Ehemaliges jüdisches Viertel am RathausStadtgeschichte unter Staub und Schmutz
- Archäologen legen zur Zeit die Reste des ehemaligen jüdischen Viertels und des römischen Statthalterpalastes am Rathaus frei.
- Unter dem Lehmboden erwarten die Archäologen nun Schichten aus römischer Zeit.
- Dabei hofft man natürlich auch auf wertvolle Funde.
Köln – Obwohl er mit seiner Arbeit ein düsteres Ereignis der Kölner Stadtgeschichte freilegt, ist Michael Wiehen, Grabungsleiter in der Archäologischen Zone neben dem Rathaus, jeden Tag gern an seinem Arbeitsplatz. Staub, Schmutz und Lärm sind allgegenwärtig, einige Sonnenschirme bieten ihm und seinen knapp 20 Archäologen-Kollegen vor Ort nur spärlich Schutz vor der Sonne.
In mühseliger Kleinstarbeit graben und hämmern sich Wiehen und seine Mitarbeiter knapp sechs Meter unter der Straßenebene Stück für Stück voran. Zu wertvoll könnten die Funde sein, auf die sie hier möglicherweise noch stoßen. Abschnitt 42 auf der Baustelle für das „Miqua – LVR-Jüdisches Museum im Archäologischen Quartier Köln“ verläuft entlang der Judengasse. „Schon jetzt sind hier wertvolle Zeitzeugnisse einer fürchterlichen Tat sichtbar geworden, der die Bewohner des Jüdischen Viertels von Köln in der Nacht auf den 24. August 1349 im so genannten Pestpogrom zum Opfer gefallen sind und bei dem ihr Quartier nahezu vollständig zerstört worden ist“, sagt der 48-Jährige.
Behutsam gehen die Archäologen darum in der mit Sand verfüllten Baugrube in dem historisch bedeutsamen Bereich über den Resten des römischen Statthalterpalastes „Prätorium“ vor. „Bei dem Pogrom sind die Synagoge und private Wohnhäuser geplündert und in Brand gesetzt worden, kein Gemeindemitglied hat überlebt“, führt Wiehen aus. Doch im Schutt finden sich noch Einblicke in die alltägliche Lebenswelt der jüdischen Gemeinde: „Wir haben Scherben von Keramik- und Metallgefäßen, Wandputz der Zimmer, aber auch Schmuck und Münzen geborgen“, sagt der Experte.
Schichten aus römischer Zeit
Unter dem Lehmboden erwarten die Archäologen nun Schichten aus römischer Zeit. „Erste Funde wie Ziegel mit Abdrücken römischer Legionärs-Sandalen, Wandfragmente und Tonscherben zeugen davon“, so Wiehen. „Dieser Ort ist kulturhistorisch eine Goldgrube.“
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Doch sein Team müsse vorankommen, denn neue Bodenplatten werden den Blick auf diesen Teil der Stadtgeschichte bald verdecken. Dafür sorgt Bauleiter Matthias Zoppelt, dessen Arbeiter die Montage des Stahlbaus für das künftige Museum an der Stelle bis März 2021 abschließen wollen. „Bis Herbst 2020 soll aber zunächst der erste Bauabschnitt entlang der Portalsgasse einschließlich des Daches mit seiner Pyramiden-Konstruktion fertiggestellt werden“, so Zoppelt. Zwischenzeitlich wird auch im Innenfeld unter dem Standort des zukünftigen Neubaus der Sand abgesaugt, um die Arbeiten in der unterirdischen Ausstellungsebene voranzutreiben.
Fertigstellung nicht vor 2024
In enger Abstimmung mit den von Zoppelt koordinierten Bauarbeiten räumt Janine Müller-Wüstenberg, Projektleiterin bei der Gebäudewirtschaft der Stadt Köln, den Archäologen um Wiehen bis dahin noch Zeit ein, sich mitten in der Innenstadt Stein für Stein durch die Epochen Kölner Geschichte zu graben. Müller-Wüstenberg indes rechnet mit der Fertigstellung des Gesamtbauprojekts „nicht vor März 2024“. Die Prognose der Gesamtkosten beträgt nach aktuellem Stand 95 Millionen Euro. Im Prätorium sowie im unterirdischen Bereich des späteren Museums vor dem Wallraf-Richartz-Museum sollen aber bereits 2021 Veranstaltungen anlässlich des stadtweiten Festjahres „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ stattfinden.