen der Grossen Allgemeinen waren damit nicht möglich. Die Idee, die Orden mit der Druckgussmaschine zu fertigen, statt zu prägen, hatte damals sein Großvater. Wie genau der Prozess funktioniert, ist ein Betriebsgeheimnis.

Mit Zangen befreien Mitarbeiter dann die Gussreste von den Rohlingen und säubern die Durchbrüche, in einer Politurmaschine mit kleinen Keramiksteinen werden die Kanten verrundet. Danach folgt die Veredelung, etwa mit Gold, Silber oder Bronze. Das ist der einzige Arbeitsschritt, der extern geschieht.

Frauen bemalen mit Farbtuben Orden.

Jedes Detail wird von Hand auf die Orden gemalt.

Sind die Orden veredelt zurück bei Orden Bley kommen die letzten Feinschliffe. Konzentriert über einen Tisch gebeugt füllen Mitarbeiter jedes Farbfeld aus, bei der Grossen Allgemeinen sind das die roten und grünen Buchstaben. Durch Kanülen auf den Farbtuben können sie jedes noch so kleine Detail bunt färben. Danach kommen die Glitzersteine: Jedes Steinchen muss einzeln von Hand aufgeklebt werden, bevor schließlich das Band am fertigen Orden befestigt wird und die Glanzstücke feierlich verteilt werden können.