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Schulen statt Grünflächen?Köln braucht 53 neue Gebäude – Grundstücke schwer zu finden

Lesezeit 4 Minuten

Bau des Provisoriums des Dreiköngsgymnasiums nördlich des Blücherparks.

  1. Nach neuen Berechnungen geht die Schulverwaltung davon aus, dass sie in den nächsten Jahren 53 neue Gebäude bauen müsste.
  2. Rund 12.000 Quadratmeter braucht man für ein vierzügiges Gymnasium. Doch genau solche Flächen sind schwer zu finden.
  3. Zurzeit werden die „Flächennutzungskonflikte“ in aller Regel zugunsten des Erhalts der Freifläche entschieden.Wie sich das mit dem Ziel verträgt, allen Kindern einen Schulplatz anzubieten, ist offen.

Köln – Der Anblick ist schmerzhaft: Mitten auf der grünen Wiese nördlich des Blücherparks auf der Grenze zwischen Neuehrenfeld und Bilderstöckchen wird gebaut. Bäume wurden gefällt, der Rasen abgetragen. Die umliegenden Viertel verlieren einen Teil eines Parks inklusive Bolzplatz und Hundewiese.

Kölns ältestes Gymnasium, das Dreikönigsgymnasium in Bilderstöckchen, das in einem völlig maroden Gebäude arbeiten muss, soll in ein Interimsquartier ausgelagert werden, damit das alte Haus umgebaut werden kann. Es war eine schwierige Geburt, diese Lösung umzusetzen. Eine Bildungseinrichtung auf einer freien grünen Fläche – selbst wenn es nur eine Übergangslösung sein soll – ist auch in Zeiten des Schulbaunotstands keine Selbstverständlichkeit.

Der Landschaftsbeirat genehmigte das Projekt im Mai des vergangenen Jahres. Doch er machte auch deutlich, dass es sich um eine Ausnahme handelt. Die Auflagen, die er erzwang, sollten der Stadt „wehtun“. Man gebe ein „eindeutiges Signal, dass es so nicht geht“. Baudezernent Markus Greitemann (CDU) ließ sich jedoch kein Versprechen abringen, dass es bei einer Ausnahme bleibt. Er sagte lediglich zu, sorgfältig und zurückhaltend zu sein, wenn es um die Nutzung von freien Flächen in der Stadt geht. Umso überraschender ist nun eine Mitteilung der Stadtverwaltung zu einem vorerst gescheiterten Schulprojekt, die sich mit knappen Sätzen in der umfänglichen Aktualisierung des Schulentwicklungsplans versteckt.

Gesamtschule in Ossendorf: Kein Platz für Interimstandort

Im Dezember 2018 beschloss der Stadtrat einstimmig, für einen vorgezogenen Start einer neuen Gesamtschule in Ossendorf „einen Interimstandort zu errichten, um frühzeitig Schulplätze zu schaffen und damit den Notstand zumindest teilweise aufzufangen“. Eine solche Fläche ist tatsächlich in der Nähe des Areals für den Neubau gefunden worden. Doch bebaut wird sie nicht. „Bei der fraglichen Fläche handelt es sich um einen ausgewiesenen Grünbereich“, heißt es zu Begründung. Mehr Informationen gibt es nicht.

War über das Ausweichquartier für das Dreikönigsgymnasium noch öffentlich und transparent gestritten worden, hat die Stadtverwaltung das Ossendorfer Projekt schon bei einer internen Ämterkonferenz beerdigt. Ein Veto des Grünflächen- und des Umweltamtes hätten gereicht, heißt es.

Wenig attraktive Grünfläche darf nicht genutzt werden

Auch kleinere Schulbauprojekte scheitern, bevor politische Gremien mit konkreten Planungen befasst werden können. So leiden die Kinder in den beiden Kalker Grundschulen an der Kapellenstraße seit Jahren unter miserablen baulichen Bedingungen, doch eine angrenzende, wenig attraktive Grünfläche darf nicht zur Erweiterung genutzt werden.

Die Grüneberg-Grundschule in Kalk.

Nach neuen Berechnungen geht die Schulverwaltung davon aus, dass sie in den nächsten Jahren 53 neue Gebäude bauen müsste, darunter 21 große weiterführende Schulen. Rund 12.000 Quadratmeter braucht man für ein vierzügiges Gymnasium. Gerade dort, wo die Bebauung dicht ist und viele Menschen wohnen, sind solche Flächen nur schwer zu finden. Die Schulentwicklungsplaner fordern unter anderem weiterführende Schulen in der Innenstadt, in Nippes und Kalk, haben aber noch keine Idee, wo sie gebaut werden könnten. Gleiches gilt für Grundschulen in Ensen/Westhoven, Ehrenfeld und Widdersdorf.

Es werde zugunsten des Erhalts der Freifläche entschieden

Zurzeit werden die „Flächennutzungskonflikte“, wie es im Verwaltungsdeutsch heißt, in aller Regel zugunsten des Erhalts der Freifläche entschieden. Wie sich das mit dem Ziel verträgt, allen Kindern einen Schulplatz anzubieten, ist offen. Der Umgang einer wachsenden Stadt mit ihren unbebauten Flächen wird ein spannendes Thema im kommenden Wahlkampf. Schuldezernent Robert Voigtsberger (SPD) fordert, dass im Konfliktfall „die jeweiligen Argumente unvoreingenommen erörtert“ werden müssten.

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„Wichtig erscheint, dass solche Verfahren moderiert werden, fair und unvoreingenommen stattfinden und jeder Interessenvertreter auch bereit ist, von seinen Idealvorstellungen abzurücken.“ Es müsse in Rechnung gestellt werden, „dass die Bereitstellung von Schulplätzen grundsätzlich eine kommunale Pflichtaufgabe ist, deren Erfüllung nicht verhandelbar ist“. Das passt noch nicht ganz zur Praxis der verwaltungsinternen Abstimmung, wo offenbar schon das Veto einzelner Ämter Schulbaupläne stoppen kann.

Anwohner kämpfen um Grün in ihrer Umgebung

Doch auch wenn die Pläne die internen Hürden genommen haben, heißt das nicht, dass der Schulbau Priorität bekommt. Zur mächtigen Stimme des Landschaftsbeirats, in dem Vertreter von Umweltverbänden, der Waldbauer, Jäger und Imker sitzen, kommen die verständlichen Interessen von Anwohnern, die um ein bisschen Grün in ihrer Umgebung kämpfen. Das hat etwa die jahrelange Debatte um ein Grundstück in Müngersdorf gezeigt.

Aus Brachland wird nämlich schnell ein Biotop, wenn man es sich selbst überlässt. Und so scheiterte die Schulverwaltung mit ihrem Plan an der Herbesthaler Straße, einer Seitenstraße der Aachener Straße, die erste Gesamtschule für den Stadtbezirk Lindenthal zu bauen. Das politische Bündnis von CDU und Grünen im Rat und der Lindenthaler Bezirksvertretung stimmte dagegen. Im aktualisierten Schulentwicklungsplan taucht das Grundstück nicht mehr auf.