AboAbonnieren

„Schön, in die Schule zu gehen“So erleben Jugendliche in Köln die Corona-Lockerungen

Lesezeit 3 Minuten
Neuer Inhalt (1)

Alisha, Emsi und Andrea (v.r.)  sind Stammgäste im Caritas-Zentrum an der Elsaßstraße. Mit uns haben sie über die aktuelle Situation gesprochen.

  1. Wie erleben Jugendliche die Corona-Krise, in der sie lange nicht zur Schule konnten und viel Zeit mit der eigenen Familie verbringen?
  2. Wir haben uns mit jungen Menschen in Köln nach der aktuellen Situation befragt – und einige überraschende Antworten bekommen.

Köln – Der 17-jährige Gesamtschüler Andrea ist ganze vier Wochen in der Wohnung geblieben. „Ich bin nur einmal zum Kiosk gegangen, um für meinen Vater ein Paket abzuholen, aber da war alles so komisch draußen“, sagt er. „Wir schauen zu Hause nur italienisches Fernsehen und nach den schlimmen Bildern hatten meine Eltern so große Angst, dass ich und meine Schwester nicht mehr rausgehen sollten.“ Mit der Elfjährigen teilt er sich ein Zimmer. Streit, so sagt er, habe es aber kaum gegeben.

Auch sein gleichaltriger Freund und Mitschüler Emsi blieb lange freiwillig im Haus. „Mein Vater ist Risikopatient.“ Am Anfang der Pandemie hatten sich die beiden noch gefreut: Hurra, keine Schule! Doch schon bald vermissten sie die Freunde, die sie vor allem im Caritas-Jugendzentrum in der Elsaßstraße treffen. Denn das war natürlich auch monatelang dicht. „Sonst kommen wir jeden Tag hierher. Wir spielen Volleyball oder Karten und machen Musik.“

„Wir haben viele Fahrradtouren gemacht“

Auch Noch-Drittklässlerin Alisha ist Stammgast in der Elsaßstraße . Plötzlich war die Familie auf sich allein gestellt. „Wir haben viele Fahrradtouren gemacht, das hat Spaß gemacht. Aber leider konnte ich meine Freunde nicht sehen.“ Die Aufgaben von der Schule kamen per E-Mail. „Aber bei manchem Aufgaben wussten auch meine Eltern die Antwort nicht.“ Alisha war dann sehr froh, als wenigstens wieder die Spielplätze offen waren.

Emsi und Andrea haben mit den Lehrern auch über E-Mail kommuniziert. Das Jugendzentrum versorgte die Gäste mit einem Online-Angebot – es gab 800 Follower. „Doch viele andere haben gar keinen Zugang zum Internet“, so Betreuer Jonas Bücker. Am Ende wurde Alisha, Emsi und Andrea vor allem langweilig. „Es war so schön, wieder in die Schule gehen zu dürfen, das hätte ich vorher nie gedacht“, sagt Emsi. Auch das Jugendzentrum hat endlich wieder auf – doch wegen der Hygienebestimmungen können hier statt der üblichen 60 Besucher nur zehn betreut werden. „Da stehen wirklich zeitweise Kinder eine Stunde vor der Tür und warten“, sagt Bücker.

Glimpflich durch den Shutdown gekommen

Er und seine Kollegen hatten die drei Gäste ausgewählt, damit sie einmal aus ihrer Perspektive erzählen, wie sie die Corona-Zeit empfunden haben. Die drei, so sieht es aus, sind noch recht glimpflich durch den Shutdown gekommen. Doch andere Familien haben große Probleme. Die Caritas ist zuständig für elf Kölner Flüchtlingseinrichtungen und weitere Familien mit Migrationshintergrund mit insgesamt 555 schulpflichtigen Kindern.

In einigen Flüchtlingsunterkünften gibt es noch nicht einmal WLAN, viele Familien besitzen keinen PC. Ehrenamtliche durften während des Lockdowns nicht in die Einrichtungen. „Wir haben dann teilweise die Unterlagen der Schulen ausgedruckt und den Familien in den Briefkasten geworfen“, erzählt Claudia Metternich, die Leiterin der Flüchtlingsbetreuung. „Einige Kinder und Jugendliche werden auf der Strecke bleiben“, fürchtet Metternich.

Einige Kölner Jugendliche wirkten orientierungslos

Nach Einschätzung von Ilonka Fischer, Leiterin der internationalen Familienberatung, haben die Grundschulkinder die Krise noch recht gut überstanden. Sie hätten sich vor allem über die Zeit mit Mama und Papa gefreut. „Für die Jugendlichen aber war es ein krasser Einschnitt. Es gab keinen geregelten Tagesablauf mehr, und es ist einen Distanz zwischen Schülern und Schule entstanden.“

Einige Jugendliche wirkten regelrecht orientierungslos. Teilweise könnte sich das auch in Aggression entladen. Die Caritas-Experten fordern eine bessere Betreuung und vor allem eine bessere technische Ausstattung für weniger privilegierte Menschen. Für die drei Stammgäste geht es erstmal gut weiter. Alisha hat einen der 20 (statt sonst 60) Plätze im Ferienprogramm. Andrea fährt in den Urlaub nach Italien. Und Emsi ist Ferienbetreuer im Jugendzentrum.