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Theater am SachsenringJoe Knipp über seine 30 Jahre beim Kölner Theater

Lesezeit 5 Minuten

Joe Knipp, Leiter des Theater am Sachsenring

Köln – Abergläubisch ist er nicht. Sonst hätte er damals am Abend der Vertragsunterzeichnung wohl kaum einen weiß eingedeckten Esstisch auf die Bühne gerückt, Käse, Trauben und Wein aufgetragen, Kerzenleuchter arrangiert und Hannelore Honnen, mit der er bis heute das Haus betreibt, zugeprostet. 30 Jahre ist das inzwischen her.

Geprostet wurde auch 2017, nur stand an diesem runden Geburtstag kein Esstisch, sondern die Komödie „Ab jetzt“ im Mittelpunkt; ein Stück, das Alan Ayckbourn im Gründungsjahr des Theaters geschrieben hatte.

Joe Knipp tritt immer noch regelmäßig auf

Würde Joe Knipp in Kenntnis des Weges, den er zurückgelegt hat, noch einmal den Startknopf für sein Theater am Sachsenring (TAS) drücken oder etwas ganz anderes tun? Eine rhetorische Erwägung. Natürlich würde er es „wieder so machen“. Danach befragt, was man in erster Linie braucht, um in einer Stadt wie Köln einen Bühnenbetrieb zu leiten, atmet der selbst im Sitzen imposant wirkende, 2,02 Meter große Mann erst tief ein. Dann lacht er und sagt: Geduld, gute Nerven und die Überzeugung, an der eigenen Sache festhalten zu können.“

An der eigenen Sache festhalten, das tut der 62-Jährige in mehrfacher Hinsicht. Nach wie vor tritt er regelmäßig gemeinsam mit Albrecht Zummach (Gitarre) und Clemens Dreyer (Vibraphon) in der Formation „Zinnober“ als musikalisches Trio bei Wohnzimmerkonzerten im „Roten Salon“ auf.

Mit dem Stück „Das Fest“ gewann das Ensamble den Kölner Theaterpreis

Darüber hinaus hat Knipp in den zurückliegenden drei Jahrzehnten mehr als 100 Stücke inszeniert. Einige davon feierten geradezu triumphale Erfolge — allen voran „Das Fest“, das 2003 regelrecht zum Stadtgespräch wurde und dem Haus den Kölner Theaterpreis bescherte. Damals sei immer mindestens einer während der Vorstellung gegangen, erinnert sich Knipp — in seinen Augen ein Beweis für die ungewöhnlich dichte und aufwühlende Inszenierung.

Ein anderer Bestseller sei „Kafkas Welten“, ein Solo mit dem jungen Schauspieler David N. Koch im Jahr 2008 gewesen. Als weiteren Meilenstein betrachtet Knipp die Zusammenarbeit mit dem Kabarettisten Thomas Reis in dem Stück „Als die Männer noch Schwänze hatten“ und schildert die glückliche Fügung, wenn die Arbeit zwischen Regie und Künstlern absolut stimmig verlaufe, „einfach alles zusammenpasst“ und das Publikum intellektuell gefordert und zugleich „völlig aus dem Häuschen“ sei.

2001 begründete er die erste Theaternacht der Bundesrepublik

Fragt man den gebürtigen Kölner nach den drei dicksten Stolpersteinen im Laufe von 30 Jahren TAS, gibt er dreimal hintereinander dieselbe Antwort: „Die Kölner Kulturpolitik!“ — Kultur sei in einer Stadtgesellschaft ein Lebenselixier. „Wenn das nicht begriffen wird, wird man in Zukunft eine weitere Verrohung beklagen müssen. Denn dort, wo Kultur fehlt, wächst Gewalt“, glaubt der Mann, der 2001 die erste Kölner Theaternacht begründet und mit dieser in der Bundesrepublik damals noch einmaligen Veranstaltung bis heute einen Publikumsmagneten hervorgebracht hat.

Als Vorsitzender der Theaterkonferenz, der er zwischenzeitlich auch war, sei er ja selber „in der Kölner Kulturpolitik unterwegs gewesen“ und verstehe damals wie heute nicht, weshalb in Köln die Fördersummen nicht dem Bedarf der Theater angepasst würden, was seiner Ansicht nach logisch wäre, sondern umgekehrt die Theater der Fördersumme.

Knipp ist überzeugt, dass mit dem in dieser Stadt geltenden Leuchtturm-Prinzip „Luftschlösser gebaut“ und die gewachsene Vielfalt aufs Spiel gesetzt werde. Dass sein Theater am Sachsenring, in dem an guten Tagen knapp 90 Stühle besetzt sind, seit zwölf Jahren ohne Basisförderung auskommen muss, bemerkt er eher am Rande und ohne Grimm. Aber man merkt seiner Stimme die Enttäuschung darüber an, dass „die Wertigkeit von Kultur jahrelang nicht in die Köpfe der Leute gegangen“ sei.

Auch in zehn Jahren sieht sich Knipp im Theater

Knipp spricht von Stagnation und Mangelverwaltung. Daran werde sich auch in einer neuen Regierung nichts ändern, „weil die Kultur bereits aus dem Blick geraten ist.“ Für den Sohn eines Schauspieler-Ehepaars hat Kultur immer eine zentrale Rolle gespielt. „Wir leben in einer Zeit, in der alles zersplittert wird. Im Theater wird das wiederholt — mit echten Menschen auf der Bühne mit Blut und Schweiß. Ich glaube, dass das Theater nicht altmodisch sondern in der Lage ist, eine Geschichte zu erzählen. Und zwar so, dass wir darin etwas entdecken und etwas damit anfangen könnten.“

Man müsse einen Shakespeare nicht auseinanderreißen „und mit Fremdtexten vollstopfen“, lautet Knipps Überzeugung, der mit dieser Haltung allerdings einen Gegenpol zum performativen Theater einnimmt und bei der Verteilung von Fördergeldern deshalb wohl unberücksichtigt bleibe.

Fragt man den Theaterchef, wo er sich in zehn Jahren sieht, deutet er auf den Platz, auf dem er sitzt. „Wir werden auch in zehn Jahren Theater spielen und nichts anderes“, sagt er mit einer Überzeugung, die nur jemand haben kann, der den Überlebenskampf bisher selbst dann gewonnen hat, wenn die Zeichen extrem dagegen sprachen — wie im Dezember 2009, als das Haus vorübergehend schließend musste.

„Wir sind ein kleines unbeugsames Dorf!“ Die Arbeit mit der Kunst mache ihm persönlich immer mehr Spaß, zumal er ein Riesenglück mit seinen Schauspielern habe und mit seiner Kollegin Hannelore Honnen, mit der er seit Beginn zusammenarbeite.

Dass das Haus einer dringenden Renovierung bedürfe und die für Spenden bestimmte Sparbüchse auf der Theke dafür nicht ausreiche, ist die andere Seite. Gleichwohl scheint Knipp überzeugt, das ihn die Stolpersteine der Zukunft nicht zu Fall bringen werden. „Wir sind nur nicht in der Lage, die Römer zu verhauen“, meint der Anführer des kleinen, unbeugsamen Dorfs und lächelt.